»Geht in Ordnung«, antwortete Fermo, »das läßt sich leicht arrangieren. Man wird die vier Amateure niemals finden.«
»Was hat man sonst noch aus London berichtet?«
»Man nennt die Briten das ›Quartett‹ und wäre sehr froh, wenn es nicht nach London zurückkäme.«
»Unvorstellbar, daß man dieses ›Quartett‹ nicht schon längst begraben hat«, wunderte sich Luciano Parcutti, »wir in den Staaten hätten da verdammt kurzen Prozeß gemacht, das können Sie mir glauben. Vier Amateure können doch keine ernstzunehmenden Gegner sein.«
»Natürlich nicht«, lautete die Antwort von Cäsare Fermo. Er deutete hinunter auf die Auffahrt, »sie werden angeliefert. Der erste Fiat kommt.«
»Gießen Sie mir was ein, Cäsare«, verlangte der ehemalige Mafiaboß, und Fermo kam diesem Verlangen nach. Ein aufmerksamer Betrachter hätte mitbekommen, wie widerwillig er es tat. Luciano Parcutti lehnte sich im Sessel zurück und beobachtete den Fiat, der in schneller Fahrt sich der Villa näherte und dann für einen Moment unterhalb der zweiten Terrasse verschwand. Wenig später tauchte der Wagen wieder auf, befand sich bereits auf der eigentlichen Auffahrt und nahm Richtung auf den Hauseingang.
»Ein schöner Nachmittag«, meinte Parcutti und erhob sich, »jetzt werde ich meinen Freunden in London mal zeigen, wie man mit Amateuren umgeht, Fermo. Kommen Sie, begrüßen wir sie! Diese Lady wird ihre Ohrfeige noch sehr bereuen ...«
*
Mit schnellen Schritten ging der ehemalige Mafiaboß auf den Fiat zu, der inzwischen stand. Parcutti kam gar nicht auf den Gedanken, seine Leute könnten vielleicht überlistet worden sein. Cäsare Fermo benahm sich ebenfalls sehr sorglos. Er verzichtete darauf, Parcuttis Leibwächter in der Villa zu informieren. Für ihn gab es keinen Zweifel daran, daß zwei Mitglieder des ›Quartetts‹ im Fiat saßen, und zwar gegen ihren Willen. Was hatte man also zu befürchten?
Es fehlten Parcutti noch etwa fünf bis sechs Meter bis zum Schlitten, doch plötzlich blieb er stehen und faßte reflexartig nach seinem linken Oberschenkel. Irgendetwas hatte ihn gestochen, er glaubte an ein stacheliges Insekt. Dann aber stutzte er, senkte den Blick und starrte in einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben auf einen bunt gefiederten Pfeil, der kaum länger war als eine kleine Stricknadel. Die Spitze dieses Blasrohrpfeils saß fest im Fleisch, der Schaft wippte noch ein wenig.
Parcutti sog scharf die Luft ein und sah zu seinem Sekretär hinüber, der allerdings ähnlich geschockt war. Cäsare Fermo zog gerade angewidert und mit spitzen Fingern seinen dünnen, kleinen Pfeil aus dem allerdings rechten Oberschenkel und warf ihn auf den Kies der Auffahrt.
»Was ... Was ist das?« fragte Parcutti. Er traute sich nicht, seinen Pfeil aus dem Oberschenkel zu ziehen.
»Sie sollten unnötige und hastige Bewegungen tunlichst vermeiden«, war die Stimme des Butlers zu vernehmen, der neben dem Wagen stand, »ein zu schneller Transport des Pfeilgiftes könnte sich unter Umständen tödlich auswirken.«
»Gift?« Luciano Parcutti sprach ein amerikanisch gefärbtes Englisch. Er starrte den Butler an.
»Von durchaus verträglicher Konzentration, falls man sich nicht zu betont bewegt.«
»Was Sie von mir aus ruhig machen können«, schaltete die ältere Dame sich ein. Sie hielt in der rechten Hand eine schallgedämpfte Automatik aus den Beständen der jungen Gangster.
»Gift, Fermo«, hechelte Parcutti.
»Bluff«, meinte der Sekretär des ehemaligen Mafiabosses und versuchte vorsichtig, an seine eigene Schußwaffe heranzukommen. Parker beobachtete dieses Unterfangen. Er hatte seinen Universal-Regenschirm auf das Wagendach des Fiats gelegt und die Spitze des Regenschirmes auf Fermo gerichtet.
Parcutti hielt sich an die Warnung des Butlers und bewegte sich nicht. Er blieb wie eine Statue aus Bronze stehen und atmete schnell. Cäsare Fermo aber wollte den Dingen unbedingt doch noch eine andere Wendung geben. Er hatte seine Hand in Brusthöhe gebracht und wollte schnell nach der Waffe in der Schulterhalfter greifen.
Die Hand erstarrte inmitten dieser Bewegung, und zwar nicht ohne Grund. Plötzlich bohrte sich nämlich ein zweiter Pfeil in seinen Körper und traf den Oberarm. Dies war für Parcuttis Sekretär doch zuviel. Er stöhnte und fand nicht mehr die Kraft, den Pfeil aus dem Muskelfleisch zu ziehen. Dann fiel er auf die Knie und riß die Augen auf. Er sah wie durch milchigen Nebel zu Parker hinüber, dessen Umrisse sich immer mehr verflüchtigten. Der Sekretär kippte auf die Seite und scharrte ein wenig mit den Füßen im Kies.
»Meine bescheidene Warnung erfolgte nicht ohne Grund«, verlautbarte der Butler höflich in Richtung Parcutti«, falls Sie an einem Weiterleben interessiert sein sollten, wird Mylady sich dazu herablassen, Sie zu einem Arzt zu bringen.«
»Ich rühr’ mich nicht von der Stelle«, schwor Parcutti, auf dessen Stirn sich dicke Schweißtropfen bildeten.
»Eile ist geboten«, meinte Parker, »Sie sollten im Wagen Platz nehmen und Ihren Leuten mitteilen, daß ihr Einsatz im Moment nicht gefragt ist.«
»Haut ab, Waffen runter«, rief Parcutti mit halblauter Stimme, »nicht schießen!«
Er spürte wohl die Nähe einiger seiner Männer, die im Hauseingang erschienen waren, allerdings nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten. Parker zählte drei Männer, die einen ratlosen Eindruck machten. Sie hatten die Befehle ihres Herrn und Meisters gehört und blieben stehen, während Parcutti langsam und mit staksigen Schritten auf den Fiat zuging.
Lady Agatha räumte inzwischen den Fiat aus. Mit harter Hand und erstaunlicher Kraft zerrte sie die beiden Gangster ins Freie und rollte sie auf den Kiesweg. Parcutti gönnte ihnen kaum einen Blick, hielt auf den Fond des Wagens zu und nahm vorsichtig auf dem Rücksitz Platz.
»Ich blas’ alles ab, was ich vorhatte«, versicherte er dann, als Lady Agatha neben ihm Platz nahm, »mein Ehrenwort, Lady, ich schwör’s.«
»Ich halte nichts von Meineiden, Parcutti«, erwiderte Agatha Simpson ungnädig, »falls Sie mich attackieren wollen, werde ich Ihnen meine Hutnadel in die Seite rammen.«
»Bitte, fahren Sie doch endlich los«, beschwor der ehemalige Mafiaboß den Butler, der inzwischen am Steuer des Fiat saß, »beeilen Sie sich! Ich brauche das Gegengift ...«
»Darf man sich nach Ihrem Befinden erkundigen?« fragte Parker, als er den Fiat in Bewegung setzte.
»Mir is’ schlecht«, erklärte Parcutti, »und ich hab’ Sehstörungen. Beeilen Sie sich, das Gift wirkt bereits ...«
»Das will ich auch hoffen«, schaltete die ältere Dame sich grimmig ein, »Sie haben ja die beiden Flegel gesehen, die ich aus dem Wagen geholt habe. Sie haben es bereits hinter sich.«
Parcutti vergaß sein angelerntes Amerikanisch. Er bediente sich seiner italienischen Muttersprache, als er alle ihm bekannten Heiligen anrief und um Hilfe flehte.
»Werde ich es schaffen?« fragte er danach und meinte mit Sicherheit sein Überleben.
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, gab Josuah Parker Auskunft, »möglicherweise werden Sie sogar später mit Andacht und Vergnügen an jene Stunde zurückdenken, die auf Sie warten.«
»Nun ja«, meinte die Detektivin etwa eine Stunde später und nickte wohlwollend Parker zu, »so hatte ich mir dieses Schauspiel allerdings nicht vorgestellt.«
»Nach den letzten Erhebungen, Mylady, befinden sich etwa fünfundzwanzigtausend Zuschauer in der Arena.«
»Eine recht hübsche Einnahme, Mr. Parker. Was haben Sie für die fünf Plätze zahlen müssen?«
»Hier im Innenraum, Mylady, beträgt der Preis für einen Platz etwa zwanzig Pfund«, lautete Parkers Antwort, »die Plätze auf den Steinstufen kosten durchschnittlich drei bis fünf Pfund. Den Besuch