Das Stunden-Buch. Rainer Maria Rilke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Maria Rilke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027210114
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über ihnen fast zum Lächeln biegt –

      und von dem Licht aus sieben Engelskerzen

      wird sein Geheimnis nicht besiegt.

      Mit einem Ast, der jenem niemals glich,

      wird Gott, der Baum, auch einmal sommerlich

      verkündend werden und aus Reife rauschen;

      in einem Lande, wo die Menschen lauschen,

      wo jeder ähnlich einsam ist wie ich.

      Denn nur dem Einsamen wird offenbart,

      und vielen Einsamen der gleichen Art

      wird mehr gegeben als dem schmalen Einen.

      Denn jedem wird ein andrer Gott erscheinen,

      bis sie erkennen, nah am Weinen,

      daß durch ihr meilenweites Meinen,

      durch ihr Vernehmen und Verneinen,

      verschieden nur in hundert Seinen

      ein Gott wie eine Welle geht.

      Das ist das endlichste Gebet,

      das dann die Sehenden sich sagen:

      Die Wurzel Gott hat Frucht getragen,

      geht hin, die Glocken zu zerschlagen;

      wir kommen zu den stillern Tagen,

      in denen reif die Stunde steht.

      Die Wurzel Gott hat Frucht getragen.

      Seid ernst und seht.

      Ich kann nicht glauben, daß der kleine Tod,

      dem wir doch täglich übern Scheitel schaun,

      uns eine Sorge bleibt und eine Not.

      Ich kann nicht glauben, daß er ernsthaft droht;

      ich lebe noch, ich habe Zeit zu bauen:

      mein Blut ist länger als die Rosen rot.

      Mein Sinn ist tiefer als das witzige Spiel

      mit unsrer Furcht, darin er sich gefällt.

      Ich bin die Welt,

      aus der er irrend fiel.

      Wie er

      kreisende Mönche wandern so umher;

      man fürchtet sich vor ihrer Wiederkehr,

      man weiß nicht: ist es jedesmal derselbe,

      sinds zwei, sinds zehn, sinds tausend oder mehr?

      Man kennt nur diese fremde gelbe Hand,

      die sich ausstreckt so nackt und nah –

      da da:

      als käm sie aus dem eigenen Gewand.

      Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?

      Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)

      Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)

      Bin dein Gewand und dein Gewerbe,

      mit mir verlierst du deinen Sinn.

      Nach mir hast du kein Haus, darin

      dich Worte, nah und warm, begrüßen.

      Es fällt von deinen müden Füßen

      die Samtsandale, die ich bin.

      Dein großer Mantel läßt dich los.

      Dein Blick, den ich mit meiner Wange

      warm, wie mit einem Pfühl, empfange,

      wird kommen, wird mich suchen, lange und

      legt beim Sonnenuntergange

      sich fremden Steinen in den Schooß.

      Was wirst du tun, Gott? Ich bin bange.

      Du bist der raunende Verrußte,

      auf allen Öfen schläfst du breit.

      Das Wissen ist nur in der Zeit.

      Du bist der dunkle Unbewußte

      von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      Du bist der Bittende und Bange,

      der aller Dinge Sinn beschwert.

      Du bist die Silbe im Gesange,

      die immer zitternder im Zwange

      der starken Stimmen wiederkehrt.

      Du hast dich anders nie gelehrt:

      Denn du bist nicht der Schönumscharte,

      um welchen sich der Reichtum reiht.

      Du bist der Schlichte, welcher sparte.

      Du bist der Bauer mit dem Barte

      von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      An den jungen Bruder

      Du, gestern Knabe, dem die Wirrnis kam:

      Daß sich dein Blut in Blindheit nicht vergeude.

      Du meinst nicht den Genuß, du meinst die Freude;

      du bist gebildet als ein Bräutigam,

      und deine Braut soll werden: deine Scham.

      Die große Lust hat auch nach dir Verlangen,

      und alle Arme sind auf einmal nackt.

      Auf frommen Bildern sind die bleichen Wangen

      von fremden Feuern überflackt;

      und deine Sinne sind wie viele Schlangen,

      die, von des Tones Rot umfangen,

      sich spannen in der Tamburine Takt.

      Und plötzlich bist du ganz allein gelassen

      mit deinen Händen, die dich hassen –

      und wenn dein Wille nicht ein Wunder tut:

      – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      Aber da gehen wie durch dunkle Gassen

      von Gott Gerüchte durch dein dunkles Blut.

      An den jungen Bruder

      Dann bete du, wie es dich dieser lehrt,

      der selber aus der Wirrnis wiederkehrt

      und so, daß er zu heiligen Gestalten,

      die alle ihres Wesens Würde halten,

      in einer Kirche und auf goldnen Smalten

      die Schönheit malte, und sie hielt ein Schwert.

      Er lehrt dich sagen:

      Du mein tiefer Sinn,

      vertraue mir, daß ich dich nicht enttäusche;

      in meinem Blute sind so viel Geräusche,

      ich aber weiß, daß ich aus Sehnsucht bin.

      Ein großer Ernst bricht über mich herein.

      In seinem Schatten ist das Leben kühl.

      Ich bin zum erstenmal mit dir allein,

      du, mein Gefühl.

      Du bist so mädchenhaft.

      Es war ein Weib in meiner Nachbarschaft

      und winkte mir aus welkenden Gewändern.

      Du aber sprichst mir von so fernen Ländern.

      Und meine Kraft

      schaut nach den Hügelrändern.

      Ich habe Hymnen, die ich schweige.

      Es gibt ein Aufgerichtetsein,

      darin ich meine Sinne