So, ich hatte getan, was ich hatte tun können. Im übrigen griff mich die ganze Geschichte sehr wenig an. Um verlorenes Geld habe ich noch niemals geweint.
Gegen zehn war ich an Bord zurück. Die Steuerbordwache wollte Urlaub haben und bat um Vorschuß, den ich reichlich gab.
»Wo ist der fremde Matrose?« fragte ich dann den Bootsmann.
Er war von diesem, sobald wir die Küste in Sicht bekommen hatten, in eine Kabine eingeschlossen worden, was auch stets geschah, wenn uns nur anderes Schiff zu nahe kam, damit der Gefangene nicht einmal über Bord ging. Dafür sorgte der Bootsmann gewissenhaft, dem ich den Unbekannten speziell anvertraut hatte.
Ich betrat die Kabine, mußte den Gefangenen wecken, der den Schlaf des Gerechten schlief. Noch nicht einmal seinen Namen hatte er mir genannt, obgleich er sich sonst nicht störrisch zeigte. Das lag eben in meiner Behandlung, ich hatte ihn sonst ganz in Ruhe gelassen.
»Ich bringe Ihnen die Freiheit.«
»Na, endlich!«
»Ihr Kapitän bittet mich darum.«
»Mein Kapitän? Ich glaube nicht, daß der mit Ihnen gesprochen hat.«
»Gesprochen nicht, aber geschrieben.«
Ich erzählte den ganzen Fall ausführlich, wie mir jetzt vom Schiffsarzt das Dokument mit der Geheimschrift gestohlen worden war.
Wegen dieses Dokumentes wie wegen des Klabautermanns hatte ich ihn schon früher gefragt, er hatte von beiden nichts wissen wollen, und jetzt kam es mir vor, als wisse er tatsächlich nichts von dem Vorhandensein dieses Dokumentes.
»Das muß etwas sehr Wichtiges sein, daß Ihnen so viel Geld dafür gezahlt werden soll.«
»Sie wissen nicht, um was es sich handelt?«
»Keine Ahnung.«
»Wenn ich Sie jetzt freilasse, wohin werden Sie gehen?«
»Dorthin, wohin ich gehöre.«
»Ist es ein langer Weg?«
»Ja.«
»Zur See?«
»Hm – je nachdem – ist nicht unbedingt notwendig.«
»Hören Sie, Mann – ich frage das nicht, um Sie auszuforschen. Ihr Kapitän, wer es nun auch sei, hat freiwillig ein anständiges Bergegeld für das Wrack bezahlt, und ich bin ebenfalls ein anständiger Mensch, er hätte gar nicht nötig gehabt, mich zu bitten, Sie freizulassen. Also ich frage nur deshalb wegen Ihrer Reise, um zu hören, ob Sie Geld brauchen?«
»Nicht unbedingt.«
»Was soll das heißen? Sprechen Sie doch offen wie ich zu Ihnen. Sie meinen, Sie können die Reise abarbeiten?«
»Ja.«
»Sie wollen partout kein Geld von mir annehmen?«
»O – ja – recht gern,« erklang es jetzt zögernd.
»Wieviel brauchen Sie?«
»Na – drei – vier Pfund …«
Ich drückte ihm zwanzig einzelne Pfundstücke in die Hand.
»Reicht das?«
Er schien es erst gar nicht glauben zu wollen.
»Herr, Sie sind nobel!!« rief er dann.
»Sie werden Ihrem Kapitän erzählen, wie ich Sie behandelt habe.«
»Anständig – fein – hochfein! Und wegen der Tritte ans Schienbein – na – nevermind – wenn mir jemand die Auskunft verweigert, ich hätte ihn noch ganz anders traktiert.«
»Sie werden Ihrem Kapitän vor allen Dingen von dem Pergament erzählen, wie es mir mein Schiffsarzt gestohlen hat, daß es mir selbst am guten Willen nicht gefehlt hat.«
»Alles werde ich ihm erzählen, und wie Sie mich freilassen, obgleich Ihnen dieser Schuft doch sogar die 10 000 Pfund ausgespannt hat.«
»Gut! Nun gehen Sie. An dem Klabautermann ist Ihrem Kapitän nichts gelegen?«
»Weiß nicht. Er hat’s Ihnen ja geschrieben, daß Sie ihn behalten sollen, und ich werde mich hüten, mich mit dem verrückten Kerl zu schleppen.«
»So gehen Sie. Sie werden im Boot an Land gebracht.«
Der Mann, der angekleidet in der Koje gelegen hatte, zögerte noch.
»Kapitän, noch ein Wort! Sie müssen doch verdammt neugierig sein, wer dieser, mein Kapitän, der Ihnen das Wrack wieder aus den Zähnen rückte, eigentlich ist.«
»Ja, das bin ich.«
»Von mir erfahren Sie nichts.«
»Das habe ich nun schon erkannt.«
»Ich darf nicht, beim besten Willen nicht.«
»Nun, und was weiter?«
»Sie werden weiter nachforschen, wer das gewesen ist?«
»Das werde ich allerdings.«
»Kapitän – ich möchte dankbar sein – möchte Sie wenigstens warnen.«
»Wovor?«
»Eben vor solchen Nachforschungen.«
»Weswegen?«
»Seht – mein Kapitän ist eigentlich ein guter Mensch – aber auch ein merkwürdiger Mensch – der läßt sich nicht in seine Karte blicken – und wer es versucht, dem klopft er auf die Finger – läßt ihn auch gleich ganz verschwinden – und – er hat die Macht dazu – und niemand kann ihm etwas anhaben – und – Sie scheinen schon eine kleine Ahnung zu haben … «
»Weil ich ihn im polynesischen Archipel am großen Vogelberge zu suchen habe, was?«
Mit gleichen Füßen sprang der Mann vom Kojenrand, auf dem er gesessen hatte, herab.
»Nun ist’s genug! Ich habe schon zu viel gesagt, indem ich Sie nur gewarnt habe. Wenn Sie wollen, so behalten Sie mich, aber sprechen tue ich nun nichts weiter.«
Ich begleitete ihn an Deck, sah ihn ins Boot steigen und in der Nacht verschwinden.
Nun war auch der noch weg. Aber ich hatte es für meine Pflicht gehalten, so zu handeln. – – –
Am nächsten Tage sah ich mich an Land nach einer Fracht um, die ich für eigene Rechnung nehmen wollte.
Ich will hier durchaus nicht geschäftlich werden. Andeutungen genügen ja.
Ich kam mit einem Makler zusammen, der mir 1000 Tonnen Ballen Baumwolle vorschlug, welche im Hafenmagazin lagen und morgen wegen Zahlungsunfähigkeit des Eigentümers unter den Hammer kommen würden. Nicht einmal die Versicherungssumme hatte er aufbringen können. Wenn ich jetzt zugriffe, könnte ich sie vielleicht für 40 000 Pfund Sterling bekommen, die feinste, längste Baumwolle, zur Mischung mit Seide geeignet. Das beste Absatzgebiet dafür sei jetzt Marseille, könnte 12 000 Pfund daran verdienen, mindestens.
Ueber diese Summe verfügte ich ja gerade noch, dann mußte ich von den noch vorhandenen 500 Tonnen Kohlen 400 löschen, um Laderaum zu bekommen, die mir hier in Kapstadt ebensoviel Pfund Sterling einbrachten.
Mir war etwas bänglich zumute, als ich von einem geöffneten Ballen die Baumwolle prüfen sollte. Was verstand ich junger, ungeleckter Seebär denn von Baumwolle! Und allen den Kerlen, die da die Fasern über den Fingernagel zogen und sie durch die Lupe betrachteten und mir ihre Güte priesen, war doch nicht zu trauen.
Dann aber traf ich einen alten, mir bekannten Kapitän, der etwas davon verstand, der zog die Fasern ebenfalls über den Daumennagel, und dann sagte er: jawohl, Richard, zugegriffen, so was bekommst du nicht gleich wieder!
Also, nun mal los! Ich einigte mich mit dem Konkursverwalter richtig auf rund