»Das werden Sie noch bereuen«, drohte der Mann gereizt, als Parker die Brieftasche in die Innentasche des Jacketts zurückschob.
»Der Wortschatz in Ihren Kreisen scheint recht beschränkt zu sein«, stellte der Butler gemessen fest. »Sie benutzen fast ohne Ausnahme stets die gleichen stereotypen Redewendungen.«
»Aus uns bekommen Sie nichts raus«, erklärte Servans.
»Hoffentlich nehmen Ihnen Ihre Arbeitgeber dies ab«, antwortete der Butler. »Sie könnten Zweifel daran hegen, falls sie morgen in den Zeitungen lesen, daß ein Bote der Bau-Mafia interessante Hinweise ausplauderte.«
»Die werden...« Servans verstummte und kaute anschließend an seiner Unterlippe.
»Sie werden mir sicher in den Nebenraum folgen«, bat Parker. »Dort wird man sich anschließend in aller Ruhe und gebotener Höflichkeit miteinander über das eigentliche Ziel Ihrer Botenfahrt unterhalten, Mister Servans. Im Anschluß daran wird man Ihren Begleiter bemühen.«
»Mit diesem Trick kommen Sie niemals durch«, brüllte Servans aufgebracht.
»Eine gewisse Aussagebereitschaft ist bei Ihnen bereits deutlich auszumachen«, anerkannte der Butler. »Sie werden sicher gleich zur Sache kommen.«
Servans sperrte sich, als Parker ihn anschließend ins Nebenzimmer dirigieren wollte, doch die Spitze des Regenschirmes veranlaßte ihn, diesem Wunsch zu entsprechen.
*
Das altehrwürdige Haus der Lady-Simpson stand in Shepherd’s Market und bildete mit der Auffahrt und dem kleinen Vorplatz eine Oase der Ruhe in der Millionenstadt. Das Fachwerkhaus stand auf den labyrinthartigen Gewölben einer ehemaligen Abtei und wurde zur nahen Durchgangsstraße hin von zwei Reihen kleinerer Fachwerkhäuser flankiert, die sich ebenfalls in ihrem Besitz befanden.
Um etwaigen Mietern Ungemach zu ersparen, hatte die ältere Dame diese Häuser nicht vermietet. Sie beherbergten Gästewohnungen, die nur selten genutzt wurden.
Myladys Anwesen war immer wieder das Ziel leichtsinniger Unterweltler, die sich gerade hier eine Chance ausrechneten, die passionierte Detektivin und ihren Butler zu stören oder gar auszuschalten.
Doch es gab eine Mauer aus Sandsteinquadern und ein zweiflügeliges Gittertor, und alles war elektronisch abgesichert. Dies galt natürlich auch für die Rückseite des Hauses.
Hier befand sich ein schmaler Wirtschaftsweg, der zwischen der Hauswand und einer Mauer angelegt war. Auch diese Sandsteinmauer war so gut wie unbezwingbar, was in der Vergangenheit schon mancher Kriminelle hatte erfahren müssen.
In diesem Anwesen befanden sich Lady Simpson und Butler Parker. Die ältere Dame hatte gerade den nächtlichen Imbiß zu sich genommen, saß in der riesigen Wohnhalle vor dem Kamin und stabilisierte ihren Kreislauf mit einem Cognac. Dabei blickte sie ungeduldig zu Parker hinüber, der gerade ein Telefongespräch führte.
»Darf man noch mal nach Ihrem Namen fragen?« gab er gerade zurück. »Sie sind der Sprecher einer Interessentengruppe?«
»Mein Name tut nichts zur Sache«, erwiderte die männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie war dank des Raumverstärkers deutlich zu hören. »Ich habe Ihnen nur mitzuteilen, daß Sie verdammt gefährlich leben, Parker. Das gilt auch für Ihre komische Lady.«
»Eine Unverschämtheit«, ließ die Hausherrin sich grollend vernehmen, hörte dann aber weiter zu.
»Sie mischen sich da in Dinge ein, die Sie einen Dreck angehen, Parker. Wir haben Cantner und seine Leute aus dem Keller von Landbys Wohnhaus geholt und wissen jetzt auch von Servans, was gespielt wird.«
»Sie reden gewiß von der sogenannten Bau-Mafia«, vermutete Josuah Parker.
»Ob Bau-Mafia oder nicht, Parker, wir lassen uns nicht die Tour vermasseln. Verschwinden Sie schleunigst aus der Stadt, bevor wir ernst machen!«
»Kann man davon ausgehen, daß Sie jetzt eindeutig drohen?« wollte der Butler weiter wissen. Seine Stimme klang höflich-verbindlich wie stets.
»Wollen Sie uns etwa auf den Arm nehmen, Parker? Okay, versuchen Sie’s! Ihre Lebenserwartung ist Verdammt gering. Und was Servans angeht, so kriechen Wir Ihnen nicht auf dem Leim. Dieser Mann hat nicht gesungen, das wissen wir.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Parker. »Sie konnten und können sich fest auf Mister Servans verlassen. Er sagte mit keiner einzigen Silbe, wohin er die Unterlagen des Mister Landby bringen sollte.«
Auf der Gegenseite wurde es für einen Moment ruhig. Dann war wieder die Stimme des Anrufers zu vernehmen.
»Wir wollen Ihnen entgegenkommen, Parker, Ihnen und Ihrer ulkigen Lady. Wir werden Landby in Ruhe lassen und ihn vergessen. Damit haben Sie ja Wohl ihr Ziel erreicht, wie?«
Lady Agatha war aufgestanden, baute sich neben ihrem Butler auf und nahm ihm den Hörer aus der Hand.
»Die komische und ulkige Lady wird Ihre Machenschaften aufdecken, junger Mann«, schmetterte sie mit ihrer tiefen Stimme in die Sprechmuschel. »Sie werden noch viel Freude an Lady Simpson haben, das verspreche ich Ihnen.«
Sie legte auf und blitzte Parker mit ihren Augen an.
»So, Mister Parker, spricht man mit diesem Gelichter«, meinte sie dann. »Ich werde ab sofort lästig und unangenehm werden. Lassen Sie sich etwas Entsprechendes einfallen.«
Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an.
*
Sie versuchten es wenige Stunden später – drei Gestalten, die munter über das geschlossene Gittertor steigen wollten und keine Ahnung hatten, daß sie bereits per elektronischer Überwachung gemeldet worden waren.
Parker War durch einen Piepton geweckt worden. Er hatte angekleidet in einem Ledersessel vor dem Kamin geruht, stand ohne jede Hast auf und betätigte die Fernbedienung der hausinternen Kontrollanlage.
Auf einem Monitor im Wandschrank neben dem verglasten Vorflur erschien ein erstaunlich klares Bild. Es zeigte die drei Gestalten, die die nächtliche Verkehrsruhe in Shepherd’s Market nutzen wollten. Sie waren bereits dabei, das Gittertor zu entern, und bewegten sich recht flink.
Josuah Parker griff nach der Gabelschleuder, die auf dem Couchtisch lag, und versorgte sich mit Munition. Er hatte sich diesmal für hart gebrannte Ton-Erbsen entschieden. Ihm ging es darum, die Übersteiger schlagartig außer Gefecht zu setzen.
Der Butler machte sich diesmal die Sache recht einfach.
Er passierte den verglasten Vorflur und öffnete die schwere Stahltür, die als Eingang diente. Man sah dieser Tür nichts davon an. Sie paßte sich durch entsprechende Verblendung dem Stil des Fachwerkhauses an. Parker trat unter das Vordach und spannte die Schleuder.
Zwei der Besucher saßen bereits rittlings oben auf dem Gittertor und fühlten sich völlig sicher. Sie konnten nicht ahnen, daß man sie bereits ins Visier genommen hatte.
Die erste Ton-Erbse zischte durch die Luft, überwand spielend den gesamten Vorplatz und landete seitlich im Nacken des ersten Gipfelstürmers. Der Mann ließ die Hände vom Gitterwerk, griff verzweifelt in die Luft, versuchte Balance zu halten und kippte dann seitlich weg. Wie durch Zauberei verschwand er und wurde nicht mehr gesehen.
Der zweite Übersteiger war völlig verdutzt und konnte sich das Verschwinden seines Partners nicht erklären. Bevor er darüber nachzudenken vermochte, wurde auch er von einer Ton-Erbse erwischt Im Gegensatz zu seinem Mitbesteiger griff er keineswegs haltsuchend in die Luft, sondern kippte seitlich weg und landete auf den Steinplatten vor dem Gittertor.
Butler Parker ging zurück in den Vorflur, schloß die Haustür und nahm wieder im Ledersessel Platz. Er beobachtete von hier aus die Szene, die der Monitor lieferte, und erkannte schemenhaft drei Gestalten, die sich schleunigst in Richtung der gegenüberliegenden Straßenseite absetzten und dann in einem Wagen Platz nahmen.
Sie