Ben Turpins war ein vorsichtiger Mann.
Er beteiligte sich nicht an der Hetzjagd nach dem Butler. Schließlich wollte er keine Kugel riskieren. Er blieb in dem erleuchteten Kellerraum zurück, der als Labor eingerichtet war. Hier wartete er auf gute Nachrichten, wartete auf die ersten Schüsse, die ihm endlich anzeigen sollten, daß der Butler erwischt worden war.
Die Sekunden wurden zu Minuten, und die verwandelten sich in kleine Ewigkeiten. Turpins rauchte bereits die zweite Zigarette, als er endlich erfreut zusammenzucken konnte.
Ein Schuß war gefallen!
Sie mußten den Butler erwischt haben.
Turpins verließ das behelfsmäßige Labor und lief in den Stollen hinein.
Er prallte mit einem Mann zusammen, der aus der Dunkelheit auf ihn zukam.
»Nicht schießen«, keuchte Strickton. Um ihn handelte es sich nämlich.
»Wo steckt Parker?« fragte Turpins.
»Entwischt, Chef! Er ist ’rausgekommen!«
»Ausgeschlossen!«
»Er hat Bigels überfallen«, berichtete Strickton gehetzt. »Er muß schon im Fabrikkeller sein.«
»Los, ihm nach!«
Turpins verlor den mühsam erworbenen Schliff, den er sich als Hersteller von Brot und Gebäck zugelegt hatte. Er wurde wieder zum Gangster. Ohne weiter auf Strickton zu achten, rannte er los.
Noch bestand eine Chance, Parker zu stoppen. Seit einer Viertelstunde war die Fabrik leer. Die Hetze nach dem Butler konnte ungestört weitergehen.
»’rauf in den Keller«, brüllte Turpins mit lauter Stimme. »Alles ’rauf in den Keller. Hundert Pfund für den, der Parker erwischt! Er darf uns nicht entkommen!«
Die Gangster im großen Luftschutzstollen hörten dieses tolle Angebot. Hundert Pfund waren nicht zu verachten. Sie nahmen die Beine in die Hand und folgten ihrem Vormann.
Der Stollen wurde innerhalb weniger Sekunden geräumt. Die Gangster verschwanden nach oben.
Nur einer blieb zurück.
Es war Strickton, der seinen Chef Turpins alarmiert hatte. Genauer gesagt, es war Josuah Parker, der sich für Strickton ausgegeben hatte! Parker wollte nämlich in aller Ruhe nach dem Rauschgift suchen.
Für Tricks und Listen hatte er schon immer etwas übrig gehabt.
*
Es war später Nachmittag.
Lefty Candels fuhr mit einem Taxi vor. Als er den Wagen verließ, nachdem er den Fahrer entlohnt hatte, nahm er zwei prall gefüllte Aktentaschen in die Hand und betrat die Halle des Apartment-Hauses. Er wollte der Wohnung des ehrenwerten Mr. Harold Load einen Besuch abstatten.
Alles klappte wie am Schnürchen.
Er kam ungehindert zum Lift, fuhr in die zweite Etage und klingelte an der Wohnungstür. Es war ihm gleich, ob Load zu Hause war oder nicht. Er hatte alles einkalkuliert.
Schritte näherten sich der Tür. Dann wurde sie geöffnet. Ein schlanker Offizierstyp, Schnurrbart und stocksteife Haltung, sah Candels fragend an.
»Mr. Load?« erkundigte sich Candels mit heuchlerischer Freundlichkeit.
»Richtig. Was wollen Sie?« Loads Stimme klang schnarrend.
»Mr. Turpins schickt mich«, behauptete Lefty Candels. »Ich soll Ihnen die neuen Proben bringen, Sir.«
Ohne Loads Antwort abzuwarten, trat Candels ein. Er stellte die beiden Taschen ab und … schickte einen rechten Haken auf die Reise. Er traf sehr genau. Load sah ihn einen Moment verblüfft an, seufzte wehmütig und sank zu Boden.
Lefty Candels machte sich schnell und geschickt an die Arbeit. Er öffnete die beiden Taschen, holte zwei kleine Benzinkanister hervor und verschüttete die Flüssigkeit nach einem genauen Plan. Er sorgte dafür, daß alle Teppiche und Polstermöbel gut durchtränkt wurden.
Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, Load einfach einzuschließen und ihn dem Feuer zu überlassen. Da er jedoch die Gesetze fürchtete und einer eventuellen Anklage wegen Mordes aus dem Wege gehen wollte, schleifte er den Gesellschafter von Turpins Brotfabrik aus der Wohnung, schloß die Tür bis auf einen schmalen Spalt und riß ein Streichholz an.
Er warf es in die Wohnung.
Die noch nicht mal laute Detonation drückte die Tür ins Schloß. Im Apartment aber brach die Hölle los. Das Benzin entzündete sich und setzte das Mobiliar in Brand.
»Das wär s, Mr. Load«, murmelte Candels. »Jetzt ist Powell an der Reihe. Die Burschen sollen mich noch kennenlernen!«
Lefty Candels fuhr mit dem Lift nach unten in die Halle und betrat die Straße. Als er sie überquerte, zersprangen die ersten Fensterscheiben unter der Einwirkung der Hitze.
Dichte schwarze Rauchwolken trieben ins Freie. Die ersten Alarm- und Entsetzensschreie wurden hörbar. Candels war sicher, daß die Feuerwehren bald auftauchten. Es wurde Zeit, sich eine ruhigere Gegend zu suchen.
*
Josuah Parker hatte gefunden, wonach er gesucht hatte.
Er stand in einem kleinen Raum, dessen Wände aus Beton bestanden. An den Wänden befanden sich Wasserleitungen. Sie führten zu Brauseköpfen, die an der Decke hingen. Auf dem Boden lag ein brandtrockener Holzrost. Zu Kriegszeiten mochte dieser Raum als Dusche gedient haben. Jetzt aber war er in ein Rauschgiftlager verwandelt worden.
Auf den Lattenrosten standen die Kartons mit dem teuflischen Gift. Hier herrschte Ordnung. Ben Turpins wußte schließlich, welch ein Vermögen an Rauschgift hier lagerte.
Parker hatte keine Zeit, eine genaue Bestandsaufnahme vorzunehmen. Er begnügte sich damit festzustellen, daß Turpins nicht nur mit Kokain, sondern auch mit Rohopium, Heroin und Marihuanazigaretten handelte. Sein Sortiment konnte sich wahrlich sehen lassen.
Der Butler mußte blitzschnell eine Entscheidung treffen.
Es war eine Frage von Minuten, bis Turpins hinter den Schwindel kam, bis er merkte, daß Strickton fehlte. Er würde dann natürlich zurück in den Stollen kommen und hier nach Strickton und nach ihm, Josuah Parker, suchen.
Der Butler spielte mit dem Gedanken, das Rauschgift zu vernichten. Gewiß, er vernichtete damit zwar wichtige Beweismittel, die Turpins das Genick brechen konnten. Aber doch nur, falls es ihm gelang, mit heiler Haut aus dem Stollen zu kommen.
Diese Wahrscheinlichkeit sah nicht berauschend aus.
Da war es schon besser, erst mal diese teuflischen Vorräte zu vernichten. Turpins und seine Rauschgift-Gang wurde damit entscheidend getroffen. Sie konnten ihre Verteiler und Kunden nicht mehr beliefern und mußten Nachschub abwarten. Darüber konnten noch Wochen vergehen.
Parker hatte seinen Entschluß gefaßt.
Er kippte die Kartons um, zerriß die Plastikbeutel und ließ das Rauschgift zu Boden rieseln. Es häufte sich auf dem Beton. Garniert wurde das Giftpulver von Marihuanazigaretten und dem Rohopium.
Der Butler begab sich zu den einzelnen Duschhähnen und drehte sie voll auf.
Einen Moment lang war er verwirrt, als das erwartete Wasser ausblieb. Die Brauseköpfe blieben trocken wie die Sahara. Dann fand er aber den Haupthahn.
Als er ihn voll auf drehte, rauschte es in den einzelnen Leitungen. Und Sekunden später schoß das Wasser aus den Duschen. Ein wahrer Platzregen stürzte sich auf das Rauschgift und löste es auf. Ein Strom von Gift schwemmte hinüber zum viereckigen Abflußgully.
Parker, sah diesen Wasserspielen wohlgefällig zu. In