»Shuan hat's verhunzt«, hörte ich einen sagen.
Und ein anderer antwortete ihm mit einem: »Pst, Mensch! Er hat dafür bezahlt!«
Danach sanken die Stimmen wieder zu demselben Flüsterton herab wie zuvor. Nur sprach jetzt meist nur eine Person, als lege man einen Plan zurecht, und bald dieser, bald jener antwortete nur kurz, als nähmen sie Befehle entgegen. Dann hörte ich sie wieder herankommen und sagte es Alan.
»Das ist es, worum wir beten müssen«, sagte er. »Solange wir ihnen nicht einen ordentlichen Abscheu vor uns einjagen können und endgültig mit ihnen fertig werden, wäre nicht viel Schlaf zu holen für keinen von uns beiden. Aber dies Mal, paß auf, wird's Ernst.«
Ich war jetzt mit meinen Pistolen fertig und konnte nichts anderes machen als horchen und warten. So lange der Kampf gedauert hatte, blieb mir keine Zeit nachzudenken, ob ich Angst hätte; aber jetzt, da wieder alles still war, kreisten meine Gedanken immer wieder um diese Frage. Die Vorstellung eines scharfen Schwertes und des kalten Stahls verfolgten mich. Und jetzt, als ich leise ihre heranschleichenden Schritte hörte, das Reiben eines Gewandes längs der Mauer der Kajüte und wußte, sie nähmen jetzt im Finstern ihre Plätze ein – da hätte ich am liebsten laut aufgeschrien.
All dies geschah auf Alans Seite, und ich fing an zu glauben, daß mein Anteil am Kampfe zu Ende sei, als ich jemand leise auf dem Dache über mir herankommen hörte.
Dann ertönte von der Schiffsseite her ein einziger Pfiff. Das war das Signal. Einige von ihnen stürzten, Säbel in der Hand, in einem Haufen auf die Tür los und im selben Augenblick flog das Glas des Dachfensters in tausend Scherben, ein Mann sprang herein und landete vor mir auf dem Boden. Ehe er wieder auf die Beine kam, hatte ich ihm eine Pistole an den Rücken gesetzt und hätte ihn gleich auch erschießen können. Nur bei der Berührung, und weil er so lebendig war, verließ mich meine Kraft und ich wäre ebenso wenig imstande gewesen, den Hahn loszudrücken, als ich fähig gewesen wäre, zu fliehen.
Der Mann hatte beim Springen seinen Säbel fallen lassen und als er die Pistole im Rücken fühlte, schnellte er herum, stieß einen Fluch aus und packte mich. Daraufhin kehrte entweder mein Mut wieder oder meine Angst wurde so groß – was auf dasselbe herauskommt – daß ich einen Schrei ausstieß und ihm eine Kugel mitten durch den Leib jagte. Er gab einen entsetzlichen, abscheulichen Laut von sich und fiel zu Boden. Im selben Augenblick schlug mir der Fuß eines zweiten Kerls, dessen Beine durch das Dachfenster baumelten, auf den Kopf. Da ergriff ich eine andere Pistole und schoß dem Mann in die Schenkel, so daß er hereinrutschte und wie ein Bündel auf den Körper seines Kameraden niederfiel. Da war keine Rede von Verfehlen ebenso wenig wie Zeit zum Zielen. Ich setzte die Mündung genau an und feuerte ab.
Ich wäre lange dort stehengeblieben und hätte die beiden angestarrt, aber da hörte ich Alan rufen wie um Hilfe und das gab mir meine Besinnung wieder.
Er hatte bis dahin die Tür gehalten; aber einer der Matrosen war, während Alan mit anderen beschäftigt gewesen war, durchgerutscht und hatte ihn um die Mitte gefaßt.
Alan stieß mit der linken Hand den Dolch gegen ihn, aber der Kerl hing fest wie ein Blutegel. Ein anderer war eingedrungen und hatte bereits seinen Säbel erhoben. Sie drängten sich in der Türöffnung. Ich hielt uns für verloren, nahm aber meinen Säbel auf und fiel ihnen in die Flanke.
Aber es blieb mir keine Zeit, um zu helfen. Der Ringende fiel endlich doch, Alan sprang zurück, um Abstand zu nehmen, und stürzte sich dann, wie ein Stier brüllend, auf die anderen. Sie wichen vor ihm zurück wie Wasser, drehten sich und liefen und fielen einer gegen den anderen in ihrer Hast. Das Schwert in seiner Hand blitzte wie Quecksilber in dem Durcheinander unserer fliehenden Feinde und auf jedes Aufblitzen folgte der Schrei eines verwundeten Mannes. Ich glaubte noch immer, daß wir verloren wären, als horch! Da waren sie alle fort und Alan trieb sie über das Deck, wie ein Schäferhund Schafe jagt.
Doch kaum war er fort, war er auch schon wieder zurück – denn er war ebenso vorsichtig wie mutig – die Matrosen liefen noch immer weiter und schrien, als ob er hinter ihnen drein wäre. Und wir hörten, wie sie einer über den anderen ins Vorderdeck stürzten und das Gitter oben zuschlugen.
Die Kajüte glich einer Fleischbank. Drei lagen drinnen tot, ein vierter im Todeskampf auf der Schwelle. Und da standen Alan und ich siegreich und unverletzt.
Er kam mit offenen Armen auf mich zu. »Komm an meine Brust!« rief er und umarmte und küßte mich fest auf beide Wangen. »David,« sagte er, »ich liebe dich wie einen Bruder. Und sag', mein Junge,« rief er in einer Art Verzückung, »bin ich nicht ein guter Kämpfer?«
Darauf wendete er sich den vier Feinden zu, durchbohrte jeden einzelnen von ihnen mit dem Schwert und warf sie, einen nach dem anderen, vor die Tür. Während er dies tat, summte und sang und pfiff er immerfort leise vor sich hin, wie einer, der sich eine Melodie ins Gedächtnis zurückrufen will. Nur daß er damit beschäftigt war, eine Melodie zu schaffen. Die ganze Zeit über lag ein Glanz auf seinem Antlitz, und seine Augen leuchteten, wie die eines fünfjährigen Kindes beim Anblick eines neuen Spielzeuges. Dann setzte er sich plötzlich, das Schwert in der Hand, auf den Tisch, die Melodie, an der er die ganze Zeit im Geiste gearbeitet hatte, wurde nun deutlicher und immer deutlicher erkennbar und plötzlich erklang aus seinem Munde mit mächtiger Stimme ein gälisches Lied.
Ich verstand kein Wort von dieser Sprache. Aber infolge der langen Wartezeit, der Anspannung aller unserer Kräfte während des Kampfes und mehr noch, infolge des Grauens, das ich empfand, ob meines eigenen Anteils daran, war ich, kaum daß die Sache vorbei war, froh, zu einem Sitz taumeln zu können. Ich fühlte meine Brust so beengt, daß ich kaum atmen konnte. Der Gedanke an jene beiden Männer, die ich erschossen hatte, lag wie ein Alpdruck auf mir; und ganz plötzlich, ehe ich erraten konnte, was geschehen sollte, fing ich an zu weinen und zu schluchzen wie ein kleines Kind.
Alan klopfte mir auf die Schulter und sagte, ich wäre ein tapferer Bursche und brauche nichts als ein wenig Schlaf.
»Ich übernehme die erste Wache,« sagte er. »Du hast gut an mir gehandelt, David, von Anfang bis zu Ende, und ich möchte dich nicht verlieren, nicht um ganz Appin – nein, nicht um Breadalbane willen.«
Dann machte er mir auf dem Fußboden ein Bett zurecht und übernahm die erste Nachtwache – die Pistole in der Hand und das Schwert auf den Knien – drei Stunden nach des Kapitäns Uhr an der Wand. Dann weckte er mich und ich kam für drei Stunden an die Reihe. Doch noch ehe die um waren, war es bereits heller Tag geworden. Es war ein sehr stiller Morgen mit glatter, leise rollender See, die das Schiff schaukelte und das Blut auf dem Boden der Kajüte hin und her rinnen ließ; ein schwerer Regen trommelte auf das Dach. Während meiner ganzen Wache rührte sich nichts, und dem Schlagen des Steuerruders nach wußte ich, daß sie nicht einmal einen am Steuer hatten. Tatsächlich waren (wie ich nachher erfuhr) so viele von ihnen verwundet oder tot und die übrigen bei so übler Laune, daß Herr Riach und der Kapitän einander abwechseln mußten, wie Alan und ich, sonst wäre das Schiff ans Ufer angefahren, ohne daß es jemand bemerkt hätte. Es war ein Glück, daß es in der Nacht so still geworden war, denn der Wind hatte sich gelegt, sobald der Regen eingesetzt hatte. Aber auch so mußten wir – wie ich aus der großen Menge klagender Möwen, die schreiend und fischend das Schiff umflogen, schloß, recht nahe der Küste einer der Hebriden-Inseln getrieben worden sein. Und als ich schließlich zur Kajütentür hinaus sah, erblickte ich rechts die großen Steinhügel von Skye und ein wenig weiter hinten die merkwürdige Insel Rum.
Kapitel XI
Der Kapitän gibt nach
Wir setzten uns, Alan und ich, gegen sechs Uhr zum Frühstück. Der Boden war mit Glasscherben und ekelhaften Blutlachen bedeckt, was mir allen Hunger raubte. In jeder anderen Beziehung jedoch befanden wir uns nicht nur in einer angenehmen, sondern sogar heiteren Lage. Da wir die Offiziere aus ihrer eigenen Kajüte verjagt hatten, waren wir im Besitze