Höchstes Ziel des Menschen ist die Glückseligkeit, die darin besteht, dass der Mensch gemäß der Natur lebt, und zwar sowohl gemäß seiner eigenen als auch gemäß der des Kosmos, und die dann auch dauerhaft ist. Das ist auch seine Bestimmung.
Der Weg zum glücklichen Leben ist die Vernunft (Logos, ratio), welche die Vorstellungen prüft und zur Erkenntnis der ursprünglichen Natur und Bestimmung der Menschen sowie des wahren Wertes der Dinge leitet.
Ein Hindernis für die Glückseligkeit stellen die Affekte dar, weil sie die Seelenruhe stören; unter ihnen verstehen die Stoiker die übersteigerten Triebe: Zorn, Lust, Begierde, Furcht. Der Weg zum glücklichen Leben führt daher über die Kontrolle dieser Affekte.
Das Individuum aber ist durch seinen Anteil an der göttlichen Vernunft absolut souverän und verantwortlich für sein Handeln.
Alle konkreten und abstrakten Dinge werden nach ihrem wahren Wert eingeteilt. Gut ist die Tugend (virtus, auch als »moralische Vollkommenheit« übersetzt), besonders die Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Mäßigung, Einsicht und Tapferkeit, woraus sich die übrigen Tugenden ergeben.
Schlecht sind die Laster der Menschen sowie besonders jede Art von Abhängigkeit von Umständen, Personen oder Dingen.
Gleichgültig dagegen sind Gesundheit, Krankheit, Tod, Armut, Reichtum, Anerkennung durch andere Menschen und ähnliche äußere Dinge, bei denen es nur eine Rolle spielt, welche Haltung man ihnen gegenüber einnimmt. Wenn man zwischen ihnen zu wählen hat, soll man das jeweils Natürliche wählen.
Der Tod ist schon deswegen kein Übel, da er die Rückkehr der Seele zu Gott bedeutet. Selbstmord ist unter gewissen Umständen erlaubt.
Trotz des sich daraus ergebenden Individualismus fordert die Ethik der Stoa Hinwendung zur Gesellschaft. Grundlage der sozialen Prägung des Menschen sind Familie und Kinder.
Die Anerkennung der Öffentlichkeit dagegen rechnet Seneca sogar eher zu den schlechten als zu den gleichgültigen Dingen, da er die öffentliche Meinung gering schätzt und sich von ihr bewusst abgrenzt. Öffentliche Zustimmung birgt eher den Hinweis, dass man die falschen Entscheidungen getroffen hat, denn die Meinung der Volksmasse ist wechselhaft und oberflächlich.
Die Tugend versetzt in die Lage, die Affekte zu beseitigen (und nicht nur wie in anderen Philosophenschulen zu beherrschen), d.h. nichts zu fürchten, nichts zu hoffen und nichts zu begehren. So entstehen Autarkie (Selbstgenügsamkeit), Apathie (Freiheit von Leidenschaft) und Atarxie (Unerschütterlichkeit, innere Gelassenheit, die sprichwörtliche stoische Ruhe).
Wer dieses Ideal erreicht hat, ist ein Weiser (sapiens). Beim Weisen stimmen Vernunft und Affekte überein. Der Weise wendet sich dem zu, was zu ihm gehört, letztendlich die ganze Menschheit, der Kosmos. Daraus ergibt sich auch die Pflicht, sich für den Staat einzusetzen.
Das Ideal des Weisen wird nur selten erreicht, was aber seinen Wert nicht mindert. Die übrigen Menschen müssen weiter nach diesem Ideal streben und ihre Affekte beseitigen.
Neben der Stoa sind aber bei Seneca auch andere philosophische Einflüsse erkennbar: Gerne zitiert er Epikur, besonders in den ersten Büchern der Lucilius-Briefe. Die Ablehnung von Extremen deutet auf Einflüsse von Aristoteles’ Lehre der goldenen Mitte.
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