Der Herzog gestand sich ein, daß er Solita darüber vernachlässigt hatte.
Er hatte immerhin sofort nach seiner Ankunft in England die Familienanwälte beauftragt, Nachforschungen nach dem Hab und Gut von Charles Gresham anzustellen.
Sie sollten die rechtliche Grundlage dafür schaffen, daß vorhandene Gelder gewinnbringend für das Kind des Gefallenen investiert wurden.
Danach hatte er sich nicht mehr darum gekümmert, wie er jetzt zu seinem Bedauern feststellen mußte, da er davon ausgegangen war, daß Mildred sich mit ihm in Verbindung gesetzt hätte, wenn etwas nicht in Ordnung gewesen wäre.
Während er nun Solitas vorwurfsvollen Blick auf sich spürte, wurde ihm seine Unterlassungssünde erst richtig bewußt, und er konnte nur bedauernd sagen: »Es tut mir leid, Solita. Hoffentlich können Sie mir verzeihen.«
»Du hast versprochen, mich nicht zu vergessen«, verfiel sie unwillkürlich in den vertraulichen Ton von früher.
Er hatte einen Augenblick den Eindruck, mit dem achtjährigen Kind von damals zu sprechen, das ihm einen tränenfeuchten Abschiedskuß gegeben hatte.
»Ich weiß«, sagte er, »und ich bin sehr zerknirscht, aber ich hatte eine Menge zu erledigen und zu bedenken.«
»Wenigstens Weihnachten hättest du mir schreiben können«, sagte Solita, »und Tante Mildred war zutiefst verletzt, weil du ihr nicht eine einzige Karte geschickt hast, seit sie mich bei sich aufgenommen hatte.«
Der Herzog setzte sich neben sie auf das Sofa.
»Wie wär’s, wenn du mir eine Tasse Tee einschenken und wir uns über deine Zukunft unterhalten würden«, machte er einen Vorschlag zur Güte. »Alles Bedauern kann die Versäumnisse der Vergangenheit nicht ungeschehen machen.«
»Das ist wahr«, erwiderte Solita, »aber ich habe dich so lange . . . gehaßt, daß es mir jetzt schwerfällt, etwas anderes für dich zu empfinden.«
Der Herzog lachte bitter.
»Klingt nicht sehr ermutigend«, stellte er fest. »Doch jetzt bist du in England und wirst ein völlig neues Leben beginnen.«
Solita schenkte ihm und sich selbst Tee ein.
»Papa muß mir doch etwas Geld hinterlassen haben«, sagte sie dann. »Wenn nicht, muß ich eben Ballettänzerin werden.«
»Du wirst nichts dergleichen tun!« entgegnete der Herzog energisch. »Als dein Vormund werde ich das mit allen Mitteln zu verhindern wissen!«
»Sagtest du Vormund?« fragte Solita ungläubig.
»Natürlich bin ich das«, entgegnete er. »Deine Mutter hat dich meiner Obhut übergeben, und ich brachte dich bei meiner Verwandten unter. Wenn ich in den vergangenen Jahren meine Pflichten dir gegenüber vernachlässigt habe, dann muß ich das jetzt wiedergutmachen.«
»Ich ... ich will dir nicht zur Last fallen«, sagte Solita peinlich berührt. »Eigentlich wollte ich dich nur bitten, mir das Geld zu geben, das noch von Papas Vermögen übrig ist, und mir dann eine Stellung suchen.«
»Was du zu tun hast«, erklärte der Herzog entschlossen, »ist, Einzug in die Gesellschaft zu halten, die du so sehr verabscheust.«
»Ich will aber nach Indien!«
»Das wird sich später sicher ermöglichen lassen«, erwiderte der Herzog. »Warum bist du nur so erpicht darauf?«
Er rechnete damit, daß sie ihm keine Antwort geben würde, doch da sagte sie: »Ich möchte Papa rächen!«
»Was willst du?«
Er glaubte, sich verhört zu haben.
»Papa rächen! Die Russen haben ihn auf dem Gewissen, und ich werde eines Tages seinen Tod rächen!«
Der Herzog blickte sie fassungslos an.
»Wie, um alles in der Welt, willst du das denn anstellen?« erkundigte er sich.
Solita sah ihn so merkwürdig an, daß er das Gefühl hatte, sie würde ihm ins Herz blicken.
»Du hast Papa geliebt«, sagte sie leise, »und du weißt, was diese Russin ihm angetan hat. . . daß sie es war, die ihn verraten und ihn und seine Männer in den Tod geschickt hat!«
Sie preßte die Lippen zusammen, dann fuhr sie mit harter Stimme fort: »Nur wenn ich sie . . . oder eine Russin, die ihr gleicht. . . getötet habe, werde ich die Gewißheit haben, daß Papa nicht umsonst gestorben ist!«
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