Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eugenie Marlitt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026841036
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sieht nicht gut aus und hat eine unerträgliche Laune mitgebracht – bei dem impertinenten Ton seiner Stimme empört sich mir jeder Blutstropfen,« sagte die Stiftsdame, nachdem er droben hinter der Tür verschwunden war.

      Die Baronin antwortete nicht. Sie war aufgesprungen, hatte das Kuvert in das Fach zurückgeworfen und die Schranktür geschlossen. Nun lag sie wieder in den Stuhl zurückgelehnt und stieß die Fingerspitzen spielend gegeneinander, als habe sie nicht für einen Augenblick ihre Stellung verändert. »Mit dieser Laune will ich schon fertig werden,« sagte sie anscheinend gleichmütig. »Mir dagegen kocht das Blut, wenn er wie eine Kindsmagd daher kommt und solch einen unausstehlichen Flachskopf mit einer Zärtlichkeit an sich drückt –« »Ich halte das für eine Demonstration – der Kinderlosen gegenüber,« fiel die Stiftsdame ruhig, aber mit Nachdruck ein. Die Frau im Lehnstuhl fuhr in die Höhe – ihr Gesicht sah ganz entstellt aus vor Grimm. Sie hatte augenscheinlich eine Flut leidenschaftlicher Worte auf den Lippen; allein in diesem Augenblick rüttelte Baron Schilling draußen an der Tür des Glashauses. Er hatte jedenfalls Paula der im Garten wartenden Deborah wieder übergeben und wollte nun auf dem kürzesten Wege in das Atelier zurückkehren.

      Die Baronin griff unwillkürlich und erschrocken nach dem konfiszierten Schlüssel in ihrer Tasche; aber schon wurde eine andere direkt aus dem Garten in das Atelier führende Tür von draußen aufgeschlossen.

      »Bist du in das Haus geflogen, Klementine?« fragte Baron Schilling eintretend. »Alle Eingänge, auch den nach oben, mußte ich aufschließen.«

      »Ich habe mir Roberts Schlüssel zu deiner Atelierwohnung geben lassen,« sagte sie nachlässig, aber nicht ohne Verlegenheit. »Ich meinte, während deiner Abwesenheit doch einmal nach der Ordnung sehen zu müssen.«

      Bei dieser erbärmlichen Ausflucht wandte sich Fräulein von Riedt so hastig ab, daß ihr Seidenkleid in jeder Falte rauschte.

      »Du bist sehr gütig. Diesem Ordnungssinn zuliebe hast du deine tiefe Abneigung heroisch bekämpft,« sagte Baron Schilling gelassen. »Nun, da wirst du gefunden haben, daß man den Boden schlecht fegt, denn alte Kuverts liegen umher, und daß die Bedientenseelen sich nicht scheuen, meinen Geheimnissen in den Schränken nachzuspüren – ah, du warst so freundlich, eigenhändig diese verdrießlichen Zeugen einer verabscheuungswürdigen Spionage zu beseitigen?« unterbrach er sich selbst mit einem über Schrank und Fußboden streifenden Spottblick.

      Sie erhob sich schweigend. Es mochte ihr tiefgehen, auf einem ihrer dunklen Wege so kompromittierend ertappt worden zu sein – aber diese Frau hatte offenbar große Übung im Vertuschen, im verleugnenden Hingleiten über Geschehnisse, die ihr eine Blöße gaben. Sie ergriff mit hastigen Händen ihre Schleppe und schüttelte sie ab. »Ach ja, es ist sehr staubig hier – du bist schlecht bedient,« sagte sie. .»Übrigens scheint es, als mokiertest du dich über mein Hiersein – ich werde selbstverständlich nicht wieder kommen, mein Freund. Aber es ist doch ganz gut, daß ich mich für einmal wenigstens überwunden und einen Blick hier hereingeworfen habe ... Das Bild dort – wirst du es in die Welt hinausschicken?« Sie zeigte nach der Staffelei.

      »Gewiß – es geht in der Kürze nach Wien, um ausgestellt zu werden.«

      »Diese Verherrlichung des Ketzertums? ... du hättest wirklich die Stirn, sie als deine Arbeit vor der Welt anzuerkennen?«

      »Soll ich mein eigenes Kind verleugnen?« Er lachte halb verwundert, halb spöttisch auf und trat unwillkürlich der Staffelei näher, als gelte es, profane Blicke von diesem Lieblingskind abzuwehren.

      »Ein ungeratenes!« grollte die Baronin in unbeschreiblicher Erbitterung. »Frage Adelheid –«

      »Wie – eine Kunstkritik aus diesem Munde? Du wirst begreifen, daß ich sie mir ganz entschieden verbitte!« rief er mit vernichtendem Hohn, und sein Auge heftete sich durchbohrend auf die Stiftsdame, die sofort herangerauscht kam. Diese zwei Menschen waren Todfeinde, die sich im Grund ihrer Seele gegenseitig verabscheuten – davon zeugten die Blicke, mit denen sie sich maßen.

      »Bilden Sie sich nicht ein, Baron Schilling, daß ich mich je anstrenge, in die Technik Ihrer Kunst einzudringen – ich fühle mich zu anderem berufen,« sagte sie kalt – es waren die ersten Worte, die sie zu ihm sprach, seit er in das Atelier getreten war. Dieses dröhnende, sonore Frauenorgan klang machtvoll wie eine Predigerstimme an den Wänden hin. »Ich habe für die Korrektheit der Linien und die Schönheit des Kolorits wenig Verständnis; es fesselt mich die bildliche Darstellung im Ausdruck, wie in ihren Motiven überhaupt sehr selten – nur eine verderbliche Tendenz, die der Pinsel zu verewigen sucht, vermag mich zu erregen ... Diese Abtrünnige hier« – sie zeigte auf die Gestalt der greisen Hugenottin – »trägt die Märtyrerglorie –«

      »Mit allem Recht. Oder soll ich dem Glaubensfanatismus einer Stiftsdame zuliebe die Weltgeschichte fälschen?«

      »Als ob das nicht bereits die offenbarste Fälschung sei?« rief sie, den Arm gegen das Gemälde ausstreckend, in ausbrechender Leidenschaftlichkeit. – »In jener heiligen Nacht, die man die Bartholomäusnacht nennt, war jede Hand, die die Waffe auf ein Hugenottenherz richtete, die strafende Hand Gottes selbst –«

      »Bitte, Fräulein von Riedt, – ich dulde nie, daß in dieser meiner stillen Werkstätte der Konfessionshader laut werde.«

      »Und entfesseln Sie ihn denn nicht selbst in geradezu verbrecherischer Weise?!«

      Er lachte hart und verächtlich auf. »Ach ja, in unserer Zeit ist jeder Künstler, jeder Denker ein Verbrecher, sobald er nicht vertuscht, sondern an der Wahrheit festhält und das wahrhaft Gute und Edle will – man beschuldigt ihn der aufdringlichen Tendenz, mag er sie gewollt haben oder nicht ... Aber ich habe bereits erklärt, daß ich mir Ihre kritischen Bemerkungen entschieden verbitte, mein Fräulein! – Wo es Ihnen gelingt, den Fuß hinzusetzen, da wurzelt er auch sofort fest, wie eine verderbliche Schlingpflanze, und das Terrain ist erobert! Auf diese Weise haben Sie sich in meinem Hause eingenistet und einen Frauenwillen unterjocht, der sonst an Starrheit nichts zu wünschen übrig läßt. Von diesem Gebiet habe ich mich zurückgezogen – ich überlasse es Ihnen. Ich mag keinen Besitz, den ich täglich, stündlich immer wieder dem bis zum Wahnwitz gesteigerten Fanatismus abringen muß! Aber hier, um das edle Antlitz meiner Kunst, meiner Heiligen, der unermüdlichen Trost- und Freudenspenderin, sollen wir die Nachteulen und Fledermäuse ganz gewiß nicht flattern –«

      »Arnold!« – Die Baronin stürzte auf ihn zu und ergriff mit beiden Händen den Arm des Sprechenden – es lag eine unbeschreibliche Angst in ihren Zügen. »Widerrufe, Arnold! Du willst nicht sagen, daß du deine Kunst über dein Weib stellst, nein, das willst du nicht sagen!«

      Er stand unbeweglich; nur seine Augen streiften im ersten Moment hastig über die zwei hageren Hände, die seinen Arm umklammerten, als verlange es ihn, sie von sich zu schütteln. »Ich habe gesagt, was wahr ist,« versetzte er kalt. »Ich habe sie erwählt! Sie zeigt und führt uns nach oben,– nie reißt sie mich hinab und zwingt mich, in die verhaßten dunklen Schlupfwinkel zu blicken, als da sind Verstellung, Lug und Trug, Herrschsucht und boshafte Laune in der weiblichen Seele. Nie hat sie sich als treulos erwiesen –«

      »War ich dir nicht treu?« fuhr die Baronin auf.

      »Du pflegst eine Freundschaft gegen meinen Wunsch und Willen, die Unfrieden und Hader in unsere Ehe getragen hat.« Er zeigte auf die Stiftsdame, die mit untergeschlagenen Armen, die Lippen fest geschlossen, und kühne Herausforderung auf der Stirn, unverwandt die Augen auf ihn gerichtet hielt. – »Sie mag es widerlegen, wenn ich dich beschuldige, den Namen deines Mannes fort und fort durch gehässige Anklagen und Mitteilungen verunglimpft zu haben!«

      Die Stiftsdame schwieg – sie war jedenfalls nicht fähig zu lügen. »Sind Sie so fehl- und sündenlos, daß Sie über jeder Anklage zu stehen vermeinen?« fragte sie nach einem augenblicklichen Zögern ausweichend.

      Ein verächtliches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Das sprach die Diplomatin, der gutgeschulte Klostersendbote ... Ich bin nicht fehl- und sündenlos – die Schillings sind gesunde Erdgeborene – und ich kann das Blut meiner Vorfahren nicht verleugnen. Sie waren samt und sonders keine lammfrommen,