»Ich bin Ihnen ja sehr dankbar, daß Sie mir geholfen haben, aber Sie haben damit bereits genug getan.«
»Auf keinen Fall.« Agatha Simpson beschäftigte sich leidenschaftlich mit Kriminalaffären und witterte einen neuen Fall.
»Darf man sich nach dem Beruf Ihres Herrn Vaters erkundigen?« ließ Parker sich vernehmen.
»Er ist Bauunternehmer«, lautete die Antwort. »Er hat eine kleine Firma in Stepney.«
»Wie viele Mitarbeiter zählt dieses Unternehmen, um auch diese Frage noch zu klären, Miß Landby?«
»So um die zwanzig Personen, es wechselt von Auftrag zu Auftrag«, gab die junge Frau Auskunft.
»Man belästigt Sie, Miß Landby, um damit Ihre Familie zu treffen?«
»Warum hält man sich nicht an Ihren Vater?« forschte die ältere Dame grimmig.
»Den belästigt man ja auch, Mylady«, entgegnete Norma Landby fast verzweifelt. »Es ist eine richtige Treibjagd ... Diese Kerle sind überall, verstehen Sie? Sie sind Tag und Nacht unterwegs.«
Sie konnte nicht weitersprechen, schluchzte auf und schlug dann beide Hände vors Gesicht.
»Mister Parker«, kündigte Lady Agatha mehr als deutlich an. »Ich werde mich der Sache annehmen.«
»Eine Absicht, Mylady, die mehr als verständlich ist«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen und gemessenen Art. Er wußte bereits seit einer Viertelstunde, daß wieder mal aufregende Stunden und Tage auf ihn zukommen würden.
*
Vor dem einfachen, zweistöckigen Bürogebäude der Baufirma stand eine teure Jaguar-Limousine. Neben diesem Wagen hatte sich ein breitschultriger Mann aufgebaut, der gelangweilt rauchte und mit nur mäßigem Interesse das nahende hochbeinige Gefährt zur Kenntnis nahm.
Er entdeckte am Steuer des ehemaligen Taxis einen Mann, der augenscheinlich ein Butler sein mußte. Im Fond des Wagens saß eine Frau, die er nicht einzuordnen wußte. Eine Gefahr aber ging seiner Schätzung nach von niemand aus.
Die Baufirma Martin Landby zeichnete sich nicht gerade durch einen immensen Wagenpark aus. Es gab zwei kleine Lastwagen, einen Betonmischer, einige Gabelstapler und eine Remise, die mit Langholz und Schalbrettern bestückt war. Unter einem Vordach stand ein ramponiert aussehender Jeep.
»Sie haben Pech«, meinte der Rauchende, nachdem Parker ausgestiegen war und sich ihm näherte. »Geschlossen!«
»Lady Simpson ist mit Mister Martin Landby verabredet«, antwortete der Butler. »Als geeigneter Zeitpunkt wurde fünf Uhr vereinbart.«
»Wennschon! Hier läuft im Moment nichts«, erwiderte der Mann. »Versuchen Sie’s später noch mal, klar?«
»Sie tragen einen bemerkenswert schlechtsitzenden Anzug.« Josuah Parker wechselte das Thema.
»Was trag’ ich?« Der stämmige Mann traute seinen Ohren nicht.
»Sie tragen einen zu engen und zu knapp sitzenden Anzug«, präzisierte der Butler. »Ihr Schulterhalfter ist deutlich zu erkennen.«
Der Stämmige holte tief Luft und verfärbte sich. Ein tiefes Rot kennzeichnete sein Gesicht.
»Man kann sicher davon ausgehen, daß Sie auf keinen Fall zur Polizei gehören«, redete Parker höflich weiter. »Jaguar-Limousinen dürften auf keinen Fall zur Ausstattung dieser Behörde zählen.«
»Jetzt reicht’s mir aber!« Der Mann verzichtete klugerweise darauf, die Waffe zu ziehen. Er hatte die Absicht, Parker mit der Faust zu attackieren. Er ging davon aus, daß Parkers Kinnlade das beste Ziel wäre.
Der Mann traf natürlich nicht, wie sich umgehend zeigte.
Parker hatte blitzschnell seinen Universal-Regenschirm gehoben und setzte die Schirmspitze auf die Armbeuge des Gegners. Der Butler besorgte dies mit einigem Nachdruck und paralysierte den Arm.
Der Stämmige zog zischend die Luft in die Lungen, schnappte dann verzweifelt nach Luft und blickte auf den eng gerollten Schirm, der steil in die Höhe stieg.
Als er ein bestimmtes Maß erreicht hatte, griff Parker mit der rechten Hand zu und umfaßte das untere Drittel des Schirmes. Er verfügte somit über ein Schlaginstrument, gegen das kein Kraut gewachsen war.
Dies spürte der Stämmige auch wenige Augenblicke später.
Als die Schirmkrümmung sich für einen Moment auf seiner Stirn niederließ, wurden seine Knie weich. Er knickte ein und verdrehte dabei die Augen. Anschließend nahm er auf den Steinplatten vor dem Eingang zum Bürohaus Platz.
»Recht passabel«, meinte die ältere Dame, die den Wagen inzwischen verlassen hatte. »Dieser Lümmel wird vorerst kaum stören.«
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady«, versicherte Parker ihr. »Wenn meine Wenigkeit vielleicht vorausgehen darf?«
»Nur zu!« Sie nickte und lächelte wohlwollend. »Ich denke, ich bin wieder mal zur rechten Zeit gekommen.«
»Myladys Instinktsicherheit ist stets von neuem zu bewundern«, behauptete Parker.
»Man hat es, Mister Parker, oder man hat es eben nicht.« Sie versetzte ihren perlenbestickten Pompadour in erste Schwingung und folgte dann Parker, der das Bürogebäude betrat. Schon nach wenigen Schritten wußte er, wohin er sich zu orientieren hatte.
Er hörte dumpfe Schläge und Stöhnen.
*
»Ihre Manieren sind ausgesprochen beklagenswert«, sagte Josuah Parker zu den beiden Männern, die sich intensiv mit einer Person befaßten, die hilflos in einem Sessel saß. Einer der Männer hatte die Arme seines Opfers nach hinten gedreht. Der zweite Mann schlug mit dem Handrücken zu und bearbeitete das Gesicht.
Die beiden Kerle wurden völlig überrascht.
Sie wandten sich zur Tür um und musterten Lady Simpson und Parker, die den Raum betreten hatten. Das Erscheinen der Besucher verstanden sie nicht, sie hatten schließlich eine Art Wache vor dem Haus zurückgelassen.
»Wer... wer seid denn ihr?« fragte der Mann, der gerade die verdrehten Arme des Opfers losließ.
»Lady Simpson in Begleitung ihres Butlers«, stellte Parker in gewohnt höflicher Weise vor und lüftete dazu die schwarze Melone.
»Was geht hier vor?« herrschte die ältere Dame die Schläger an. Sie setzte sich in Bewegung und hielt auf den Mann zu, der mit dem Handrücken zugeschlagen hatte. Dieser Bursche runzelte die Stirn und machte einen ratlosen Eindruck. Er wußte wohl nicht, wie er sich der resoluten Frau gegenüber verhalten sollte.
Der andere Schläger kam um den Bürosessel herum und ging langsam auf den Butler zu. Auch er schien überfordert und vermochte nicht, die beiden Besucher einzuordnen.
Mylady sorgte für klare Verhältnisse.
Sie konnte sehr undamenhaft sein, wenn es die Lage erforderte. Agatha Simpson trat ohne jede Vorwarnung an das Schienbein ihres Gegenübers und löste dort eine jähe Schmerzwelle aus, die den Schläger überflutete. Er jaulte und riß das mißhandelte Bein hoch. Anschließend tanzte er auf dem gesunden und vergaß für einen Moment die Anwesenheit der Lady.
Sie war indes nie für halbe Sachen.
Agatha Simpson hatte mit ihrem neckisch aussehenden Handbeutel zugelangt und setzte den darin befindlichen sogenannten Glücksbringer auf die linke Gesichtshälfte des Tanzenden.
Das veritable Hufeisen wirkte niederschmetternd im wahrsten Sinn des Wortes. Der Schläger verlor jeden Halt und legte sich bäuchlings über den Schreibtisch.
Parker war selbstverständlich nicht untätig geblieben. Er stieß mit der Schirmspitze auf den Solarplexus des anderen Schlägers und setzte ihn damit elegant außer Gefecht.
Der Mann keuchte, verfärbte sich und schleppte sich in Richtung Wand.