FARKAS: Etwas Gescheites, du Schaf!
WALDBRUNN: Ich hab dich lange nicht gesehen.
FARKAS: Sonst fällt dir gar nichts ein?
WALDBRUNN: Momentan nicht …
FARKAS: Gut! – Es darf dich nicht wundern, daß du mich lange nicht gesehen hast – ich bin vor 14 Tagen auf den Semmering gefahren.
WALDBRUNN: Ein zweites Mal falle ich dir nicht herein!
FARKAS: Was heißt, du fällst mir nicht herein?
WALDBRUNN: Wenn du vor 14 Tagen auf den Semmering gefahren bist, kannst du doch jetzt nicht zurück sein.
FARKAS (wütend): Warum nicht, du Esel?
WALDBRUNN: Du hast es selbst gesagt.
FARKAS: Nichts habe ich gesagt! Ich habe gesagt, wenn ich heute früh mit dem Schiff über den Ozean nach New York fahre, kann ich nicht zurück sein! Wenn ich vor 14 Tagen auf den Semmering gefahren bin, kann ich zurück sein! Der Semmering ist ja nicht so weit von Wien entfernt wie New York!
WALDBRUNN: Das ist wahr. Du darfst mir nicht böse sein – ich bin heute etwas zerfahren.
FARKAS: Du bist zerfahren … Was soll ich sagen? Ich nehme heute die Zeitung zur Hand und erfahre, daß auf meinen Schwager, den Rechtsanwalt Dr. Strobl, ein Attentat verübt worden ist.
WALDBRUNN: Was du nicht sagst! Wer hat ihn attentiert?
FARKAS: Seine Freundin.
WALDBRUNN: Wann?
FARKAS: Gestern nachmittag. Drei Schüsse hat sie auf ihn abgegeben – zum Glück hat sie ihn nicht getroffen.
WALDBRUNN: Das hätte ich ihr gleich sagen können, daß sie ihn nicht treffen wird.
FARKAS: Wieso?
WALDBRUNN: Weil auf seiner Türtafel steht: »Rechtsanwalt Dr. Fritz Strobl. Nur zu treffen von 11 bis 12 Uhr vormittags.«
FARKAS: So etwas Blödes! Das bezieht sich doch auf seine Sprechstunden!
WALDBRUNN: Das ist wahr. Ich bin heute etwas zerfahren. Auf mich würde heute passen, was Richard III. sagt: »Mir ist von alledem so dumm – als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum!«
FARKAS: Das sagt doch nicht Richard III.! Das sagt Faust! Richard III. sagt: »Ein Pferd! Ein Pferd!«
WALDBRUNN (überlegt): Ist auch ganz schön!
FARKAS : Du hast eine Ahnung von Kunst!
WALDBRUNN: Hab ich auch! Ich habe sogar ein Abonnement in der Staatsoper! Loge 12! Seit Jahrzehnten! Ich schau schon gar nicht mehr auf die Bühne.
FARKAS: Ich weiß! Ich hatte einmal das Vergnügen, von dir eingeladen zu werden.
WALDBRUNN: Loge 12.
FARKAS: Ja.
WALDBRUNN: Zum »Fliegenden Holländer«.
FARKAS: Zu »Don Juan«.
WALDBRUNN: Das war »Don Juan«? Deshalb hat mir das Schiff gefehlt.
FARKAS: Von Anfang an Ouvertüre bis zum letzten Fallen des Vorhangs hast du nur gesprochen und gesprochen.
WALDBRUNN: Ich?
FARKAS: Ja. Dann hast du mich noch einmal eingeladen.
WALDBRUNN: Loge 12.
FARKAS: Ja.
WALDBRUNN: Zu »Lohengrin«.
FARKAS: Zu »Carmen«.
WALDBRUNN: Das war »Carmen«? Deshalb ist kein Schwan vorgekommen!
FARKAS: Und du hast wieder gesprochen und gesprochen.
WALDBRUNN: Es tut mir leid! Willst du am Mittwoch mit mir zu »Rigoletto« gehen?
FARKAS: Gern. In »Rigoletto« habe ich dich noch nicht gehört.
WALDBRUNN: Außerdem – weil du sagst Kunst – interessiere ich mich auch für die Malerei. Ich habe mir erst gestern ein neues Bild gekauft.
FARKAS: Von wem?
WALDBRUNN: Vom Koritschoner.
FARKAS: Ich meine, von wem ist es! Wer es gemalt hat!
WALDBRUNN: Das hab ich vergessen. Er ist ein Spanier und heißt nach einer Spielkarte … Herzasso … Treffasso …
FARKAS (entsetzt): Picasso!
WALDBRUNN: Picasso! Stimmt!
FARKAS: Ich möchte nur eines wissen … Auf welcher höheren Lehranstalt du dir diesen gründlichen und außergewöhnlich umfassenden Mangel an Kenntnissen erworben hast.
WALDBRUNN: Ich habe mir mein Wissen selbst gebaut.
FARKAS: Da muß die Baupolizei auf Urlaub gewesen sein! Liest du keine Bücher? Hast du keinen Shakespeare zu Hause? Keinen Lessing?
WALDBRUNN: Nein, nur Goethe und Schiller.
FARKAS: Die habe ich auch. In Schweinsleder.
WALDBRUNN: Ich in Gips.
FARKAS: Das ist doch nicht das richtige!
WALDBRUNN: Ich weiß, Bronze ist besser, aber es war ein Geschenk. Von den Leuten, bei denen ich vor zwei Jahren meinen Urlaub verbracht habe. Wo warst du heuer auf Urlaub, Karl?
FARKAS: In Edlach. Und du?
WALDBRUNN: In Velden. Hast du viel gebummelt?
FARKAS: In Edlach? Was kann man in Edlach bummeln? Ich bin jeden Abend mit den Hühnern schlafen gegangen. Du nicht?
WALDBRUNN: Leider¡… Wir haben keine Hühner gehabt.
FARKAS: Wir haben auch keine gehabt!
WALDBRUNN: Warum sagst du dann, daß du mit ihnen schlafen gegangen bist?
FARKAS: Das ist doch eine Redensart! Bitte, laß mich wieder den Gescheiten spielen!
WALDBRUNN: Warum? Weil ich nicht gleich alles aufgreife? Ich bin heute etwas zerfahren.
FARKAS: Aus welchem Grund?
WALDBRUNN: Weil ich »SIE« wiedergesehen habe …
FARKAS: Wer ist »SIE«?
WALDBRUNN: Mein Sommerflirt.
FARKAS: Du hast einen Sommerflirt gehabt?
WALDBRUNN: In Velden. Ich war so allein, daß ich ein Inserat in die Zeitung gegeben habe: »Junger Mann, der sich einsam fühlt, sucht Wesen, das Licht und Wärme in sein Leben bringt.«
FARKAS: Und was war?
WALDBRUNN: Die Gaswerke haben mir einen Vertreter geschickt. Und dann habe ich »SIE« kennengelernt!
FARKAS: Den Sommerflirt.
WALDBRUNN: Ja. Als ich zum erstenmal mit ihr tanzte, fragte sie mich, ob ich aus dem hohen Norden komme.
FARKAS: Warum?
WALDBRUNN: Sie hat gesagt, daß ich tanze, als ob ich Schneeschuhe anhätte. Dann habe ich mit ihr eine Mondscheinpartie auf dem Wörther See gemacht … Eine Stunde habe ich gerudert …
FARKAS: Da müßt ihr ja schon ziemlich weit gewesen sein?
WALDBRUNN: Überhaupt nicht. Ich habe vergessen, das Boot loszubinden! Und am nächsten Tag bin ich fort.
FARKAS: Warum bist du gerade nach Velden gefahren?
WALDBRUNN: