Auf dem Sonnenstein wurde Böttiger sehr streng bewacht. Im Januar 1704 kam der König August nach Sachsen und lernte Böttiger persönlich kennen. Er bestand darauf, daß der Bergrat Pabst zur Bereitung des großen Arkans bei Böttiger förmlich Unterricht nehme. Pabst, Tschirnhausen und der Statthalter beschworen nun feierlich sechsunddreißig Kontraktpunkte, die auch der König durch seinen schriftlichen Eid unverbrüchlich zu halten versprach. Böttiger machte zur Bedingung, daß von dem gewonnenen Golde »nichts zur Üppigkeit sündhaften Aktionibus, boshafter Verschwendung, unnötigen und unbilligen Kriegen verwendet werden dürfe; auch dürfe, wer das Arkan besitze, nie einem Herrn dienen, der öffentlichen und schändlichen Ehebruch treibe und unschuldiges Blut vergieße«.
Im September 1705 übergab Böttiger auf zwanzig Folioseiten einen Prozeß zum Universal; kurz darauf machte er einen Tingierversuch, welcher gelang, aber der Kämmerer Starke sagte, es wären verschiedene Umstände passiert, die »zu einem konzentrierten Betrug ziemlichen Soupson gegeben«. Wiederholt bat nun Böttiger um seine Freiheit und machte den König vor Christi Richterstuhl dafür verantwortlich. Der König ließ ihn aber nicht los; vom Sonnenstein wurde er auf die Albrechtsburg bei Meißen geschafft, dann kam er wieder auf den Königstein und im Herbst 1707 nach Dresden zurück.
Hier ließ er nun Materialien aller Art herbeischaffen und verfuhr nach der berühmten mephistischen Tafel, das heißt, er kochte alles durcheinander. Und so, ganz zufällig, erfand er eines Tages, es war das sechste Jahr seiner Haft, das braune Jaspisporzellan und später, als er schon etwas methodischer zu Werke ging, das weiße Porzellan. Nach Tschirnhausens Rat bildete er diese Erfindungen technisch aus, wobei er seiner enthusiastischen Natur gemäß so eifrig war, daß er mehrere Nächte in kein Bett kam. In einem Schreiben an den König gestand er endlich, daß er kein Adept sei.
Der König begnügte sich jedoch mit dem Porzellan, das ihm bei der damaligen Kostbarkeit des chinesischen Porzellans beinahe so lieb wie eine Goldfabrik war. Die Manufaktur wurde sofort im großen durch herbeigezogene holländische Steinbagger betrieben. Das auf der Albrechtsburg zu Meißen hergestellte Porzellan verdrängte bald das chinesische und japanische, für das der König August noch Millionen ausgegeben hatte, und wurde einer der begehrtesten Luxusartikel der eleganten Welt. Eine Menge Dinge, die bisher aus Marmor, Metall oder Holz gemacht waren, wurden jetzt aus Porzellan fabriziert, sogar Särge; die Witwe eines Oberstallmeisters wurde in einem Porzellansarg begraben, der aber beim Hinuntersenken in die Gruft zerbrach. Wahrscheinlich hatten neidische Tischler die Leichenträger bestochen. Die Hauptkunstwerke, die man in Meißen herstellte, waren die kleinen, aufs feinste und schönste bemalten Figuren, und wie der »zerbrochene Spiegel«, »das Blumenmädchen«, »die fünf Sinne« beweisen, brachte man es darin zu einer hohen Vollendung. Der Vertrieb der Fabrik stieg bis über zweimalhunderttausend Taler, und die Kosten betrugen nur die Hälfte; gegen achtzig Kommissionslager und Handelshäuser führten das Verkaufsgeschäft.
Des Fabrikgeheimnisses wegen mußte Böttiger noch eine Zeitlang Gefangener bleiben, doch zeigte sich der König sehr gnädig gegen ihn, besuchte ihn häufig auf der Bastei und schoß mit ihm nach der Scheibe. Er erhielt Zutritt zu den Privataudienzen, sooft er wünschte, und wiederholt befahl der König, ihn vor Ärgernis zu schützen. Er schenkte ihm einen Ring mit seinem Bildnis, einen jungen Bären und ein Paar Affen und gab ihm offenen Kredit bei dem Hofjuden Meyer. Sechs Jahre nach der Erfindung wurde ihm die Meißner Porzellanfabrik zur freien Disposition ohne alle Rechnungslegung überlassen. Er lebte in Dresden auf großem Fuß, hielt eine zahlreiche Dienerschaft und eine Menge Hunde. Ausschweifungen in der Liebe und im Trunk verkürzten sein Leben; er starb im März 1713, erst vierunddreißig Jahre alt.
Moritz von Sachsen
Kurfürst Moritz war der Sohn Herzog Heinrichs des Frommen und am 21. März 1521 geboren. Er war ein kräftiger Mann, geschmeidigen Körperbaus; sein braunes Gesicht verkündete den Helden. Seine Augen waren so glänzend, daß sie funkelten und wie von Flammen sprühten; schaute er unversehens jemand an, so mußte dieser den Blick niederschlagen. Seltsam waren in seiner Erziehung die Elemente gemischt. Sein Vater, den die Untertanen wegen seiner Gutmütigkeit liebten, war bei aller Frömmigkeit ein Mann ganz eigenen Schlages. Er hatte einen sonderbaren Geschmack am Bunten und eine sonderbare Vorliebe für Kanonen. Er ließ anstößige Bilder auf die Kanonen malen, und Lukas Cranach mußte ihm dazu die Zeichnungen machen. Er kaufte alle schönen Gemälde für seine Kanonen, die er nur auftreiben konnte, und obgleich er das Geschütz nie brauchte, konnte man ihm doch keine größere Freude bereiten, als wenn man ihm sagte, Kaiser Karl habe von seinen Kanonen gesprochen. Vom Hof seines Vaters kam Moritz an den des Kurfürsten von Mainz und sah hier das üppig schwelgerische Treiben eines katholischen Kirchenfürsten. Und dann weilte er bei seinem Vetter Johann Friedrich von Sachsen, wo er die traurige Einförmigkeit eines protestantischen Hofes der damaligen Zeit kennen lernte. Johann Friedrich hatte große Schwächen, der kluge Moritz durchschaute sie, er faßte einen Widerwillen gegen den Vetter, er konnte ihn nicht leiden, den dicken Hoffart, wie er ihn zu nennen pflegte.
Noch ehe er zwanzig Jahre alt war, vermählte er sich mit Agnes, der Tochter Friedrichs des Großmütigen von Hessen. Sein Vater war über die verfrühte Ehe so unglücklich, daß der Kummer sein Leben verkürzte; er starb wenige Monate nach der Hochzeit, und Moritz folgte ihm in der Regierung. Trotz seiner Heiratsungeduld mußte aber seine Frau später über ihn klagen, daß er die Wildschweinsjagd ihrer Gesellschaft vorziehe.
Moritz bekannte sich zur evangelischen Lehre wie sein Vater, aber er trat nicht in den schmalkaldischen Bund, so oft ihn auch sein Vetter, der Kurfürst, und sein Schwiegervater, der Landgraf, darum mahnten. Er vermochte in der neuen Lehre nicht die Summe alles Heils zu sehen. Er weigerte sich, eine Verbindung gegen den Kaiser abzuschließen, im Gegenteil, er näherte sich dem Kaiser, je mehr sich die Bundesgenossen von ihm entfernten. Er wollte nicht der Trabant dieser Bundesgenossen sein, er fand seinen nächsten und unmittelbaren Vorteil beim Kaiser. Deshalb ließ er durch seinen Vertrauten Christoph Carlowitz mit Granvella unterhandeln und kam dann im Mai 1546 persönlich zum Kaiser nach Regensburg; hier trat er in den Dienst des Kaisers ein. Karl ernannte ihn nicht nur zum Exekutor, Konservator und Schirmer von Magdeburg und Halberstadt, nach deren Besitz Moritz schon lange getrachtet hatte, sondern er versprach ihm auch die Kur Sachsen. Der Tag von Mühlberg verschaffte ihm den Kurhut wirklich, und es schien ihn nicht zu beirren, daß durch diese Schlacht sein Vetter in das bitterste Unglück geriet. Luther hatte wohl recht gehabt, als er einmal bei der Tafel den Kurfürsten davor gewarnt hatte, in Moritz einen jungen Löwen aufzuziehen.
Ende April 1547 rückten das kaiserliche Heer und die Scharen Herzog Moritz’ gegen Mühlberg. Der Kaiser Karl war ritterlich anzusehen, er saß auf einem andalusischen Roß, das mit einer rotseidenen, goldbefransten Decke behangen war; er war ganz in blanken Waffen, sein Helm und Panzer vergoldet, mit dem roten burgundischen Feldzeichen geschmückt; in der Rechten hielt er eine Lanze. Die Gicht hatte ihn grau und müde gemacht, sein Gesicht war leichenblaß, die Glieder wie gelähmt, die Stimme so schwach, daß man sie kaum vernahm. Zu früh aber hatten die Protestanten ihn wie einen Verstorbenen betrachtet. Karl zitterte jedesmal, bevor er die Waffenrüstung anlegte, aber dann erfüllte ihn plötzlich der Mut. So war es auch am Tag von Mühlberg.
Die ersten, die das Ufer der Elbe erreichten, waren Moritz und Herzog Alba. Ein Bauer verriet ihnen, daß Johann Friedrich in der Stadtkirche zu Mühlberg den Sonntagsgottesdienst abwarte, daß er sein Fußvolk schon nach Wittenberg vorausgeschickt habe und nach der Predigt mit den Reitern folgen wolle. Die spanischen Hakenschützen erhielten sofort den Befehl, hinüber zu schwimmen; sie taten es, indem sie sich entkleideten und die Säbel zwischen die Zähne nahmen. So bemächtigten sie sich der Brücke, die die Kurfürstlichen vergebens anzuzünden versucht hatten, und die sie zerstörten. Der Kaiser hatte schon über den dichten Nebel geklagt, der über der ganzen