Der Jachtkapitän wollte mich aushorchen, wollte mir dann etwas von der Mexikanerin erzählen; aber der Mann gefiel mir überhaupt nicht, ich ließ mich nicht mit ihm ein.
Als ich an Bord meines Schiffes zurückkehrte, meldete mir die Deckwache, in der Kajüte warte auf mich ein Neger.
»In der Kajüte?« fragte ich verwundert, schon mehr bestürzt.
»Ja – das heißt – ’s ist nur ein Neger, weil er schwarz ist,« sagte Wilm stockend, »eigentlich ist’s ein ganz feiner Herr, er hat sogar eine Angströhre auf und Handschuhe an den Fingern.«
»Ja, wie kommt der denn aber in die Kajüte?!«
»Ich ließ ihn auch nicht an Bord, als er nach dem Kapitän fragte – er blieb auf dem Kai stehen – dann kam die Lady an Deck – und da sind die beiden ins Quasseln gekommen – und da hat die Lady den Neger mit der Angströhre und mit den Handschuhen eben mit herein in die Kajüte genommen.«
Meine Bestürzung war begreiflich. Unbegreiflich war nur Blodwens Verhalten. Konnte ihr doch auch hier in einer ziemlich kultivierten Gegend Afrikas ebensogut wie in England von gewisser Seite aus nach dem Leben getrachtet werden. Und sie nahm einen fremden Mann mit sich in die Kajüte!
Hierbei halte ich die Bemerkung für notwendig, daß mir wegen des fremden Negers, der nach des Mattrosen Beschreibung ein tadelloser Gentleman sein sollte, aber nur bekleidet mit Zylinder und Handschuhen, nicht der leiseste mit Eifersucht verwandte Gedanke aufstieg.
»Sie ist allein mit ihm in der Kajüte?«
»Ich glaube wohl.«
»Wo ist der Schiffsarzt?«
»Vorhin saß er in seiner Kabine.«
Nun, ich brauchte nicht weiter zu forschen, ich hatte ja nur ein paar Schritte.
Noch an Deck traf ich mit Blodwen zusammen, die eben aus der Kajüte trat.
»Ich hörte deine Stimme, Richard.«
»Was für ein Neger ist das?«
»Er begehrte dich zu sprechen. Die Wache ließ ihn nicht an Deck, ich sah ihn stehen, er machte einen so netten Eindruck, fragte ihn, was er wünsche, die Antwort war die eines gebildeten Mannes – kurzum, ich konnte ihn nicht so draußen stehen lassen, eben gerade deshalb nicht, weil es ein Neger ist – ich nötigte ihn in die Kajüte.«
»Was will er denn von mir?«
»Das will er nur dir selbst mitteilen. Er ist ja erst vor zehn Minuten gekommen, wir haben uns nur etwas über Liberia unterhalten – ein ganz gebildeter Mann, trotz seiner schwarzen Haut.«
»Blodwen, Blodwen, und du, die sich wegen ihrer Sicherheit ganz auf ein Schiff zurückgezogen hat, du nimmst einen dir wildfremden Mann mit in die Kajüte?!«
»Ja, wenn ich nicht einmal auf meinem eigenen Schiffe frei handeln darf, wo bin ich denn sonst in Sicherheit?« war ihre stolze Gegenfrage, und ich verstand sie.
Schon in ihrer römischen Villa hatte sie trotz aller Vorsichtsmaßregeln doch immer bewiesen, daß sie im Grunde genommen keine Furcht hatte, mindestens ihre hinterlistigen Feinde verachtete.
Ich betrat die Kajüte. Der schwarze Besuch erhob sich.
Es war ein tiefschwarzer Neger, mir nur wenig an Größe nachgebend, dabei herkulisch gebaut – ich taxierte ihn sofort für einen Zulu, der wohl der größte und schönstgebaute Repräsentant der afrikanischen Rasse ist, auch die größte Intelligenz und den ritterlichsten Charakter besitzt, was sich wiederum schon in den Gesichtszügen ausdrückt.
Und nun präsentierte sich mir hier auch noch ein wirklich tadelloser Gentleman im schwarzen Gehrockanzug, der seinen Zylinder in der Hand zu halten wußte, und auch nichts von allem dem buntschreienden Tand, mit dem sich sonst der Neger so gern herausstaffiert, wenn er einmal von der Kultur etwas beleckt worden ist und er Geld in die Tasche bekommen hat, wodurch er stets für den Europäer ein so lächerliches Zerrbild wird.
»Sie wünschen?«
»Habe ich die Ehre, Herrn Kapitän Richard Jansen aus Danzig zu sprechen?« lautete die Gegenfrage, im besten Englisch gegeben, mich aber auch gleich stutzig machend.
Was ging es den an, ob ich aus Danzig oder sonstwoher war? Das war überhaupt eine ganz ungebührliche oder doch ungewöhnliche Frage, wenigstens für einen Seemann. Denn bei einem Kapitän kommt es wohl darauf an, von welchem Schiffe er ist, das setzt man gewöhnlich hinzu, aber das Woher, das hat doch gar nichts zu sagen.
Nun, dieser Neger mochte solch eine Routine nicht kennen.
»Bin ich. Ihr Name?«
»Ich habe mir den Namen Peter Steffens gegeben.«
»Was soll das heißen: Sie haben sich diesen Namen gegeben?« fragte ich mißtrauisch.
»Nun, bei meiner Freilassung. Ich war früher Sklave.«
Ach so, jetzt verstand ich. Als Sklaven führen die Neger doch gewöhnlich biblische oder klassische Namen, Gideon, Simson, Jupiter und dergleichen.
Werden sie freigelassen, können sie sich einen bürgerlichen Namen wählen, auf den ihr Freibrief registriert wird. Mit Vorliebe wählen sich die eitlen Neger dann immer möglichst pompöse Namen, solche von berühmten Männern, was ihnen aber auch versagt werden kann, damit nicht zu viele Irrtümer entstehen. Genau so ist es früher mit den österreichischen Juden gemacht worden, daher auch die vielen Blumennamen und andere ungewöhnliche.
Dieser hier war mit Peter Steffens einmal recht bescheiden gewesen.
»Was wünschen Sie also von mir, Mister Steffens?«
»Gestatten Herr Kapitän, daß ich Sie unter vier Augen spreche?«
»Wir sind ja unter vier Augen, und belauscht können wir hier nicht werden.«
Er wagte es nicht auszusprechen, nur seine Augen richteten sich nach Blodwen, welche hinter mir wieder eingetreten war.
»Diese Dame bleibt hier – vor dieser Dame habe ich kein Geheimnis.«
»Ich bitte Sie, Herr Kapitän … «
»Lady Leytenstone bleibt hier,« wiederholte ich, »und wenn Sie mir Ihr Geheimnis nicht in Gegenwart dieser Dame anvertrauen können, so will ich es gar nicht wissen, und überhaupt bin ich kein Freund von solcher Geheimniskrämerei.«
»Handelt es sich denn um ein Geheimnis?« fragte Blodwen.
In der Tat, eigentlich hatte der Neger von so etwas noch gar nichts gesagt. Nur daß er mich so partout unter vier Augen sprechen wollte, hatte dies angedeutet.
»Nicht gerade ein Geheimnis …« entgegnete er jetzt zögernd, und Blodwen fiel ihm wieder ins Wort.
»Handelt es sich etwa um das holländische Wrack?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
Der Neger hatte sich aus seiner etwas verlegenen Stellung emporgerichtet, ein scharfer Blick, der aber nichts Stechendes an sich hatte, musterte Blodwen.
»So darf ich in Gegenwart dieser Dame ganz offen sprechen?«
»Ganz offen.«
»Nun denn, Herr Kapitän, ich habe ein großes Anliegen an Sie.«
»Nehmen Sie erst Platz, bitte!«
Ich hatte mich auf die Lehnbank gesetzt, welche um den Tisch herumlief, desgleichen Blodwen, der Neger aber folgte meiner Einladung nicht.
»Nein, Herr Kapitän, zu dem, was ich Ihnen vorzuschlagen habe, muß ich stehen.«
»Weswegen stehen? Sie sind doch nicht mein Sklave – nicht einmal mein Diener.«
»Aber ich möchte es werden, und nicht nur Ihr Diener, sondern Ihr Sklave. Herr Kapitän, wie hoch taxieren Sie meine Arbeitskraft als Kapital, das