Gleich im Meere zu tauchen, das ging natürlich nicht während der Fahrt. Eine große mit Wasser gefüllte Tonne mußte einstweilen den Ozean vertreten. August, pump Luft, hieß es, und auch ich legte zum ersten Male in meinem Leben ein Taucherkostüm an, ließ mich gürten und wappnen, die schweren Bleisohlen an die Füße, den Helm über den Kopf, und ich stieg in den Ozean – – in das Heringsfaß wollt’ ich sagen.
Nun, ich fühlte mich ganz mollig in der Tonne. Es war gerade ein recht heißer Tag. Nachdem ich so als Unterseetaucher in der Heringstonne fix und fertig ausgebildet war, ließ ich noch andere hineinklettern – ich besaß zwei verschiedene Kostüme, ein großes und eines für kleinere Personen – August pumpte immer brav Luft, und dann konnte sich auch Blodwen nicht enthalten, sich als gepanzerte Wassernixe zu versuchen.
»Aber das Pumpen nicht vergessen,« sagte sie, ehe man ihr den Helm aufschraubte, »ja nicht das Pump …«
Da war sie sprachlos geworden, wenigstens hörte man sie nicht mehr, oder sie hätte sehr laut schreien müssen.
Nun, sie watschelte nach der Tonne hin, kam mit den Bleisohlen kaum die Leiter hinauf, und dann wollte sie gar nicht wieder heraus.
»Ich hatte mir das Tauchen viel schwerer vorgestellt,« sagte sie, als ihr der Helm wieder abgeschraubt worden war, »da ist doch gar nichts weiter dabei.«
Jawohl!
Dann muß ich noch eines besonderen Taucherlehrlings in der Heringstonne gedenken.
In jeder Gesellschaft gibt es einen Spaßvogel und einen Hansnarren. Das muß wohl in der Welt ein eisernes Gesetz sein. Der letztere war an Bord meines Schiffes Fritz, ein tüchtiger Matrose, zugleich von einer fabelhaften Handfertigkeit, der aus einem abgelegten Seestiefel sowohl ein paar elegante Handschuhe wie einen weichen Filzhut zu machen wußte – – sonst aber etwas sehr dämlich.
Die Tonne war mit Wasser gefüllt. Während sich Fritz vorbereitete, wurde schnell unten der Propfen herausgezogen, das ganze Wasser lief aus.
So, Fritz war gewappnet. Er steigt langsam die Leiter hinauf, taucht erst vorsichtig den einen Fuß Mein, hält sich am Rande fest, läßt sich langsam hineingleiten, fängt an, in dem vermeintlichen Wasser zu plätschern.
Tatsache! Er merkte nicht, daß er gar nicht im Wasser war. Er klabusterte immer so mit den Händen herum, als wolle er das Wasser bewegen; wir warfen Eisenstückchen hinein, die suchte er unten zusammen, wollte Holzspähne steigen lassen, schüttelte seinen kupfernen Nischel, daß die Spähne nicht stiegen, plätscherte wieder – dann gab er das Signal, ihn aufzuziehen.
Während man ihn langsam auskleidete, wurde hinter seinem Rücken schnell die Tonne wieder mit Wasser gefüllt.
»Das ist ja komisch,« meinte er dann, »wenn man in so einem Gummianzuge steckt und so einen Kupperhelm aufhat, da fühlt sich das Wasser ganz anders an, nicht einmal das Holz will dann schwimmen. Das kommt wahrscheinlich daher, weil man in dem Helme nischt hören tut.«
Na, wir lachten, daß unsere Schädel zu platzen drohten.
Aber uns sollte das Lachen bald vergehen.
Am dritten Tage erreichten wir die betreffende Stelle, die uns am nächsten lag. Die See war fast ruhig. Nach einer nochmaligen genauen Berechnung brauchte ich das Schiff nur noch wenig weiter zu dirigieren, dann ließ ich die Anker fallen, welche bei dreizehn Meter Tiefe Grund finden mußten und auch fanden.
Wir lagen genau über der Stelle, wo ich vor acht Tagen die letzten vierzig Kassetten versenkt hatte, oder noch ein ganz klein wenig seitwärts davon an, der in der Nähe des Mittelmastes über die Bordwand gleitende Taucher mußte direkt auf die Kassetten kommen, so genau konnte ich die Stelle bestimmen.
Ein Schiff war nicht in Sicht, jetzt brauchten wir auch keinen Beobachter zu fürchten. Ob meine Mannschaft etwas davon wußte, kann ich nicht sagen. Möglich war es, besonders nach diesen Vorbereitungen. Die Matrosen hatten in London doch die Goldsäcke von der Bank geholt, dann die Kassetten, dann konnten wir in Kapstadt nicht mehr bezahlen – – wenn sie beim Versenken noch nichts bemerkt, so mußten sie doch jetzt, nach den vorausgegangenen Tauchversuchen etwas ahnen.
Nun, mochten sie denken, was sie wollten! Ich als Kapitän konnte sie gar nicht so erzählend einweihen, hätte dazu die Vermittlung eines Offiziers gebraucht – ich tat es nicht, sie würden ja alles gleich selbst sehen.
»Klar zum Tauchen!«
Das Pumpwerk ward gebracht, alles, ich legte das Kostüm an.
»Richard, willst du nicht erst den Karl hinuntergehen lassen, der hat doch schon früher getaucht?« fragte Blodwen ängstlich.
»Und ich wohl nicht?« scherzte ich und schraubte den Helm fest.
Wenn es sich um eine wirkliche Gefahr gehandelt hätte, konnte ich doch erst recht nicht einen meiner Leute schicken.
Ich stieg das besonders starke Fallreep, eine Art von Strickleiter, aber mit hölzernen Sprossen, hinab, ließ mich ins Wasser gleiten, ich sank hinab.
Wenn ich leugnen wollte, daß mir etwas bänglich zumute war, so wäre ich ein Renommist. Nein, mein Herz klopfte ganz gewaltig. Und immer mehr begann es zu klopfen. Und immer düsterer ward es um mich herum, obgleich die am Gürtel befestigte Petroleumlampe mit Reflexspiegel brannte, die durch einen vom Helm ausgehenden Schlauch mit Luft gespeist wurde. Und das Blut stieg mir zu Kopf. Und dann begann es in den Ohren zu sausen und zu brausen.
Von diesem Ohrensausen hatte ich schon oft gehört, auch Karl hatte es geschildert, das sei das Allerschlimmste für den Anfänger, bis man sich daran gewöhnt habe. Dann merke man gar nichts mehr davon.
Na, vorläufig merkte ich noch genug davon. Ein scheußliches Sausen und Brausen in den Ohren! Und das ward immer schlimmer. Der ganze Niagara sang in meinen Ohren.
Ja, war ich denn noch nicht bald unten? Immer tiefer und tiefer ging es, immer furchtbarer ward das Ohrensausen, welches alles andere unangenehme Gefühl, durch den zunehmenden Druck erzeugt, vergessen ließ.
Donnerwetter, ich mußte doch wenigstens schon hundert Meter tief… na, ich wollte nicht übertreiben, tiefer als vierzig Meter ist überhaupt noch kein Taucher gekommen, bei fünfzig Meter ist einer einmal plattgedrückt worden, und die Lotung damals hatte doch nur dreizehn Meter Tiefe angegeben, das hatten vorhin auch die Ankerketten ange …
Da kam mir ein schrecklicher Gedanke.
Herrgott, wenn sich hier im Meeresboden ein Loch befand, und ich gerade in dieses …
Ein kalter Schauer rieselte mir den schweißbedeckten Rücken herab, und nun aber schleunigst an der Signalleine geruckt und Luft angesammelt, um dem Emporziehen nachzuhelfen.
Hinauf ging es seltsamerweise viel fixer als hinunter, und ich kann nur sagen, daß ich trotz meiner schweren Bleisohlen wie ein Wieselchen das Fallreep hinaufkletterte, um nur erst wieder den verdammten Helm vom Kopfe zu bekommen.
»Sie können doch noch nicht unten gewesen sein, Herr Kapitän?« sagte der das Pumpwerk und alles beobachtende Karl, der schon früher getaucht hatte.
»Nee,« entgegnete ich, tief die sonnige Lust einatmend, obgleich diese durchaus nicht besser war als die, welche mir zugepumpt worden, »nee, Grund habe ich nicht erreicht.«
»Drum!«
»Was drum? Wie tief bin ich denn gekommen?«
»Elf Meter.«
Erst wollte ich es gar nicht glauben. Dann mußte ich es wohl, auf eine größere Länge war die Leine gar nicht naß geworden.
Ich war nicht wenig verdutzt, und auch etwas Scham beschlich mich.
»Sie haben wirklich noch gar nicht getaucht?« fragte da der Schlosser.
»Noch niemals.«
»Dann sollte man’s kaum glauben.«
»Was nicht glauben?«