»Wie denken Sie über die Entführung des R. F. c. 1?«
Er heftete seine Augen auf den Flottenchef Admiral Nichelson.
»In der Nähe der Station sind zwei englische Agenten ergriffen worden. Sie leugnen jede Teilnahme.«
»Es gibt Mittel, solche Leute zum Reden zu bringen.«
»Sie hatten den Strick um den Hals und schwiegen.«
»Es gibt wirksamere Mittel … Wie lange kann sich R. F. c. 1 in der Luft halten?«
»Die Tanks waren für zwölf Stunden gefüllt. Genug, um in voller Dunkelheit zu landen, wenn es nach Osten geht. Unsere Kreuzer über dem Nordatlantik sind avisiert. Eine Landung in England müßte noch bei Helligkeit erfolgen und würde gemeldet werden.«
»Sie halten es für sicher, daß die Entführung auf Betreiben der englischen Regierung erfolgt ist?«
»Ganz sicher!«
»Hm! … der Gedanke liegt nahe … vielleicht zu nahe … Und die anderen Herren? … meinen dasselbe … hm! Hoffentlich, nein sicherlich haben sie unrecht.«
Die Staatssekretäre sahen den Diktator fragend an.
»Der letzte Gamaschenknopf sitzt noch nicht! Ich werde erst losschlagen, wenn ich weiß, daß er sitzt. Das heißt, meine Herren …« Die Stimme des Sprechenden hob sich. »R. F. c. 1 mag in Gottes Namen in England landen. Für unser Volk wird es verborgen bleiben, bis es so weit ist.«
»Wie weit ist die Verteilung unserer U-Kreuzer durchgeführt?«
»Die ganze Kreuzerflotte liegt auf dem Meridian von Island vom 60. bis zum 30. Breitengrad gleichmäßig verteilt.«
Admiral Nichelson erhob sich, um die Lage der Kreuzerflotte an einem großen Globus zu demonstrieren.
»Wo stehen die Luftkreuzer?«
»Die leichte Beobachtungsflotte zwischen Island und den Faröer. Die Panzerkreuzer liegen seit drei Tagen auf dem grönländischen Inlandeis.«
»Die G-Flotte …«
»Die Schiffe auf Grönland sind damit ausgerüstet.«
Nur dieser Staatsrat wußte um das Geheimnis, daß die neuen Luftkreuzer mit Bomben versehen waren, die nach dem Abwurfe Milliarden und aber Milliarden von Pest- und Cholerakeimen in die Luft wirbelten. Man hatte noch keine Gelegenheit gehabt, den Bakterienkrieg im großen auszuprobieren. Aber die amerikanischen Fachleute versprachen sich viel davon.
»Die P-Flotte …«
Ein sardonisches Lächeln lief über die sonst so unbeweglichen Züge des Diktators, als er das Wort aussprach. Seit mehr denn Jahresfrist lagen englische Banknoten im Betrage von Hunderten von Milliarden Pfund Sterling in den geheimen Gewölben des amerikanischen Staatsschatzes. Von der Tausendpfundnote an bis hinab zu den kleinsten Beträgen. Alles so vorzüglich gefälscht und nachgedruckt, daß die Bank von England selbst diese Noten für echt halten mußte. Die Aufgabe der P-Flotte war es, sofort bei Kriegsausbruch diese Unmengen englischen Papiergeldes über die ganze Welt zu zerstreuen, wo Engländer Handel trieben und englisches Geld Kurs hatte. Die Tätigkeit dieser Flotte mußte das englische Geldwesen in wenigen Tagen vollkommen zerrütten. Aber die P-Flotte war noch ein schwereres Staatsgeheimnis als die G-Flotte. Die englischen Agenten hatten nur herausbekommen, daß sie für Propagandazwecke bestimmt sei und im Falle eines Krieges in großen Massen die zuerst von Woodruf Wilson in die Kriegführung zivilisierter Nationen eingeführten Traktätchen über den feindlichen Linien abzuwerfen hätte.
»Die P-Flotte übt zwischen Richmond und Norfolk«, sagte Admiral Nichelson trocken.
Jedermann im Saale wußte, daß dieser Standort fünfzehn Flugminuten von den Gewölben des Staatsschatzes entfernt war.
Cyrus nahm das Wort von neuem.
»Wie lange wird es noch dauern, bis unsere Unterwasserstation an der afrikanischen Küste vollkommen gesichert ist? Die Frist ist bereits seit einer Woche abgelaufen.«
Bei diesen nicht ohne Schärfe gesprochenen Worten erhob sich der Flottenchef unwillkürlich.
»Die Schwierigkeiten waren größer als vorauszusehen war, Herr Präsident.«
»Können Sie ein bestimmtes Datum angeben?«
»Nein. Doch dürfte es auf keinen Fall länger als bis zum Ablauf dieses Monats dauern.«
»Hm … dann also, meine Herren … dann wird man R. F. c. 1 zur geeigneten Zeit in England landen sehen.«
Ein Adjutant trat ein und flüsterte dem Präsidenten ein Wort ins Ohr.
»Gut, ich komme.«
Der Präsident erhob sich, die Sitzung war beendet.
Aus dem blauen Mittagshimmel schoß ein silbern schimmernder Punkt auf das Weiße Haus in Washington zu, wurde größer, zeigte die schnittigen Formen eines Regierungsfliegers und landete sanft auf dem Dach des Gebäudes.
Als einziger Passagier verließ Dr. Edward F. Glossin die Maschine. Den linken Fuß beim Gehen leicht nachziehend, schritt er an den martialischen Gestalten der Leibgarde vorbei. Auf den Treppenabsätzen und in den Korridoren standen die baumlangen blonden Kerle aus den westlichen Weizenstaaten in ihren malerischen Uniformen. Sie hielten die Wache um den Präsident-Diktator wie früher die Grenadiere der Potsdamer Garde um die preußischen Könige oder die Eisenseiten um Oliver Cromwell.
Im Vorzimmer traf der Doktor den Adjutanten des Diktators und ließ sich melden. Nur eine knappe Minute, und der Diktator trat aus dem Sitzungssaale und stand vor ihm. Nach flüchtigem Gruß hieß er ihn in sein Arbeitszimmer mitkommen.
»Wer ist Logg Sar?«
Dr. Glossin fühlte die unbestimmte Drohung, die in der Frage lag, und trat einen Schritt zurück.
»Logg Sar ist … Silvester Bursfeld.«
Tiefes Erstaunen malte sich auf den Zügen Stonards.
»Bursfeld … der im englischen Tower gefangen saß?«
»Nein, sein Sohn. Der Vater hieß Gerhard.«
»Mein Gedächtnis ist gut. Sie haben mir von einem Sohne Gerhard Bursfelds nie gesprochen. Warum nicht?«
»Ich weiß es selbst erst seit drei Monaten.«
»Und ich erfahre es erst heute?«
Cyrus Stonard trat dicht an den Doktor heran. Ein Blick traf ihn, der sein Gesicht noch eine Nuance blasser werden ließ.
»Erklären Sie!«
»Es war vor ungefähr drei Monaten … Ich hielt mich einige Zeit in Trenton auf, um in meinem Laboratorium im Hause einer Mrs. Harte an einem Versuch zu arbeiten. Eines Tages kommt ein junger Ingenieur, der in den Staatswerken von Trenton beschäftigt ist, zu Mrs. Harte und erkundigt sich nach ihren Familienverhältnissen. Dabei stellt sich heraus, daß der verstorbene Mann der Mrs. Harte ein Stiefbruder von Gerhard Bursfeld war.«
»Ihre Erzählung scheint darauf hinauszuwollen, daß der junge Ingenieur der Sohn von Gerhard Bursfeld ist. Warum nannte er sich Logg Sar?«
»Auf Logg Sar lauten seine Papiere. Für die Welt und für ihn beruht alles andere auf Vermutungen. Für mich ist der Beweis erbracht.«
»Liefern Sie ihn mir!«
»Sie erinnern sich an meinen früheren Bericht über die Sache, Herr Präsident. Heute kenne ich seine Fortsetzung. Nachdem Gerhard Bursfeld die unfreiwillige Reise nach England gemacht hat, verschwindet er für immer im Tower. Sein Weib flieht mit ihrem kleinen Knaben in die kurdischen Berge. Unterwegs schließt sie sich einer Karawane an: Kaufleute, Priester und was sonst in Karawanen nach Mittelasien zieht. Die junge Frau ist den Strapazen des langen Weges nicht gewachsen. Irgendwo auf der Strecke zwischen Bagdad und Kabul wurde sie bestattet. Ein tibetanischer Lama, der in sein Kloster zurückkehrt, nimmt sich der Sterbenden an.