Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931681
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nervte. Sie wusste nicht, was sie jetzt sonst dazu sagen sollte. Anfangs hatte sie das Spiel ja mitgemacht, sie hatte sich stundenlang von diesem Mann vorschwärmen lassen, und sie hatte sich wirklich bemüht, ihn ausfindig zu machen. Einmal musste Schluss sein.

      Weil Roberta nichts sagte, bemerkte Nicki: »Du glaubst mir nicht, aber Mathias ist wirklich etwas Besonderes. Ich habe noch nie zuvor einen Mann wie ihn kennengelernt.«

      Roberta hatte sich ihren Abend anders vorgestellt. Sie fragte sich, was Nicki wohl zu ihr sagen würde, wäre es umgekehrt. »Nicki, wenn er auf deinen Weg kommen soll, dann wirst du ihn wiedersehen, dann werden eure Wege sich erneut kreuzen.« Trotz ihres Elends musste Nicki lachen.

      »Schon gut, ich habe verstanden, du hast mich jetzt mit meinen eigenen Waffen geschlagen. Ich höre auf damit, es bringt ja eh nichts. Weißt du, was schlimm ist? Seit ich ihm begegnet bin, habe ich die Lust auf alle anderen Männer verloren. Und das ist doch bedenklich, oder?«

      »Ist es nicht, es ist dir nur noch kein gescheiter Mann über den Weg gelaufen, Nicki. Das kann sich, wie wir wissen, sehr schnell ändern. Aber bitte, lass uns wirklich dieses Thema beenden. Ich werde auch nicht mehr über Lars sprechen. Wie geht es dir denn in deiner neuen Firma? Bist zu zufrieden, hast du es nicht bereut, deine Selbstständigkeit aufzugeben und dich anstellen zu lassen?«

      Nicki überlegte einen Moment. »Ich kann mich nicht beklagen, doch das Wahre ist es nicht. Ich bin halt nicht mehr so frei in meinen Entscheidungen wie früher. Die Reiserei fehlt mir mehr als ich dachte, und soziale Kontakte habe ich jetzt auch nicht mehr als zuvor. Aber einen Vorteil hat es schon, ich muss mir keine Gedanken mehr machen, ob und wie ich das Geld für meine Miete und meine sonstigen Ausgaben zusammen bekomme. Ach, weißt du, Roberta. Jedes Ding hat zwei Seiten. Doch wenn ich …«

      Da sie Nicki kannte, wusste sie genau, was jetzt kommen würde: »Wenn ich erst mal mit Mathias verheiratet bin«, das konnte sie jetzt nicht hören, also begann Roberta über das Buch zu sprechen, das sie gerade las und von dem sie glaubte, dass es Nicki ebenfalls interessieren würde.

      Welch ein Glück, dass ihr das noch eingefallen war, denn nun wurde es noch ein schönes und langes Gespräch.

      *

      Sandra Münster war wieder daheim, und sie konnte sich mit ihrem Gehgips recht gut bewegen, und auch die anderen Schmerzen besserten sich. Die körperlichen, nicht die ihrer Seele. Sie kam einfach nicht darüber hinweg, was durch ihre Leichtsinnigkeit geschehen war, und sie war sich nicht sicher, ob Felix jemals vergessen würde, dass sie ihr Ungeborenes praktisch umgebracht hatte, als sie mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Baum gerast war. Den Totalschaden des Wagens hatte er ihr verziehen, über das Baby sprach er nicht mehr.

      Es war das Schweigen, das wie eine gläserne Wand zwischen ihnen lastete, das Schweigen um das Kind.

      Ihr Alltag war beinahe normal, sie gingen nett miteinander um, nett. Aber es war längst nicht wie vor dem Autounfall. Das durfte sie vielleicht auch nicht erwarten. Sie war es, die alles zerstört hatte mit ihrer Raserei, über die sich vor dem Unfall nicht nur Felix beschwert hatte. Sandra hatte sich viel von ihrer Mutter anhören müssen, und im Sonnenwinkel war sie als Raserin bekannt und gefürchtet gewesen.

      Ach, könnte sie doch alles rückgängig machen!

      Im Grunde genommen konnte sie froh sein, dass Felix sie nicht zum Teufel gejagt hatte. Ein anderer Mann hätte es bestimmt getan.

      Das Zimmer, das sie für das Baby liebevoll eingerichtet hatten, das war leer. Dennoch konnte Sandra es nicht mehr betreten, weil sie schon, wenn sie an der Tür vorbeiging, von ihren Schuldgefühlen beinahe erdrückt wurde.

      Sie war die Einzige gewesen, die von dem Gedanken, nach Arizona zu gehen, anfangs nicht begeistert gewesen war. Jetzt konnte sie es kaum erwarten, hier alles zu verlassen, um in Amerika neu zu beginnen.

      Doch ging das überhaupt?

      Nahm man seine Probleme nicht immer mit?

      Wenn Felix nur nicht so nett wäre. Ihr wäre es lieber, er würde mal ordentlich mit der Faust auf den Tisch schlagen, ihr lauthals eine Szene machen.

      Heute wollte er, zum ersten Male seit sie wieder daheim war, mit ihr in den ›Seeblick‹ gehen. Da waren sie früher oft gewesen.

      Sandra freute sich, doch andererseits hatte sie auch ein wenig Angst. Wählte er einen neutralen Ort, um ihr zu sagen, dass es doch mit ihnen zu Ende war?

      Solche Gedanken hätte sie früher niemals gehabt, doch früher war ihre Beziehung auch unbelastet gewesen.

      Sandra bemühte sich, alles Negative zu verdrängen, im ›Seeblick‹ war es immer schön gewesen. Sie zog sich mit besonderer Sorgfalt an, und obschon man dann ihren Gehgips unübersehbar mitbekam, wählte sie ein Kleid, eines, das Felix besonders gern an ihr mochte. Und die Leute …, auf die musste sie keine Rücksicht nehmen. Es wusste eh jeder Bescheid, und sie würden ohnehin bald weg sein.

      Felix wartete bereits auf sie, und als sie die Treppe heruntergehumpelt kam, sah sie einen anerkennenden Blick, mit dem er sie musterte. Und das bildete sie sich wirklich nicht ein. Seine nächsten Worte bestätigten es auch: »Du siehst wundervoll aus. Dieses Kleid steht dir wirklich ganz besonders gut.«

      Sandra wurde rot, seine Worte freuten sie, und sie merkte, wie ihre Stimmung sich schlagartig besserte. Jemand, der seiner Frau den Abschied geben wollte, machte ihr keine Komplimente. Er wollte einfach mit ihr essen gehen, etwas, was sie früher niemals hinterfragt hatte.

      Ein leichter Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf, und als sie den ›Seeblick‹ erreichten, war sie ganz aufgeregt.

      Ein Abend mit Felix allein, in einem schönen Ambiente, bei einem hervorragenden Essen, das war es doch.

      Sie wurden von Roberto Andoni begrüßt, und er hatte für sie auch ihren Stammtisch reserviert, obschon sie eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen waren.

      Von dem Tisch aus konnte man das ganze Restaurant überblicken, saß aber doch ein wenig separat. Und das war gut so, Sandra hatte keine Ahnung, noch keine Ahnung, warum Felix sie eingeladen hatte. Und wenn das Gespräch emotional werden sollte, dann war es gut, wenn niemand ihre Worte mitbekam. Die Münsters und die aus dem Herrenhaus, wie man allgemein sagte, waren ohnehin das Gesprächsthema, und das würden sie noch mehr werden, wenn erst einmal publik wurde, dass sich da oben auf dem Hügel einiges ändern würde. Doch wenn die Wellen überschwappten, dann waren sie längst über alle Berge.

      Ein großes Abschiedsfest würde es nicht geben, dazu bestand kein Anlass, man würde sich mit einigen guten Freunden und Menschen zusammensetzen, die wichtig waren.

      Die Münsters wurden von allen Seiten begrüßt, Sandra war froh, als sie sich endlich hinsetzen konnten.

      Felix bestellte Champagner, doch das tat er immer. Es hatte sich bei ihnen eingebürgert, den Abend mit einem Gläschen vom Feinsten zu beginnen.

      Nachdem die Bedienung weg war, ergriff Felix ihre Hand.

      »Sandra, so kann es nicht weitergehen.«

      Ihr wurde ganz anders zumute. Also doch?

      Sie wurde ganz fahrig, doch seine nächsten Worte beruhigten sie wieder.

      »Wir können uns mit ge­genseitigen Schuldzuweisungen nicht zerfleischen. Das, was geschehen ist, kann man durch nichts mehr rückgängig machen. Es ist alles ganz traurig. Aber etwas ist gut dabei, du hast diesen schrecklichen Unfall überlebt. Und dafür müssen wir unendlich dankbar sein, auch ich, denn ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Ich liebe dich, ich liebe dich über alles. Wir müssen wieder einen Weg zueinander finden, doch das wird nicht gehen, solange wir wie zwei höfliche Bekannte miteinander umgehen.«

      Er streichelte ihre Hand, und das löste ein Gefühl des Wohlbehagens bei ihr aus.

      »Wir erhoffen uns beide von Arizona sehr viel, ich glaube, das ist normal. Nur finde ich, sollten wir das uns belastende Gepäck nicht mitnehmen, sondern hier zurücklassen. Neu anzufangen bedeutet, frei zu sein. Sollen wir es wagen, alles Belastende abzuschütteln?