Sechs Sekunden nach dem letzten Morsezeichen würde sich im Empfänger ein winziger Hebel umlegen. Der würde den Strom einer kleinen Batterie schließen. Der wieder würde einen feinen Draht, in ein wenig Knallquecksilber eingebettet, zum Glühen bringen. Das war die Initialzündung! Explodierendes Quecksilber … eine explodierende Sprengstoffpatrone … Die Explosion einer Riesenladung Sprengstoff an der Schachtwand, die den unterirdischen Wasserstrom bannte.
Zehn Meter Eisenbeton … die Schranke, die dem Wasser den Weg verschloß. Die Kraft der Explosion … die Stärke des Mauerwerks … wer würde siegen?
Ein belferndes Krachen im Schacht! Ein fürchterliches Dröhnen, tausendfach an den Wänden widerhallend, sich brechend, fuhr aus dem Schacht. Tredrup stand, die bebenden Arme an den Werktisch geklammert. Sein Ohr lauschte nach unten, das Rauschen des Wassers zu suchen. War es frei, waren seine Bande gesprengt? Noch nichts zu hören.
Die Schallwellen der Explosion füllten noch immer den Schacht. Nach unten zur Sohle stürzend, nach oben wieder zurückgeworfen.
Eine Pause … hörte er jetzt das Rauschen? Ja … Nein! Eine Sinnestäuschung? Wieder ein Schwall gebrochener Schallwellen. Die Spannung drohte ihn zu übermannen. Da! Wieder eine Pause. Und jetzt … Das donnernde Rauschen eines mächtigen Katarakts drang deutlich an sein Ohr.
Seine Hände ließen los. Eine zweite Lederhülle, genau wie die erste, hatte er in seinen Händen. Er stürzte zur Tür hinaus. Stürmte in großem Umweg um die hohe Mauer, die den Schachtrand umkrönte.
An der südlichen Peripherie, wo die Umgebung des Schachtes einsamer war, stieß er zur Schachtmauer zurück. Ein kräftiges Stemmeisen fuhr in das Mauerwerk. Ein paar Steine bröckelten heraus.
Tredrup schob die Lederhülle in die Lücke, setzte ein paar Steinbrocken davor, warf den Rest der Steine über die Mauer in den Schacht. Ein Blick um sich herum. Es war höchste Zeit … In das Toben und Schreien der Massen, die die Förderschalen in rasender Fahrt aus der Schachttiefe herausholten, in das Jammern der Menge, die von allen Seiten strömend an die Förderungen drängte, in das Heulen der Alarmsirenen, die über Mineapolis hin schrieen, mischte sich bereits der dröhnende Laufschritt der Truppen.
Gellende Kommandorufe verteilten diese um den Schachtmund.
Tredrup stürzte zurück nach ein paar Baumgruppen, die halb im Dunkel verborgen lagen. Einen Augenblick hielt er keuchend an. Schon jagten motorisierte Patrouillen um die Stelle, wo er eben noch an der Schachtmauer gearbeitet.
Mit größter Vorsicht, wo das Dunkel ihn schützte laufend, umkreiste er den Schacht zurück nach Norden, wo Mineapolis lag. Er trat in seine Wohnung, kramte aus Schränken und Kästen allerhand hervor, band es mit ein paar Stricken zusammen. Einen kleinen Sack mit Lebensmitteln warf er über die Schulter. Dann ging er. Die Straßen waren voller Menschen, die in der Richtung zum Schacht strömten.
Mit Mühe bahnte er sich einen Weg hindurch. Von der Turmuhr des Stadthauses schlug es die zweite Nachtstunde. Er blieb stehen, verglich seine Uhr.
»Noch fünf Minuten!« murmelte er und ging weiter. Noch fünf Minuten, dann mußte er draußen sein, wo die Baumwollfelder anfingen.
Jetzt hatte er sie erreicht. Nochmals sah er auf die Uhr, nickte.
Im Geiste ging sein Auge in die Schachttiefe. Er sah die Fluten des Katarakts in die Karbidstollen hineinbrechen. Sah die Stoffe zusammentreffen, in der Verbindung unendliche Mengen Azetylen erzeugen. Sah den Riesentrichter des Schachtes sich mit Gas füllen … sah die Belegschaft auf der Flucht. Sah die Fördermaschinen in rasender Fahrt auf und nieder sie zu Tage bringen. Wenige wohl nur, die, durch das Gas erstickt, den Tod gefunden hatten. Er sah das Gas steigen, immer höher. Jetzt hatte es wohl die Mauerkrone erreicht, überflutete sie. Jetzt war’s Zeit.
Aus dem Beutel mit Lebensmitteln zog er einen winzigen Sender, klemmte ihn zwischen die Knie, probierte … dann gab er den Sprengimpuls, der, ebenso wie der erste den Empfänger im Schacht, jetzt den Empfänger in der Schachtkrone betätigen mußte.
Morsezeichen … von den Ätherwellen getragen, glitten sie zu jener Lücke der Schachtkrone. Eine Sekunde … Er lag ausgestreckt auf der Erde, seine Augen starrten nach Süden.
Und dann war’s, als ob der Sonnenball aus der Erde emporstieg. Ein feuriger Bogen über dem Schacht, immer höher, höher werdend.
Feuerwogen, sich drängend, überstürzend in allen Tönen vom tiefsten Blutrot zum hellschimmernden Orange. Dazwischen breite schwarze Ruß-Schwaden, sich türmend, in tollen Wirbeln dahinjagend. Aus dem feurigen Glutmeer herausstoßend … Schwärme fliegenden Feuers!
Ein Schauer rüttelte die Glieder des Liegenden. Er wollte die bebenden Hände vor die Augen schlagen … da traf der Schall von dort sein Ohr …
Weltuntergang … die Schallwellen sich überstürzend in allen Tönen, dann zusammenklingend zu grauenerregendem Brausen. Er drückte den Kopf zur Erde, die Hände an die Ohren. Nichts sehen! Nichts hören! So lag er minutenlang.
Und dann! Durch die geschlossenen Lider drang’s, das Licht des Riesenbrandes, Tageshelle um ihn, über ihm. Er hob den Kopf, zwang die Augen hinüberzuschauen. Eine Riesenfackel, aus dem Boden wachsend bis zum Himmel, bis zum Zenit sich streckend, die Landschaft bis zum Horizont taghell bestrahlend.
In Fieberglut bebte die Gestalt des Liegenden, alles vergessend …
Gefahr … Flucht … Leben … Rettung. Da! Ein kühler Wind strich über den glühenden Kopf, wurde stärker und stärker, kühlte die Fiebergluten.
Die Büsche auf den Feldern begannen zu rauschen. Stark, stärker, und dann wie ein Sturmwind fuhr es über ihn, über die Landschaft, über Stadt und Land, wachsend zum Orkan. Geburt des Flammenungeheuers, das sich selbst den Brandwind schuf.
Und weiter schritt das Unheil. Die Glut breitete sich auf der Erde aus, alles Brennbare auf Kilometerentfernung verzehrend.
Die Stadt selbst … vom Süden her ergriff sie der Brand, sich weiter ausdehnend, weiterspringend von Häuserblock zu Häuserblock.
Die Riesenkraftanlagen, ebenfalls mit erfaßt, waren ein Flammenmeer.
Tredrup lag … lag. Der kalte, brausende Luftstrom, je länger er über ihn glitt, an ihm riß und rüttelte, gab ihm die Besinnung zurück. Er stemmte die Hände auf den Boden, richtete sich auf, stand taumelnd da, noch waren die Glieder nicht frei.
Er wandte sich um, das Gesicht dem Sturm entgegen, und sog mit gierigen Atemzügen die eisige Luft ein. Er tat ein paar Schritte. Die Glieder gehorchten. Seine Arme reckten sich, sein Blick bohrte sich in die Ferne nach Norden hin, als suche er die Heimat, die Freunde.
»Ich hab’s getan!« stieß es aus seinem Munde. »Gott sei mir gnädig!
Weg! Weg von hier! Zu ihnen!«
Er beugte sich zur Erde. Das, was er mit sich getragen, warf er über die Schulter, brach sich einen Stecken von einem Strauch und wanderte nach Norden durch die Nacht … Tageshelle um ihn.
Hochsaison in Irwinga!
Kaiser Augustus hatte schon in den ersten Jahren seiner Regierung durch Geologen und Ärzte in allen Teilen seines Reiches Untersuchungen anstellen lassen, wo die Natur Schätze, Heilkräfte barg.
Heilquellen aller Art waren erbohrt, gefaßt worden, Kurorte entstanden.
In den höher gelegenen Gegenden mit gemäßigterem Klima waren Heil-und Erholungsstätten errichtet worden. Der Kilimandscharo! Es grenzte ans Wunderbare, was hier in wenigen Jahren Menschenhand geschaffen.
Kurorte, Sanatorien von den einfachsten bis zu den vornehmsten lagen an seinen Hängen. Jede Vegetation war vertreten, von üppigen Palmenwäldern bis zu den kümmerlichen Latschenkiefern an der Schneegrenze, auf den Schneehängen jeder Wintersport möglich.
Magnetisch zog der Berg die Menschenmassen