Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836182
Скачать книгу
ist sehr wenig.«

      »Das ist für mich gerade genug.«

      »Schätzen Sie Ihre Dienste nicht höher ein?«

      »Bitte, Mylady – ich bin ein einfacher Seemann – bin noch nie in solche Situationen gekommen – und – mir ist so etwas peinlich …«

      Unsere Blicke begegneten sich.

      »Und mir nicht minder. Darin scheinen wir zu harmonieren, und eben deswegen bitte ich Sie, einfach anzunehmen, was ich Ihnen gebe. Sie können es sich ja immer aufschreiben.«

      Doch es war nur eine Zehnpfundnote, was sie mir gab.

      »Ich erwarte Sie nicht mehr für heute,« sagte sie noch, ehe ich ging. »Sie werden doch noch verschiedenes zu besorgen haben.«

      Ich machte mich sofort auf den Weg. Wäre nicht so schönes Wetter gewesen, hätte es geregnet, so würde ich ohne weiteres einen Wagen gefordert haben, der mich wenigstens bis nach Leytenstone zum Bahnhof brachte. So ging ich dorthin zu Fuß, von eigentümlichen Empfindungen erfüllt, als ich denselben Weg zurückschritt, den ich gestern um ungefähr dieselbe Zeit herwärts gekommen war.

      Ich fuhr bis zur Fenchurch-Station, löste bei Samuel Cohn meine Uhr und Schlipsnadel ein, kaufte mein im Schaufenster liegendes Taschenmesser und anderes gegen das dreifache zurück, dann bummelte ich durch die Straßen der Bank zu, kaufte in einem Laden, wo es so allerhand Klimbim gibt, was das Herz eines Frauenzimmers erfreut, für sechs Schilling eine brillante Brosche, gespickt mit Edelsteinen und Perlen, in einem anderen Geschäft für mich etwas weiße Wäsche, ließ des Bräutigams Kragen und Vorhemdchen und Schlips mit der Brosche gleich zu einem Paket vereinigen, welches ich auf der nächsten Post an Mary adressierte, nur mit einem beigelegten Zettelchen. Denn selbst hingehen wollte ich jetzt nicht. Zwischen gestern und heute war ein gewaltiger Unterschied.

      Dann zur Bank, sie war offen. Wegen Einlösung eines Schecks wurde ich nach der Hauptkasse gewiesen. Da sah ich Gold und Banknoten hin und her geschoben werden! Von so etwas hatte ich noch keine Ahnung gehabt.

      Jeder Empfänger wurde gefragt, ob Gold oder Banknoten. Ich sah einen Herrn, der 2000 Pfund, das doppelte meiner Summe, in Gold forderte. Die Goldstücke wurden natürlich nicht gezählt, was auch gar lange gedauert hätte, sondern auf eine Wage geschaufelt, auf der ein Ochse Platz gehabt hätte. Ich konnte damals nicht begreifen, wie die an der spielenden Zunge so genau bestimmen wollten, daß auf der Wage gerade tausend Goldstücke im Gewichte von zwanzig englischen Pfund lagen, daß es kein Goldstück zu viel oder zu wenig sein sollte. Ich geriet auf die merkwürdige Idee, daß es wohl bei so vielem Gelde gar nicht auf ein Goldstück mehr oder weniger ankäme.

      Das Gold wurde in Ledersäcke geschaufelt, von Männern hinausgeschleppt und draußen, wie ich dann noch sah, von Herren in Empfang genommen, welche in Equipagen saßen.

      Auch ich kam daran. Ich war noch der Ueberzeugung, abgewiesen zu werden, wenn ich nicht etwa gar wegen Verdachtes …

      »Hier Ihre Unterschrift,« sagte der alte Herr, mir durch seine Brille kaum einen Blick zuwerfend, dann sich in ein dickes Buch versenkend.

      Ich hatte meinen Namen hingeschrieben.

      »Gold oder Banknoten? Was für Banknoten?«

      Die Lady hatte mir deswegen nichts gesagt, und ich hatte mich unterdessen, wenn ich das Geld wirklich bekäme, bereits für Hundertpfundnoten entschieden. Das war nicht zu groß und nicht zu klein.

      In rasender Schnelligkeit zählte ein anderer Herr mir hundert weiße Papiere hin, sich dann gar nicht mehr um mich kümmernd. Ich zählte langsam nach – hundert – es stimmte.

      Dann war ich draußen, zweimalhunderttausend Mark auf der Brust. Himmeldonnerwetter! Die ganze Straße sah mir mit einem Male anders aus.

      Mir war wahrhaftig ganz bange zumute. Ich wollte eine Droschke nehmen, um schleunigst nach dem Bahnhofe zu fahren. Bald aber lachte ich meiner Angst. Für mich selbst war das ja nur wertloses Papier. So frühstückte ich erst in einem kleinen Hotel, und gegen Mittag war ich wieder in der römischen Villa.

      In dem Säulengange stand Lady Blodwen. Bei meinem unvermuteten Anblick fuhr sie jäh empor, und es waren ganz merkwürdige Augen, die mich anstarrten, erst erschrocken, dann mit einem Male aufleuchtend – und in diesem Augenblicke zuckte es durch mein Hirn:

      Herrgott, die hat doch nicht etwa geglaubt, ich könnte mit dem Gelde durchbrennen?!

      Doch im nächsten Moment schon hatte ich diesen schmählichen Verdacht zurückgewiesen – es war ein so blitzähnlicher Gedanke gewesen, daß deswegen kein Tröpfchen Blut in meine Wangen stieg.

      »Sie sind schon wieder zurück?!«

      »Ja, ich habe mich möglichst beeilt. Ich habe noch niemals so viel Geld bei mir getragen, man muß sich an alles gewöhnen. Wo soll ich Ihnen das Geld geben?«

      »Gleich hier.«

      Ich zog die Scheine mit einem Griffe aus der linken Brusttasche, in der ich sonst nichts weiter hatte.

      »Es sind hundert Hundertpfundscheine, wollen Sie nachzählen?«

      Sie tat es nicht.

      »Danke.«

      Sie wandte sich und ging davon. Ich blickte ihr nach. Weshalb war das blasse Gesicht plötzlich so purpurrot geworden?

      Nachdem ich zwei Stunden zu Mittag gegessen – nein, gespeist hatte, wurde ich wieder zu ihr bestellt.

      Ich sollte zu einem Mr. Cockswell gehen – oder ich könnte auch eine Equipage benutzen – ein Farmer, nur eine Viertelstunde von hier entfernt, ihm diesen Brief abgeben.

      Die Aufforderung war im höflichsten Tone erfolgt, auch der Inhalt des Briefes wurde mir gesagt: der Farmer hatte eine Hundezucht, die Lady erwartete zwei junge Exemplare.

      »Würden Sie die Güte haben, die Tierchen vielleicht gleich mitzubringen?«

      »Gewiß doch!«

      »Und es wäre mir sehr lieb, wenn Sie um sechs Uhr wieder hier sein könnten.«

      »Ich werde hier sein.«

      Ich ließ mir von einem Diener den Weg beschreiben und machte mich auf die Strümpfe.

      Es war ein kleines Bauerngut, dessen Hof ich betrat, alles in musterhafter Ordnung, sehr viele Hunde, unter denen ich auch die Eltern jener Bulldoggen erkannte.

      Einen gutgekleideten Bauern hielt ich für den Farmer.

      »Mr. Cockswell?«

      »Nein, der sitzt drin. Ich bin der Verwalter.«

      »Ich habe an Mr. Cockswell einen Brief abzugeben.«

      »Da gehen Sie nur hinein. Sie sind wohl Seemann?«

      »Steuermann.«

      »Na, da wird sich der Master freuen!« sagte der Mann mit einem schadenfrohen Grinsen, und dann rief er seitwärts einem Knechte zu: »Pet, mach mal gleich ’ne Schubkarre zurecht!«

      Für diese Worte füge ich gleich die Erklärung bei, wenn ich damals auch noch gar nichts davon wußte.

      Mr. Cockswell war so ein Millionenbauer, der aber nicht von seinem kleinen Stammgute herunter ging. Er ließ sich gern besuchen und hatte die niederträchtige Angewohnheit, den Besuch stets einzuseifen, d. h., ihn bezecht zu machen und ihn in sinnlosem Znstande auf der Schubkarre nach Hause fahren zu lassen. Das war bei ihm eine Art von Leidenschaft – die ich übrigens auch noch bei anderen Menschen gefunden habe. Er war deswegen in der ganzen Umgegend verhaßt, hatte auch schon viel Unglück damit angerichtet, Familienfrieden zerstört und dergleichen.

      Ich sah einen älteren Mann, der einen ganz biederen Eindruck machte. Es war ja sonst auch ein ganz ehrlicher Mensch – bis auf jene niederträchtige Schadenfreude.

      »Nee, die Tiere müssen noch bei der Mutter bleiben. Wie kommt es denn, daß die Lady Sie schickt?«

      »Ich