Viva l'Italia. Gerhard Totschinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhard Totschinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Путеводители
Год издания: 0
isbn: 9783902862334
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so gediegen, solid, aktiv, angesehen da wie nie zuvor.

      Diese Gedanken haben in den letzten Jahrzehnten zu einer Bewegung geführt, die das ganze Land erfasst hat. Für Lebensmittelfälscher setzt es empfindliche Strafen, auch der Weinskandal der Achtzigerjahre hatte positive Folgen. Inzwischen gibt es eine Reihe von Institutionen, die mit der Accademia zusammenarbeiten, eine ganz auf Italiens originale Produkte konzentrierte Lebensmittelkette – Eataly, oder die Accademia del Peperoncino.

      Carlo Petrini, ursprünglich Lokalpolitiker in Bra, Piemont, hat mit dem Freundeskreis der »Amici del Barolo« 1986 einen weltweiten Erfolg begründet – die Slowfood-Bewegung. Ihre Aktivitäten richten sich gegen die globalisierte, uniforme Nahrung, nach dem Prinzip des Gründers »Buono, pulito, giusto!«, also »Gut, sauber, gerecht!«

      Sie fördert authentische Küche, die sich an den Regionen und den Jahreszeiten orientiert.

      Zur Erreichung dieses Ziels hat Carlo Petrini mehrere Bücher verfasst, übersetzt in viele Sprachen. Er hat längst prominenteste Unterstützer gefunden – den Nobelpreisträger Dario Fo, den Sänger Fabrizio De André, den Regisseur Ermanno Olmi, er hat sein Buch »Terra madre« verfilmt.

      Mit allen diesen Aktivitäten konnten ihre Initiatoren, ihre Mitkämpfer, tausenden Bauern und anderen Betrieben zu besserem Leben, ja zum Überleben verhelfen, in Italien und in der halben Welt, unter dem Schlagwort »Selbsthilfe«!

      PASSEGGIATA II

      Zu Jahresbeginn habe ich mit Ruggero wieder einmal den Palazzo Querini Stampalia besucht, gleich hinter der Kirche Santa Maria Formosa, von meiner einstigen ersten venezianischen Adresse nur wenige Schritte entfernt. Die Patrizierfamilie Querini, Nebenlinie Stampalia, hat hier residiert bis zu ihrem Ende.

      R: »Und der letzte Giovanni Querini, übrigens von eurem Kaiser Franz in den Grafenstand erhoben, hat bestimmt, dass nach seinem Tod der ganze Palazzo mit dem kompletten Inhalt der Stadt Venedig gehören soll, einer Stiftung. So kann man hier also den Wohnbereich, die Bibliothek, Repräsentationsräume, alles besuchen, mit einer großartigen Sammlung von Kunstwerken.

      G: »Er hat alles der Stadt geschenkt?«

      R: »Ja, alles. Freilich hatte der Graf Verwandte, aber seine engere Familie hatte sich in den langen österreichischen Jahren mit den neuen Herren arrangiert, sich vielleicht sogar gut verstanden, da war wohl eine Differenz. Solche seltenen Sympathisanten, die Austriacanti, waren wenig beliebt. Einmal hat man sogar den Palazzo belagert und die Bewohner bedroht. Da mag dem Grafen der Spaß an den Mitbürgern abhandengekommen sein.«

      G: »Und doch hat er alles diesen Mitbürgern, der Kommune, gestiftet. Wer macht so etwas heutzutage?«

      R: »Aber, das gibt es. Auch hier, gerade in Italien, immer wieder. Riccardo Illy, zum Beispiel.«

      G: »Der Kaffee-Illy?«

      R: »Er hat seiner Stadt Triest jahrelang sein Bürgermeistergehalt geschenkt. Acht Jahre lang war er Bürgermeister, zwei Amtsperioden waren das, eine dritte war nicht erlaubt. Er wurde dann Abgeordneter in Rom, jetzt kümmert er sich wieder vor allem um seine Firma.«

      G: »Du kennst ihn? Oder weißt du das alles aus der Zeitung?«

      R: »Beides. Ich kenne ihn flüchtig, zweimal die Hand gegeben, im Wahlkampf unserer Region, Friuli-Venezia-Giulia, da ist ja merkwürdigerweise Triest die Hauptstadt. Vielleicht besser für Venedig, hier gibt es ohnehin genügend Wirbel. Ja, und er hat auf sein Gehalt verzichtet, weil er seiner Stadt dankbar war und wohl noch immer ist.«

      G: »Was er wohl zu der neuen Regierung sagt?«

      R: »Kann ich dir erzählen. Er war ja ein kämpferischer Berlusconigegner. Man hat ihn sich schon als künftigen Herausforderer vorgestellt. Er glaubt sehr an das neue Italien. Und wenn er sagt, wir Italiener haben schon Schlimmeres überstanden, gebe ich ihm recht, denk an den Zweiten Weltkrieg. Und wir haben so vieles im eigenen Land, das mir, das Riccardo Illy Hoffnung gibt. Alleine die Privatverschuldung – sehr niedrig im Vergleich zu anderen Staaten. Wir haben eine Menge unverwechselbarer Industrieprodukte – Möbel, Alta Moda, Autos, Design. Ja, und es gibt auch eine ganze Reihe von Industriellen, die in dieser finanziellen Situation nach Berlusconi mit weit mehr Abgaben einspringen, als sie müssten, auch sie helfen dem Staat in der Not, sind großzügig wie einst die Querini Stampalia. Rund 17000 Unternehmer haben sich in einer Gruppe organisiert und kaufen Staatsanleihen – unter dem Motto ›Wir bezahlen unsere Schulden selbst.‹ Gehen wir.«

      G: »Augenblick, noch eine Frage. Also, die neue Regierung hat vor allem einen Schuldenberg übernommen?«

      R: »Ja, auch, und andere Folgen. Sie hat die Verschiebung der moralischen Werte, was heißt, sie hat das Ende der moralischen Werte zu besiegen. Was sich da nun fast zwei Jahrzehnte lang getan hat, das hätte man ja nicht für möglich gehalten. Viele, gerade der Jungen, haben gedacht, das sei eben ein moderner Weg zu leben, und wenn man bei der Unwahrheit erwischt wird, behilft man sich mit einer neuen Lüge.«

      G: »Ja, wenn der Regierungschef sich alles erlaubt, mit Geblödel sich über die selbstverständliche Kultur, ja die Zivilisation hinwegsetzt …«

      R: »Aber auch das werden wir in den Griff bekommen und auch diese ganze neu aufgekommene, wieder aufgekommene Korruption. Zum Glück gibt es bei uns auch viel Gutes.«

      G: »Wie die italienische Küche. Die hat mich schon in allen möglichen Weltteilen gerettet, New York, Kapstadt, Edinburgh, das ist ja auch ein Wirtschaftsfaktor, mit allen dazugehörigen Produkten, den hundert Sorten Pasta, den Sugoerzeugern, Bardolino, Pinot grigio, Parmesan, Prosciutto …«

      R: »Hör auf. Appetit habe ich auch so. Jetzt gehen wir zum Abendessen – es mag dich erstaunen – in ein italienisches Restaurant.«

      DIE MÄRKTE

      Märkte gibt es überall, und in vielen Dörfern und Städten sind sie der Stolz der Dörfler und Städter, der Geheimtipp für den Touristen, überhaupt am Mittelmeer! Aber auch der Christkindlmarkt in Nürnberg oder der Fischmarkt an der Elbe in Hamburg, die Markthalle in Budapest oder der Naschmarkt in Wien – das will man kennenlernen, davon kann man dann erzählen.

      Ich trete nun unweigerlich in ein Fettnäpfchen mit großem Durchmesser. Die schönsten Märkte erlebt man in Italien.

      Allein in Rom! Das Angebot in seiner Vielfalt!

      Der wahrscheinlich bekannteste Markt neben dem Campo de’ Fiori, auf den wir später kommen wollen, ist der Markt an der Porta Portese.

      Da findet man so ziemlich alles, aber kaum Lebensmittel. Hier gibt es Haushaltsartikel, Bücher, Kleidung, Gebrauchtes, alles nur Mögliche – und eventuell auch, was der Mensch schon seit Tagen entbehrt. Man kann mit etwas Geschick und gegenseitigem Vertrauen wiederfinden, was man sehnsüchtig gesucht hat, weil es auf die eine oder andere Weise abhandengekommen ist. Vertrauen ist ja überhaupt die Basis der Wirtschaft, also auch hier. Zwei Beispiele:

      Ein deutscher Reisebus macht Station, für einige Tage. Die Insassen, der Chauffeur, beziehen ihr Hotel, und alles ist in Ordnung. Am Tag vor der Abreise will der Reiseleiter sich etwas aus dem Gepäckraum holen – und stellt erstaunt fest, dass der große Bus aufgebockt dasteht und dass ihm sämtliche Reifen fehlen.

      Es handelt sich um einen Reiseleiter mit Erfahrung. So rennt er also nicht kreischend in die Hoteldirektion und ruft die Polizia Comunale, er lehnt sich an die Bar und erzählt, er suche Autoreifen, Busgröße. Ja, meint der Barkeeper, das sei doch kein solches Problem. »Doch«, antwortet der Reiseleiter, denn die betreffende Dimension der Reifen sei eine seltene. Dann zur Porta Portese, rät der Barista. Dort könne man ja tatsächlich alles finden, freilich nur sonntags. Also geht man hin, fragt ein wenig, ob denn nicht irgendjemand gerade solche Reifen habe, wird fündig, erwirbt die Autoreifen um einen zudem recht günstigen Preis, alles ist wieder in Ordnung.

      Zweites Beispiel: Der Bus aus Tirol mit einer großen Blaskapelle, die zu einer Feier nach Rom eingeladen war, hatte keinen Reifenverlust