Der Liebesschwur. Barbara Cartland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9781782136460
Скачать книгу

      1

       1816

      „Verflucht! Verdammter Idiot! Du verfluchter Narr — nimm deine plumpen Pfoten von mir! Raus! Hast du verstanden? Du bist entlassen - und ich will dein widerliches Gesicht nicht nochmal sehen!“

      Der Kammerdiener verließ eilig den Raum, während aus dem Bett weiterhin wortreich die übelsten Flüche klangen. Sie schienen leicht über die Lippen des Bettlägerigen zu kommen.

      Dann, als sich sein Zorn ein wenig zu legen schien, bemerkte er am Ende des Zimmers eine Bewegung. Und jetzt erst entdeckte er die Magd, die am Kamin stand und alles beobachtet hatte.

      Einer der vier großen Bettpfosten hatte sie vor seinem Blick verborgen. Jetzt richtete er sich ein wenig auf, um sie besser sehen zu können.

      „Wer bist du? Was tust du hier? Ich habe gar nicht bemerkt, daß jemand im Zimmer war!“

      Sie drehte sich um, und er sah, daß sie außergewöhnlich zierlich war. Ihr Gesicht schien unnatürlich klein unter der großen Haube.

      „Ich ... ich habe den ... Kamin poliert, Mylord.“

      Zu seiner Überraschung klang ihre Stimme sehr weich, sie sprach sehr kultiviert. Der Graf starrte sie an, als sie sich umdrehte und mit einem schweren Messingeimer in der Hand auf die Tür zuging.

      „Komm her!“ befahl er plötzlich.

      Einen Augenblick zögerte sie. Dann, als zwänge sie der Klang seiner Stimme, ging sie langsam auf sein Bett zu. Sie sah noch jünger aus, als es zuerst den Anschein hatte.

      An seinem Bett blieb sie stehen. Sie starrte auf sein Bein, das oberhalb des Knies unbedeckt war, und sah den blutverschmierten Verband, den der Kammerdiener vorher hatte entfernen wollen.

      Der Graf wollte gerade etwas sagen, als sie mit ihrer weichen Stimme in wohlgewählten Worten sagte: „Würden... würden Sie mir gestatten, den Verband für sie zu erneuern? Ich habe einige Erfahrung in Krankenpflege.“

      „Du kannst mir nicht mehr Schmerzen zufügen als dieser verdammte Narr, den ich soeben hinaus gejagt habe.“

      Die Magd rückte ein wenig näher und stellte den schweren Eimer ab. Dann entfernte sie sehr sanft ein kleines Stück des Verbandes.

      „Ich fürchte, Mylord, der Stoff, der die Wunde bedeckt, ist nicht fachgerecht angebracht worden. Es wird Sie vermutlich sehr schmerzen, wenn ich es entferne. Es sei denn, wir können es mit warmem Wasser loslösen.“

      „Mach was du willst“, brummte der Graf mürrisch. „Ich werde versuchen, meine Zunge im Zaum zu halten.“

      „Vergessen Sie, daß ich eine Frau bin, Mylord“, erwiderte sie. „Mein Vater pflegte zu sagen; ein Mann, der Schmerzen ertragen kann, ohne zu fluchen, ist entweder ein Heiliger oder ein Kohlkopf.“

      Ein leichtes Lächeln huschte über des Grafen Gesicht. Er beobachtete sie, während sie an den Waschtisch ging.

      Zuerst wusch sie sich die Hände in kaltem Wasser. Dann goß sie ein wenig von dem warmen Wasser in die Schüssel, das der Kammerdiener vorher gebracht hatte, um den Grafen damit zu rasieren.

      Sie brachte die Schüssel an das Bett und begann, mit etwas feuchter Watte die Bandagen vorsichtig zu lösen, die an den zahlreichen Narben verklebt waren, die zurückgeblieben waren, nachdem der Sanitätsoffizier die Geschoßteile aus dem Bein des Grafen von Lyndhurst entfernt hatte.

      Er war aus kurzer Entfernung direkt über dem Knie ins Bein getroffen worden. Und nur seinem ungeheuerlich starken Willen und seiner Autorität war es zu verdanken, daß man ihm das Bein nicht unmittelbar nach Beendigung der Schlacht bei Waterloo amputiert hatte.

      „Es wird brandig werden, Mylord“, hatte der Arzt protestiert. „Und dann werden Eure Lordschaft nicht nur ein Bein, sondern Ihr Leben verlieren.“

      „Ich gehe das Risiko ein“, hatte der Graf erwidert. „Lieber sterbe ich, als daß ich als einbeiniger Krüppel durchs Leben gehen soll, ohne jemals wieder ein Pferd reiten zu können.“

      Nachdem er in London eine nach seiner Ansicht nutzlose Behandlung hatte über sich ergehen lassen, war er nach Cheltenham gekommen, da man ihm von Thomas Newell, dem Arzt in diesem Kurort, als von einem hervorragenden Fachmann berichtet hatte.

      In der Tat besuchten jährlich viele Hunderte diesen Kurort, lediglich seiner exzellenten Ärzte wegen.

      Obwohl Thomas Newells Behandlung dem Grafen mehr Schmerzen bereitet hatte, als dieser jemals zuvor in seinem ganzen Leben erlitten hatte, sah er sich in seinem unerschütterlichen Glauben an den Arzt doch bestätigt, denn die Narben begannen zu verheilen und sein Bein war in einem gesunden Zustand.

      Er fluchte nicht ein einziges Mal, während die Magd den Verband entfernte. Nur ein kleiner Schmerzensschrei entschlüpfte seinen Lippen einige Male.

      „Auf der Kommode!“ sagte der Graf kurz, als er bemerkte, daß das Mädchen sich nach neuem Verbandszeug umsah.

      „Was stimmt denn nicht?“ fragte er. Er hatte beobachtet, daß sie den Inhalt des Kästchens kritisch betrachtete.

      „Es ist alles in Ordnung“, antwortete sie. „Es ist nur nichts vorhanden, was man auf die Wunden tun könnte, damit der Verband nicht wieder festklebt. Wenn Eure Lordschaft gestatten, werde ich Ihnen eine Salbe bringen, die meine Mutter selbst herstellt. Sie verhindert das Kleben des Verbandes an der Wunde.“

      „Ich würde mich sehr darüber freuen“, erwiderte der Graf.

      „Morgen werde ich es Ihnen bringen.“

      Sorgfältig befestigte sie den Verband, indem sie Streifen aus Leinen um das Bein wickelte.

      „Warum erst morgen?“ fragte der Graf.

      „Ich darf nicht heimgehen, bevor ich meine Arbeit beendet habe.“

      „Was arbeitest du denn hier?“

      „Ich bin eine gewöhnliche Hausmagd.“

      „Bist du schon lange hier?“

      „Erst seit gestern.“

      Der Graf warf einen Blick auf den schweren Messingeimer. Dann sagte er: „Ich nehme an, man hat dir die schwerste Arbeit hier im Haus zugeteilt. Du siehst nicht so aus, als könntest du so schwer tragen.“

      „Ich komme schon zurecht.“

      Der Klang ihrer Stimme ließ den Grafen vermuten, daß sie es bisher wahrhaftig nicht leicht hatte.

      Während er beobachtete, wie sie den Verband an seinem Bein anlegte, bemerkte er, daß ihre Hände irgendeine Erinnerung in ihm hervorriefen. Er versuchte, einen Blick in ihr Gesicht zu werfen, das jedoch von der großen Haube völlig verdeckt wurde, während sie sich über ihn beugte.

      Als sie sich jedoch nach einer neuen Binde umsah, bemerkte er, daß ihr Gesicht außergewöhnlich schmal war. Die Backenknochen kamen deutlich hervor, ihr Kinn war scharf.

      Sie bemerkte, daß sie beobachtet wurde, und ihre Blicke trafen sich. Ihre Augen erschienen ihm viel zu groß in dem zarten Gesicht.

      Es waren eigenartige Augen; sie hatten das Blau eines gefährlichen Sees und waren von langen Wimpern umrahmt.

      Sie sah ihn fragend an, dann stieg eine zarte Röte in ihr Gesicht und sie fuhr fort, den Verband zu befestigen.

      Während der Graf das Mädchen wieder beobachtete, fiel ihm plötzlich ein, wo er solche knochigen Hände schon gesehen hatte.

      Es waren die Kinder in Portugal, die Kinder der Bauern, deren Ernten zerstört worden waren! Die Armeen hatten sie verhungernd zurückgelassen. Sie hatten das Land verlassen, besonders die Franzosen, ohne etwas für die Einheimischen zurückzulassen.

      Hungertod!

      Es hatte ihn immer sehr bedrückt, obwohl er wußte, daß dies eine der unvermeidbaren Folgen des Krieges war.

      Aber er hatte zu viel davon gesehen, um sich jetzt irren zu können.

      Während er über das Mädchen nachgedacht hatte, hatte diese ihre Arbeit