Doch er sollte sich gewaltig täuschen.
Nach etwa zwanzig Schritt hörte er hinter sich ein eigenartig gefährliches Geräusch. Blitzschnell drehte er sich um. Und in diesem Augenblick verspürte selbst Josuah Parker so etwas wie ein grauen, das für Bruchteile von Sekunden seine Nerven und Muskeln lähmte. Ja, im ersten Moment glaubte er sogar zu träumen.
Über den weichen, kurz geschorenen Rasen federte ein riesiger, gefleckter Hund auf ihn zu. Dieses Tier verhielt sich unheimlich still. Aber es wußte genau, wen es anzufallen hatte.
Weit zurück war die Silhouette eines Mannes zu sehen, der diesen Hund wohl von der Kette gelassen haben mußte. Parker dachte nicht einen Augenblick lang an Flucht. Er war sich klar darüber, daß er diesem Tier nicht entkommen konnte.
Dann kam der zweite Schock für den Butler …!
Josuah Parker konnte den angeblichen Hund identifizieren. Das Tier war schon nahe genug herangekommen. Es handelte sich nicht um einen Hund, sondern um einen Panther! Was er von solch eine blutrünstigen Bestie zu halten hatte, war dem Butler bekannt. Wenn ihm nicht schleunigst etwas einfiel, war er verloren. Es blieb keine Zeit mehr, den vorsintflutlichen Colt aus der Tasche zu ziehen. Zudem hätte solch ein Schießeisen mehr Krach verursacht als ein Böllerschuß.
Der Butler hatte die rettende Idee. Sie kam ihm instinktiv, ohne langes Überlegen.
Er stemmte sich mit den gespreizten Beinen fest gegen den weichen Rasen ab und … spannte seinen Universal-Regenschirm auf. Zuverlässig und prompt funktionierte seine Geheimwaffe. Der Schirm entfaltete sich wie ein schützendes Dach.
Im gleichen Augenblick drückte sich der Panther vom Rasen ab. In herrlichem Flug schoß das geschmeidige Tier durch die Luft. Die Vorderpranken mit ihren langen, messerscharfen Krallen warteten nur darauf, sich in den Hals des Opfers versenken zu können.
Der Panther war verständlicherweise verblüfft, als er sein Opfer plötzlich nicht mehr sah. Er sah vor sich nur ein kreisrundes schwarzes Etwas, das ihm die Sicht nahm. Da das Tier seinen Sprung aber nicht abbrechen konnte, landete es genau auf dem Regenschirm.
Mißmutig fauchte es, zumal Josuah Parker auf den am Griff versteckt angebrachten Alarmknopf gedrückt hatte. Aus dem unteren Teil des Schirmstocks zischte eine lange, nadelspitze Degenklinge hervor, die das Bauchfell des Tieres empfindlich kitzelte.
Parker sprang ein, zwei Schritte zurück und erwartete den nächsten Angriff. Er konnte sich schlecht vorstellen, daß das Tier schon jetzt aufgab. Es dürstete nach Blut, es wollte sein Opfer haben.
Doch der Panther steckte tatsächlich auf. Er hatte, wie es so treffend heißt, genug. Er verspürte einigen Schmerz auf der Bauchseite und war zudem derart verwirrt, daß er sich mit aller Kraft nach seinem sicheren Käfig zurücksehnte. Kurz, das Tier trat einen schnellen und gekonnten Rückzug an. Parker konnte eine kleine Verschnaufpause einlegen.
Sie währte allerdings nicht lange.
Der Tierwärter war Zeuge dieser Pleite geworden. Er stieß einen schrillen Pfiff aus. Dieser Pfiff wurde von anderen Pfiffen beantwortet. Der ganze Garten schien zu antworten. Das erleuchtete Fenster auf der Rückseite des Bungalows erlosch.
Parker wäre freilich nicht zurück zum Bootssteg gelaufen. Die Straße vor dem Bungalow war ja bedeutend näher. Aber dieser Weg war ihm versperrt. Einige finstere Gestalten tauchten aus den Büschen auf. Sie schossen nicht, aber sie arbeiteten dafür mit Messern. Sie schleuderten, was die Handgelenke hergaben. Nur der Regenschirm bewahrte den Butler vor einem bösen Treffer. Die zähe Schirmseide, die mit dünnen Stahldrähten durchsetzt war, fing den Messerhagel auf und ließ die Klingen wirkungslos abprallen.
Der Butler hielt es in Anbetracht dieses massierten Angriffes für geraten, das Feld zu räumen. Gegen solch eine Übermacht konnte selbst er nichts ausrichten.
Nun zeigte sich aber, was in dem Butler stak.
Er begnügte sich nicht mit einer wilden Flucht. Nein, er hielt sich an einen durchaus geordneten Rückzug, der seiner inneren Würde entsprach. Er verschwand hinter schützenden Sträuchern, täuschte seine Gegner und lockte sie zur Straßenseite hinüber. Nach dieser Finte schritt der Butler zurück zu der steilen Treppe und schickte sich an, nach unten zu gehen.
Das ging natürlich nicht ohne gewisse Komplikationen ab.
Zwei stämmige Chinesen bauten sich vor ihm auf. Sie waren wohl als Treppenwache zurückgelassen worden. Sie stürzten sich sofort auf Parker und hatten das einzige Bestreben, ihn über die steilen Klippen hinunter ins Wasser zu befördern.
An Luftreisen dieser Art kaum interessiert, ging der Butler etwas aus sich heraus. Er benutzte seinen leicht zerfetzten Regenschirm als Degen. Übrigens nicht zum ersten Mal. Er schüchterte damit, seine Gegner ein, trieb sie an den Rand der Klippen zurück und zwang sie, hinunter ins schäumende Wasser zu springen. Er unterstellte, daß. sie schwimmen konnten. Bevor er sich dessen vergewissern konnte, mußte er allerdings seine Absetzbewegung fortsetzen.
Die übrigen Angreifer hatten nämlich inzwischen bemerkt, daß sie getäuscht worden waren. Eine harte Befehlsstimme rief sie zurück zur Treppe. Parker schritt nach unten, wo das rettende Boot auf ihn wartete. Er wollte die Dinge nicht auf die Spitze treiben. Zudem war ihm an einem kleinen Vorsprung durchaus gelegen.
Unten am felsigen Strand angekommen, bog der Butler zu seinem Boot ab, drückte sich von Land und startete es. Der kleine Außenbordmotor war sofort da. Der Butler legte den Universal-Regenschirm neben sich, setzte sich die schwarze steife Melone zurück und stach in See.
Die Verfolger waren schnell. Sehr schnell sogar.
Sie jagten die Stufen hinunter, liefen mit ihren nackten Füßen über den Bootssteg und warfen sich in den Kajütenkreuzer. Sie verzichteten darauf, auf Parker zu schießen. Für sie war der Butler nämlich bereits ein toter Mann.
Ihr Boot mußte in jedem Fall viel schneller sein. Es war klar, daß sie Parker auf offener See rammen und erledigen wollten. Die notwendigen Voraussetzungen dazu waren ja bestens gegeben.
Parker hatte keine Eile.
Er vertraute dem dreifach geschlungenen Kabel, er baute darauf, daß die Verfolger sich nicht die Zeit nahmen, alles genau zu kontrollieren. Und genauso war es dann auch.
Die beiden Evinrude-Außenborder röhrten wie Urwelttiere auf. Das Boot wurde losgemacht und nahm sofort volle Fahrt auf. Hoch schäumte die Bugwelle auf. Im silbernen Mondlicht war sie besonders gut und deutlich zu erkennen.
Parker schlitterte mit seinem kleinen Boot etwas zur Seite, um besser sehen zu können. In wenigen Augenblicken mußte die rasende Fahrt des lospreschenden Kajütenkreuzers enden.
Da passierte es auch schon!
Das dreifach geschlungene Kabel hatte sich aufgespult. Es zerrte an der Halterung der beiden Außenbordmotoren. Durch das Boot ging ein kurzer, harter Ruck, als sei es von einer unsichtbaren Riesenfaust gestoppt worden.
Das Kabel war stark genug.
Krachend riß es das Haltegestänge aus der Bordwand. Die beiden schweren Motoren wirbelten durch die Luft und landeten im aufklatschenden Wasser. Das Boot hob sich mit dem Heck aus dem Wasser, stieg steil hoch, machte eine fast höfliche Verbeugung und bohrte sich dann mit dem Bug ins Wasser.
Holz splitterte, Glas barst klirrend auseinander. Innerhalb weniger Sekunden verwandelte sich der Kajütenkreuzer in ein U-Boot und ging auf Tauchstation.
Nach weiteren Sekunden tauchten die Köpfe der Besatzungsmitglieder an der Wasseroberfläche auf. Die Chinesen paddelten zurück an Land. Sie gaben die Verfolgung auf. Sie straften den Butler mit Verachtung und kümmerten sich nicht weiter um ihn.
Parker aber zündete sich im Vollgefühl seiner soeben vollbrachten Taten eine seiner spezialangefertigten Zigarren an und stuckerte langsam zurück zum Bootsverleih …
*
Am frühen Morgen schon fanden Mike Rander und Butler