»Sie wollen sich mir wohl als Sklave verkaufen?«
Hierbei muß ich bemerken, daß es damals, da Amerika nur die Sklaveneinfuhr, nicht die Sklaverei, nicht einmal der Sklavenhandel direkt verboten war, noch oft genug vorkam, daß sich ein schon freigewordener Sklave zum zweiten Male verkaufte. Meist wollten sie dadurch eben Geld in die Finger bekommen, gewöhnlich um einen anderen aus der Sklaverei loszukaufen, den Vater, den Bruder, einen Freund, und die Chronik weiß da ja herrliche Episoden von Opfermut und treuer Freundschaft zu erzählen.
»Allerdings,« war seine Antwort.
Na, bei mir gab es so etwas natürlich nicht.
»Nein, mein guter Freund, bei mir sind Sie da gerade an den Unrechten gekommen. Ich verstehe Sie überhaupt nicht, wie Sie hier im Schutze der Flagge von Liberia so eine ungeheuerliche Forderung an mich stellen können.«
Aber der Mann blieb ungerührt.
»Herr Kapitän, glauben Sie nicht, daß es auch hier in Liberia genug Männer gibt, welche mich sofort als Sklaven kaufen, wenn ich mich ihnen anbiete? Dort unter den Mauern des Forts.«
Da hatte der Mann nun allerdings wieder recht. Jeder Spanier und Portugiese kaufte ihn sofort und wußte den Handel gleich rechtskräftig zu machen. Das ganze Verbot des Sklavenhandels war ja damals nur ein blutiger Hohn – nämlich auch nur durch Blutvergießen, durch Waffengewalt konnte er verhindert werden.
»Sie sind in Geldnot?«
»Ja.«
»Mit wieviel ist Ihnen geholfen?« fragte jetzt Blodwen.
Da aber bekam der Neger große Augen.
»Sie würden mir helfen?«
»Ja.«
»Ohne daß ich mich Ihnen als Sklave verkaufe?«
»Selbstverständlich! Daran ist bei uns überhaupt gar nicht zu denken. Wir sind doch alles andere als Sklavenhändler.«
»Auch wenn ich 10 000 Dollar forderte?«
»Wenn Sie mir den Grund angeben, würde ich sie Ihnen leihen – schenken. Sie gefallen mir.«
Das war offen gesprochen, wie nur Blodwen es konnte. Der Nigger aber schien wieder etwas von seiner sicheren Haltung zu verlieren.
»Dann muß ich gestehen, daß ich vorhin nicht die Wahrheit gesprochen habe,« murmelte er.
»Wieso nicht?«
»Ich brauche gar kein Geld.«
»Mann,« wurde ich jetzt ungeduldig, »nun sagen Sie endlich, was Sie eigentlich von uns wollen!«
»Mich Ihnen, Herr Kapitän Richard Jansen, als Sklaven verkaufen.«
»Das ist ja Unsinn – ich verstehe überhaupt gar nicht…«
»Sollen Sie vielleicht ein Gelübde erfüllen?« fiel mir Blodwen ins Wort.
Auf so eine romantische Idee konnte nun auch wieder bloß Blodwen kommen, und hätte ich sie gehabt, ich hätte sie nicht auszusprechen gewagt.
»Das ist es,« sagte da tiefatmend der Neger.
»Was? Ein Gelübde hätten Sie zu erfüllen?«
»Sie sagen es.«
»Das Gelübde, sich als Sklaven zu verkaufen?«
»Jawohl.«
»Und wer ist es denn, der solch eine Gewalt über Sie hat?«
»Verzeihen Sie – das allerdings muß mein Geheimnis bleiben.«
»Und nun will ich Ihnen etwas sagen: ich eigne mich nicht für solche Geheimniskrämerei, machen Sie, daß Sie hinaus …«
»Bitte, Richard, laß mich doch einmal fragen!« fiel mir Blodwen wieder ins Wort. »Also Sie sollen sich als Sklaven verkaufen?«
»Ja, Mylady.«
»Es handelt sich um ein Gelübde?«
»Jawohl.«
»Wer hat Ihnen dieses Gelübde auferlegt?«
»Eigentlich niemand – ich selbst.«
»Ah so, ich verstehe! Sie haben etwas zu sühnen?«
»So ist es, Mylady.«
»Was haben Sie zu sühnen?«
»Das darf ich nicht verraten.«
»Haben Sie einen Mord begangen?«
»Darüber darf ich nicht sprechen.«
Nein, wie ein Mörder sah dieser Neger mit den offenen Gesichtszügen nicht aus, wenigstens nicht wie ein gemeiner Mörder. Und im übrigen amüsierte ich mich, wie Blodwen gleich auf alles einzugehen wußte. So etwas Romantisches war ja auch ihr Fall, daher immer gleich ihr Entgegenkommen durch Fragen, gewissermaßen ein Wittern.
»Es ist also Ihr freier Entschluß, sich wieder als Sklave zu verkaufen?«
»Jawohl, aber auch mein felsenfester.«
»Weshalb kommen Sie gerade zu uns? Oder vielmehr zu Herrn Kapitän Jansen?«
»Ich habe den Herrn Kapitän heute mehrmals an Land gesehen – ich faßte sofort Zutrauen zu ihm – und … an irgendeinen muß ich mich doch verkaufen … «
»Sie kennen mich schon?« fragte ich wieder.
»Nein. Ich habe Sie hier zum ersten Male gesehen. Doch hörte ich über Sie und auch über Lady Leytenstone sprechen.«
»Von wem?«
»Von einigen Herren, die mir selbst unbekannt geblieben sind.«
»Wo war denn das?«
»Im Speisesaale des Henry-Hotels, in dem auch ich logiere – heute mittag war es.«
»Was sagten die Herren?«
»Sie unterhielten sich über Lady Blodwen von Leytenstone, über einen Erbschaftsprozeß, den sie führt, wie sie so vielen Verfolgungen ausgesetzt sei, und wie sie sich deswegen wohl für immer auf eine Jacht zurückgezogen und sich unter den Schutz des Kapitäns dieser Jacht, namens Richard Jansen, gestellt habe. Viel mehr habe ich kaum gehört.«
Und ich konnte kaum eine größere Offenheit verlangen.
Gesetzt den Fall, dieser Neger wäre von unserer gegnerischen Seite bestochen worden, sich bei uns einzuschleichen, so hätte er doch nicht diese seine Kenntnisse uns offenbart.
Ebenso dachte Blodwen, das sah ich ihr gleich an.
Auch was für Herren das gewesen waren, konnte ich mir gleich erklären.
»Waren die Herren von Bord der ›Port Natal‹?«
»Ich glaube wohl, ich hörte sie davon sprechen.«
Der Dampfer ›Port Natal‹ kam von London, war nach uns abgefahren, hatte uns aber überholt. Bei unserer Abfahrt war doch natürlich viel über uns gesprochen worden, nachdem man nun erfahren, daß sich die tolle Lady Leytenstone bei mir an Bord befand, und nun begegnete man meiner Jacht hier, wir waren schon die Helden eines Abenteuers geworden.
Diesbezüglich wechselte ich mit Blodwen einige Worte, und sie stimmte mir bei.
»Nun wieder zu Ihnen. Weshalb bieten Sie sich gerade mir als Sklaven an?«
»Ja, bei einem muß ich es doch tun, wenn ich es, nun einmal will. Und … was ich heute über Sie gehört habe, daraus habe ich das größte Zutrauen zu Ihnen gefaßt.«
Für diese Schmeichelei war ich wenig empfänglich, bei mir trat jetzt wieder ein Mißtrauen hervor.
»Und,« fuhr der Neger in zögerndem Tone wieder fort, »was ich heute sonst noch hörte … auch ich hoffte auf dieser Jacht ein Asyl zu finden.«
»Ah,