Gesammelte Werke. George Sand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962816148
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Wie? Ist Chris­ti Ge­bot zu­rück­ge­nom­men?

      Was soll­ten auf so schö­ne Wor­te der Graf, das Stifts­fräu­lein, der Ka­plan ant­wor­ten, sie, die den Jun­gen Mann in so eif­ri­gen und stren­gen Leh­ren auf­ge­zo­gen hat­ten! Sie wa­ren auch wirk­lich in großer Ver­le­gen­heit, als sie ihn die Sa­chen so buch­stäb­lich neh­men und kei­nes der Zu­ge­ständ­nis­se an­er­ken­nen sa­hen, wel­che man dem Geis­te der Zeit macht, wor­auf aber doch, wie mir scheint, das gan­ze Ge­bäu­de un­se­res ge­sel­li­gen Le­bens ruht.

      In po­li­ti­schen Fra­gen war es um­ge­kehrt. Die mensch­li­chen Ge­set­ze, wel­che den Herr­schern die Macht ge­ben, Mil­lio­nen Men­schen er­mor­den und un­ge­heue­re Ge­bie­te ver­wüs­ten zu las­sen, um ih­ren Hoch­mut oder ihre Ei­tel­keit zu be­frie­di­gen, fand Al­bert ganz ver­kehrt. Sei­ne Un­duld­sam­keit in die­ser Hin­sicht wur­de ge­fähr­lich, und die Sei­ni­gen wag­ten nicht mehr, ihn mit nach Wien oder Prag oder ei­ner an­de­ren großen Stadt zu neh­men, wo sein Tu­gend­fa­na­tis­mus ih­nen böse Hän­del zu­zie­hen konn­te.

      Sie wur­den auch be­denk­lich in An­se­hung sei­ner Recht­gläu­big­keit, denn in sei­ner über­trie­be­nen Re­li­gio­si­tät lag al­les, was nö­tig ist, um einen Ket­zer, der den Gal­gen und das Feu­er ver­dient, zu lie­fern. Er hass­te die Päps­te, die­se Statt­hal­ter Chris­ti, die sich mit den Kö­ni­gen ver­bän­den ge­gen den Frie­den und die Wür­de der Völ­ker. Er ta­del­te den Pomp der Bi­schö­fe und den welt­li­chen Sinn der Präla­ten und den Ehr­geiz der ge­sam­ten Geist­lich­keit. Er hielt dem ar­men Ka­plan Straf­pre­dig­ten, in de­nen er Luther und Huß wie­der be­leb­te. Und doch ver­brach­te Al­bert gan­ze Stun­den kni­end vor den Ka­pel­len und ver­senkt in Be­trach­tun­gen und from­men Ver­zückun­gen ei­nes Hei­li­gen wür­dig. Er be­ob­ach­te­te die Fas­ten und die Absti­nenz und ging dar­in noch über die Vor­schrif­ten der Kir­che hin­aus; man er­zählt sich so­gar, dass er ein hä­re­nes Hemd trug und dass der Graf sein gan­zes vä­ter­li­ches An­sehn und die Tan­te ihre gan­ze Zärt­lich­keit auf­bie­ten muss­ten, um ihn von die­sen Kas­tei­un­gen ab­zu­brin­gen, die nicht we­nig dazu bei­tru­gen, sei­nen ar­men Kopf zu über­rei­zen.

      Da die Sei­ni­gen sa­hen, dass er auf dem Wege war, all sein Va­ter­gut in we­ni­gen Jah­ren zu zer­streu­en und sich als Em­pö­rer ge­gen die hei­li­ge Kir­che und das hei­li­ge Reich ein­sper­ren zu las­sen, ent­schlos­sen sie sich end­lich, ob­wohl mit Schmerz, ihn auf Rei­sen zu schi­cken, denn sie hoff­ten, wenn er die Men­schen und die so ziem­lich in der gan­zen zi­vi­li­sier­ten Welt herr­schen­de Gleich­för­mig­keit der we­sent­li­chen Ge­set­ze ih­res ge­sel­li­gen Le­bens ken­nen lern­te, so wür­de er sich ge­wöh­nen nach ih­rer Wei­se und mit ih­nen zu le­ben. Sie ver­trau­ten ihn da­her ei­nem Gou­ver­neur an, ei­nem fei­nen Je­sui­ten, ei­nem Mann von Welt und von Ver­stand, der sei­ne Auf­ga­be mit hal­b­em Wor­te be­griff und es sich zur Ge­wis­sens­sa­che mach­te, al­les über sich zu neh­men, was man sich nicht ge­trau­te ihm auf­zu­tra­gen.

      Um es deut­lich zu sa­gen, es han­del­te sich dar­um, die­se un­ge­stü­me See­le zu bre­chen und mür­be zu ma­chen, sie an das ge­sel­li­ge Joch zu ge­wöh­nen, in­dem man ihr trop­fen­wei­se das so süße und so nö­ti­ge Gift des Ehr­gei­zes, der Ei­tel­keit, der re­li­gi­ösen, po­li­ti­schen und mo­ra­li­schen In­dif­fe­renz ein­flö­ßte.

      Run­zeln Sie nicht so die Stir­ne, lie­be Por­po­ri­na! Mein wür­di­ger Oheim ist ein gu­ter, schlich­ter Mann, der von Ju­gend auf das al­les, wie es ihm ge­bo­ten wur­de, an­ge­nom­men hat, und der sein Le­ben lang, ohne zu heu­cheln und ohne zu prü­fen, To­le­ranz und Re­li­gi­on, Chris­ten­pflicht und Stan­des­pflich­ten mit­ein­an­der zu ver­söh­nen ge­wusst hat. In ei­ner Welt und in ei­ner Zeit, wo man un­ter Mil­lio­nen un­se­res Glei­chen einen wie Al­bert fin­det, ist der, wel­cher mit der Zeit und der Welt geht, wei­se, und der, wel­cher zwei­tau­send Jah­re in die Ver­gan­gen­heit zu­rück­stei­gen will, ein Narr, der sei­nen Ne­ben­menschen Är­ger­nis gibt, ohne je­man­den zu bes­sern.

      Al­bert war acht Jah­re auf Rei­sen. Er hat Ita­li­en, Frank­reich, Eng­land, Preu­ßen, Po­len, Russ­land und selbst die Tür­kei be­sucht; durch Un­garn, Süd­deutsch­land, Bai­ern ist er heim­ge­kom­men. Er führ­te sich wäh­rend sei­ner lan­gen Ab­we­sen­heit ver­stän­dig auf, gab nicht mehr aus, als ihm zu eh­ren­vol­lem Aus­kom­men an­ge­wie­sen war, schrieb sehr lieb­rei­che und freund­li­che Brie­fe nach Hau­se, worin er im­mer nur von dem, was er ge­se­hen hat­te, Re­chen­schaft gab, und sich nie­mals auf tie­fe Be­trach­tun­gen ein­ließ, und gab dem Abbé, sei­nem Gou­ver­neur, kei­ner­lei Ur­sa­che zu Kla­gen oder Be­schwer­den.

      Als er im An­fan­ge des vo­ri­gen Jah­res hier wie­der an­ge­langt war, zog er sich, nach den ers­ten Umar­mun­gen, in das Zim­mer, sagt man, das sei­ne Mut­ter be­wohnt hat­te, zu­rück, blieb dort meh­re Stun­den ein­ge­schlos­sen und kam end­lich sehr blass wie­der her­aus, um al­lein einen Spa­zier­gang auf die Ber­ge zu ma­chen.

      Der Abbé hat­te in­zwi­schen eine ver­trau­li­che Un­ter­re­dung mit dem Stifts­fräu­lein und dem Ka­plan, die von ihm eine un­be­dingt of­fe­ne Er­klä­rung über den geis­ti­gen und leib­li­chen Zu­stand des jun­gen Gra­fen ver­langt hat­ten.

      – Graf Al­bert, hob die­ser an, ich weiß nicht, ob der Ge­dan­ke auf Rei­sen zu ge­hen, ihn plötz­lich um­ge­wan­delt hat, oder ob ich mir nach dem, was mir Ew. Gna­den über sei­ne Kind­heit er­zählt hat­ten, eine falsche Vor­stel­lung von ihm ge­macht habe, Graf Al­bert hat sich mir von dem ers­ten Tage un­se­res Zu­sam­men­seins an so ge­zeigt, wie Sie ihn noch jetzt fin­den wer­den, sanft, fried­fer­tig, lang­mü­tig, ge­dul­dig und über­aus höf­lich. Die­ses vor­treff­li­che Be­tra­gen hat er kei­nen Au­gen­blick ver­leug­net und ich wür­de der un­ge­rech­tes­te Mensch sein, wenn ich mich im Min­des­ten über ihn be­schwer­te. Nichts von al­lem, was ich fürch­te­te, nichts von tol­len Ver­schwen­dun­gen, von hoch­fah­ren­der Be­geg­nung, von De­kla­ma­tio­nen, von aus­schwei­fen­der Asce­tik ist vor­ge­kom­men. Er hat mir nicht ein ein­zi­ges Mal die Zu­mu­tung, ge­macht, selbst die Ver­wal­tung des klei­nen Ka­pi­tals, das s Sie mir an­ver­traut hat­ten, zu über­neh­men, und hat sich mit Nichts un­zu­frie­den be­zeigt. Es ist wahr, dass ich sei­nen Wün­schen stets zu­vor­ge­kom­men bin, und mich be­ei­fer­te, je­den Ar­men, den ich auf un­sern Wa­gen zu­kom­men sah, zu­frie­den zu stel­len, noch ehe er die Hand aus­ge­streckt hat­te. Die­se Ver­fah­rungs­art hat­te voll­komm­nen Er­folg, und ich kann sa­gen, dass der gnä­di­ge Herr, da das Schau­spiel des Elends und der Hin­fäl­lig­keit fast nie sei­ne Bli­cke schmerz­haft be­rüh­ren konn­te, mir kein ein­zi­ges Mal auf sei­ne al­ten Vor­ur­tei­le in die­ser Hin­sicht wie­der zu ver­fal­len schi­en. Nie habe ich ihn je­man­den aus­schel­ten, nie ihn eine Le­bens­ge­wohn­heit ta­deln, nie ihn nach­tei­lig über eine öf­fent­li­che Ein­rich­tung sich äu­ßern hö­ren. Die brüns­ti­ge Fröm­mig­keit, de­ren Über­maß Sie mich fürch­ten lie­ßen, hat­te, wie es schi­en, ei­nem voll­kom­men ge­re­gel­ten Be­tra­gen, ganz wie es dem Welt­man­ne zu­kommt, Platz ge­macht. Er hat die glän­zends­ten Höfe Eu­ro­pas ge­se­hen und die vor­nehms­ten Ge­sell­schaf­ten, ohne sich von ir­gend Et­was ein­ge­nom­men, oder im Ge­gen­tei­le von ir­gend Et­was un­an­ge­nehm be­rührt zu zei­gen. Über­all hat sei­ne Schön­heit, sei­ne edle Hal­tung, sei­ne un­ge­zwun­ge­ne Höf­lich­keit, sei­ne ge­wähl­te