Butler Parker Jubiläumsbox 6 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931360
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Tür zum angrenzenden, benachbarten Zimmer, in dem Mike Rander wohnte, war weit geöffnet.

      Josuah Parker sah für wenige Augenblicke eine schlanke Frau, die einen chinesischen Cheongsam trug, ein Kleid im chinesischen Schnitt, das bis zu den Schenkeln geschlitzt war. Diese Frau huschte wie ein flüchtiger Schatten auf die Eingangstür zu und verschwand.

      Der Butler ging durch das Badezimmer, das sein Zimmer von dem Mike Randers trennte. Er rief den Namen des Anwalts, doch die erwartete Antwort blieb aus.

      Das Zimmer war leer.

      War Anwalt Mike Rander freiwillig gegangen? Oder war er von dem Gelben Drachen bereits gekidnappt worden?

      *

      Nein, Mike Rander konnte sein Hotelzimmer nicht verlassen haben. Sein Rock hing über der Stuhllehne. Und seine Brieftasche, die herausgezogen war, lag geöffnet auf dem kleinen Schreibtisch. Sie war von der Frau im Cheongsam geöffnet und durchsucht worden.

      Gehörte sie zu den beiden chinesischen Gangstern?

      Parker widmete sich einer im Moment viel wichtigeren Frage, er suchte nach seinem jungen Herrn, für den er sich in allen Lebenslagen immer verantwortlich fühlte.

      Das Rauschen der Dusche lockte ihn zurück in das Badezimmer. Sollte Anwalt Mike Rander von den Besuchern überhaupt nichts bemerkt haben? Parker blieb vor der Duschnische stehen und klopfte gegen die Milchglasscheibe, hinter der das Wasser rauschte.

      Als er keine Antwort erhielt, ging er der Sache auf den Grund. Er öffnete die Tür mit der Milchglasscheibe und – fand seinen jungen Herrn. Mike Rander hockte in einer Ecke. Er war an Armen und Beinen gefesselt worden. Über seinem Mund klebte ein breites Heftpflaster.

      »Sie ahnen nicht, Sir, wie sehr ich Ihre augenblickliche Situation bedaure«, sagte Parker. Er drehte das Wasser ab und barg den Anwalt. Er schleifte ihn mit erstaunlichen Körperkräften in die Mitte des Badezimmers.

      »Soll ich Sie gleich hier entfesseln, oder wäre es Ihnen lieber, diese Prozedur im Salon zu überstehen?«

      Der Blick, mit dem Rander seinen Butler maß, sprach Bände. Er ging selbst dem Butler unter die Haut. Josuah Parker machte sich daran, die Stricke zu lösen. Da er ein sparsamer Mensch war, verzichtete er darauf, sie mit einem Messer zu zerschneiden. Er knotete sie los und rollte sie vorsichtig ab. Dann steckte er die dünnen Bindfäden in die Tasche und widmete sich dem Heftpflaster.

      Es war schon recht schmerzhaft, es zu lösen. Mike Rander stöhnte, als Parker es mit einem schnellen Ruck abriß. Rander stand auf, hüllte sich in den Bademantel, den sein Butler ihm vorsorglich hingehalten hatte und ging ein wenig taumelnd in seinen Salon. Er ließ sich in einen Sessel fallen.

      »Darf ich fragen, Sir, wie lange Sie schon vom Wasser belästigt wurden?« erkundigte sich Parker.

      »Viel zu lange«, gab Rander brummig zurück. »Haben Sie denn nichts gehört, Parker?«

      »Bedaure, nein, Sir. Ich war meinerseits beschäftigt, wenn ich das an dieser Stelle bemerken und einflechten darf.«

      »Wie? Sie sind auch überfallen worden?«

      »Nicht in der Weise, wie Ihnen mitgespielt wurde, Sir. Man sah wohl, daß man es mit einem alten verbrauchten Mann zu tun hatte. Die Gelben Drachen benahmen sich überhaupt erstaunlich zurückhaltend, wenngleich sie mit Drohungen auch nicht sparten.«

      »Waren es auch bei Ihnen zwei Chinesen?« wollte Rander wissen.

      Parker nickte.

      »Sie stellten sich als Abgesandte der Gelben Drachen vor. Sie bestehen darauf, daß Sie und meine Wenigkeit innerhalb von vierundzwanzig Stunden Hongkong verlassen, ein Ansinnen, das ich, offen gesagt, Sir, nicht ernst nehmen kann und will.«

      »Man will uns also loswerden«, überlegte Rander laut. »Warum, ist mir allerdings noch unklar. Wer weiß denn schon von unserer Existenz, von unserem Fall?«

      »Wenn Sie erlauben, möchte ich die bewußten Personen aufzählen.«

      »Sie haben sich bereits eine Liste zusammengestellt?« staunte der Anwalt.

      »Gewiß, Sir. Da wäre zuerst mal Mister Bannon, der Onkel Miss Morefields, der Ihnen diese Aufgabe übertragen hat. Dann käme Inspektor McParish in Betracht und schließlich Mister Ty Hong, der Manager der Bank. Sie alle wissen sehr genau, weshalb wir uns in Hongkong befinden.«

      »Der ermordete Larry Croften, nicht zu vergessen«, warf Mike Rander ein. »Ernest Bannon verständigte ihn von unserer Abreise und Ankunft.«

      »Könnte sich in seiner Aktentasche nicht ein Hinweis darauf befunden haben, Sir?«

      »Natürlich, Parker, daß wir daran nicht schon gedacht haben.« Mike Rander stand auf und probierte einige Schritte. Es ging bereits wieder. Er hatte die Nachwirkungen seiner kurzfristigen Ausschaltung fast vollständig überwunden.

      »Zu dieser bisherigen, vielleicht recht unvollständigen Liste kommt noch eine Dame«, bemerkte der Butler. »Sie befand sich eben noch in Ihrem Zimmer und durchsuchte Ihre Brieftasche, Sir.«

      »Eine Frau? Eine Chinesin?«

      »Dessen bin ich mir nicht ganz sicher, Sir. Ich sah sie nur von der Seite. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß sie chinesische Kleidung trug.«

      »Mein Bedarf an Rätseln ist bereits gedeckt«, meinte Rander und faßte vorsichtig nach der Beule an seinem Hinterkopf.

      »Sie möchten Hongkong wieder verlassen, Sir?« Parker sah einen kurzen Moment lang verstört aus.

      »Auf keinen Fall!« Mike Rander schlug mit der geballten Faust in seine flache Hand. »Auf keinen Fall, Parker. Jetzt werden wir zum Gegenangriff übergehen. Ich habe es satt, herumgestoßen zu werden. Besorgen Sie uns einen schnellen Wagen!«

      »Geh ich richtig in der Annahme, Sir, daß Sie zur Repulse-Bay zu fahren gedenken?«

      »Worauf Sie sich verlassen können. Ich will diese Jane Morefield mit meinen eigenen Augen sehen.«

      »Ich eile, Sir, Ihren Auftrag umgehend auszuführen. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß wir noch den Besuch dieses Mister Li Wang erwarten. Es steht zu erwarten, daß er Informationen über die Gelben Drachen zu verkaufen hat.«

      Bevor Mike Rander antworten konnte, klopfte es an der Tür. Sekunden später erschien ein freundlich grinsender, behäbig aussehender Chinese von etwa 45 Jahren. Er trug einen hellen, fast weißen Leinenanzug und verbeugte sich mehrmals.

      »Li Wang zu Ihren Diensten«, stellte er sich mit einer hellen, dünnen Kinderstimme vor. Er lächelte derart freundlich, daß Mike Rander innerlich sofort auf größte Wachsamkeit umschaltete …

      *

      »Was halten Sie von Li Wang?« fragte Mike Rander eine Stunde später seinen Butler. Sie saßen in einem Wagen, den der Chinese besorgt hatte. Parker hatte das Steuer übernommen und hielt sich an die strikten Anweisungen seines jungen Herrn. Er fuhr erstaunlich langsam, was für den Butler zumindest überraschend war.

      »Er scheint, um es vorsichtig auszudrücken, Sir, mehr zu wissen als er sagt.«

      »Meine Frage nach dem Gelben Drachen hat ihm Magenschmerzen verursacht«, sagte Rander lächelnd. »Immerhin hat er zugegeben, daß es sich um eine gefährliche Geheim-Organisation handelt, der man besser aus dem Weg geht.«

      Mike Rander und sein Butler waren auf dem Weg zur Repulse-Bay. Dazu mußten sie quer über die Insel Hongkong fahren. Die gut ausgebaute und asphaltierte Straße schmiegte sich an schroffe Bergrücken. Kleine Wäldchen, Terrassen für den Reisanbau und kleine Seen schufen immer wieder neue Ausblicke. Der Verkehr auf dieser Straße war nur gering. Parker kam zu seinem Leidwesen nicht in den Genuß, Slalom fahren zu können. Zudem achtete Mike Rander scharf darauf, daß Parkers Fahrtemperament nicht zum Ausbruch kam. Rander wollte mit wachen und gesunden Sinnen in Repulse-Bay ankommen …

      Der Wagen befand sich inzwischen östlich von Little Hongkong, kurvte