Er war eine auffallende Erscheinung, obgleich seine Kleidung nicht von der der anderen Männer im Tivoli abwich. An den Füßen trug er Mokassins aus weichgegerbter Elenhaut mit Perlenstickerei in Indianermustern. Seine Hosen zeigten nichts Außergewöhnliches, und sein Rock war aus einer wollenen Decke gemacht. Wollgefütterte Lederhandschuhe mit langen Stulpen hingen nach Yukon-Mode an einem Lederriemen, der ihm um Nacken und Schulter lief. Auf seinem Kopfe saß eine Pelzmütze, deren Ohrenklappen jetzt hochgeschlagen waren, während die Bänder herunterbaumelten. Sein mageres, längliches Gesicht, unter den Backenknochen leicht eingefallen, glich fast dem eines Indianers. Die sonnenverbrannte Haut und die scharfen schwarzen Augen verstärkten diesen Eindruck, obwohl gerade der Bronzeton und die Augen selbst bezeichnend für einen Weißen waren. Er sah älter als dreißig aus, wirkte aber jetzt, als er glattrasiert und faltenlos dastand, fast wie ein Knabe. Wenn man trotzdem den Eindruck hatte, daß er älter war, so hatte man zwar keinen greifbaren Anhalt dafür, aber man wußte, was der Mann durchgemacht und erlebt hatte und worin er anderen Männern so überlegen war – das war es. Er hatte sein Leben unverhüllt und unter ständigem Hochdruck gelebt, und etwas von alledem glühte in seinen Augen, zitterte in seiner Stimme und erschien, sobald er sprach, auf seinen Lippen.
Die waren dünn und pflegten sich nicht über den ebenmäßigen weißen Zähnen zu schließen. Aber ihre Härte wurde durch einen leichten Zug der Mundwinkel nach oben gemildert. Das verlieh ihm etwas Anziehendes, ebenso wie die winzigen Fältchen um die Augenwinkel, die ihn lustig erscheinen ließen. Roheit und Grausamkeit mußten seiner Natur fremd sein. Die Nase war schmal und fein, mit beweglichen Flügeln und von guten Verhältnissen, während die hohe Stirn sehr schmal, dafür aber schön und ebenmäßig geformt war. Besonders indianerhaft wirkte das Haar, das sehr glatt und tiefschwarz und von einem Glanz war, wie nur Gesundheit ihn verleihen kann.
»Heute brennt Burning Daylight lichterloh«, lachte Dan MacDonald, als ein Ausbruch lärmender Lustigkeit vom Tanzboden herüberdrang.
»Ja, das ist ein Kerl, was, Louis?« meinte Olaf Henderson.
»Da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte der Franzosen-Louis. »Der Junge ist echt wie Gold – –«
»Wenn der liebe Gott am letzten großen Siebetage Daylights Seele auswäscht,« unterbrach ihn Mac Donald, »dann muß der liebe Gott tüchtig Schlamm in seinen Kasten schaufeln.«
»Sehr gut«, murmelte Henderson und betrachtete den Spieler mit tiefer Bewunderung.
»Ausgezeichnet«, pflichtete der Franzosen-Louis ihm bei. »Und darauf wollen wir einen genehmigen, was?«
Zweites Kapitel
Gegen zwei Uhr morgens stellten die Tanzenden, die jetzt hungrig geworden waren, den Tanz auf eine halbe Stunde ein. Und in diesem Augenblick schlug Jack Kearns einen Poker vor. Jack Kearns war ein großer Mann mit gutmütigem Gesicht, der, gemeinsam mit Bettles, den verhängnisvollen Versuch gemacht hatte, eine Station an der Quelle des Koyokuk, weit jenseits des Polarkreises, anzulegen. Darauf war er nach Forty Mile und Sixty Mile zurückgekehrt und hatte, um seinen Unternehmungen eine andere Richtung zu geben, eine kleine Sägemühle und einen Flußdampfer in den Staaten bestellt. Erstere wurde jetzt gerade durch Indianer mit Hunden über den Chilkoot-Paß geschafft und sollte im Vorsommer nach der Eisschmelze den Yukon herunterschwimmen. Im Spätsommer, wenn die Beringsee und die Mündung des Yukon eisfrei waren, sollte dann der Dampfer, der in St. Michaels gebaut wurde, bis an die Reling mit Proviant beladen, flußaufwärts fahren.
Jack Kearns schlug also einen Poker vor. Der Franzosen-Louis, Dan MacDonald und Hai Campbell (der einen Goldfund bei Moosehide gemacht hatte) tanzten nicht, weil nicht genug Mädchen da waren, und so gingen sie auf den Vorschlag ein. Sie sahen sich gerade nach einem fünften Mann um, als Burning Daylight mit der Jungfrau am Arm und allen Tanzenden hinter sich aus dem Hinterzimmer kam. Die Pokerspieler riefen ihn, und er trat an ihren Tisch.
»Willst du mitmachen?« fragte Campbell. »Vielleicht hast du Glück?«
»Heute sicher«, antwortete Burning Daylight mit Begeisterung und fühlte im selben Augenblick, wie die Jungfrau warnend seinen Arm drückte. Sie wollte mit ihm tanzen.
»Heute hätte ich sicher Glück, aber ich will lieber tanzen, denn ich möchte euch nicht alles Geld abnehmen.«
Niemand redete ihm zu. Sie nahmen seine Ablehnung als endgültig hin. Die Jungfrau preßte seinen Arm von neuem, damit er den hungrigen Tänzern folgte, aber da wurde er plötzlich anderen Sinnes. Nicht daß er keine Lust zum Tanzen gehabt oder ihr hätte weh tun wollen, aber der wiederholte mahnende Armdruck der Jungfrau reizte seine freie männliche Natur zum Widerstand. Der Wille, sich nichts von einem Weibe vorschreiben zu lassen, gewann die Oberhand in ihm. War er auch ein Liebling der Frauen, so machte er sich doch nicht viel aus ihnen. Sie waren Spielzeug, Tand, eine Erholung in dem großen Spiel des Lebens. Weiber, Whisky und Spiel standen für ihn auf einer Stufe, aber es war seiner Beobachtung nach leichter, mit Trinken und Kartenspielen zu brechen als mit einem Weibe, das einen Mann erst richtig eingefangen hatte.
Sein eigener Sklave sein, das war für seine gesunde Natur selbstverständlich, aber ehe er der Sklave eines andern wurde, war er zu blutiger Rebellion bereit. Die süße Knechtschaft der Liebe war etwas, das er überhaupt nicht verstand. Verliebte Männer waren ihm stets wie Verrückte erschienen, und Verrücktheit zu analysieren, lohnte sich nicht. Kameradschaft zwischen Männern – ja, das war etwas anderes. Die hatte nichts mit Sklaverei zu tun. Sie war eine geschäftliche Vereinbarung, ein Handel zwischen Männern, die einander nicht verfolgten, sondern im Kampf für Leben und Reichtum die Gefahren von Schlittenreisen, von Strömen und Bergen teilten. Männer und Frauen verfolgten sich, und eines mußte sich notgedrungen dem Willen des andern beugen. Kameradschaft war anders. Sich tagelang über sturmumfegte Pässe oder durch Sümpfe, die durch Moskitos verseucht waren, abzuschleppen und doppelt soviel zu tragen wie der Kamerad, das hatte weder etwas mit Unbilligkeit noch mit Zwang zu schaffen. Jeder tat sein Bestes, und nur darauf kam es an. Allerdings: der eine war stärker als der andere, aber so lange jeder nur tat, was er konnte, so lange war es ehrliches Spiel, gegen das es nichts einzuwenden gab.
Aber mit Weibern – nein – Weiber gaben wenig und forderten alles. Weiber besaßen Schürzenbänder und hatten die Neigung, jeden Mann, der sich mit ihnen einließ, damit zu umschlingen. Man brauchte nur an die Jungfrau zu denken. Als er kam, hatte sie beinahe einen Gähnkrampf gehabt, und jetzt war sie vor Freude außer sich, nur weil er tanzen wollte.
Ein Tanz, das wäre ja noch gegangen, aber nun drückte sie auch noch seinen Arm, um ihn vom Pokern abzuhalten. Das waren die verhaßten Schürzenbänder, der erste Zwang von den vielen, die sie gegen ihn ausüben würde, wenn er jetzt nachgäbe. Sie war sicher ein netter Kerl, gesund, stark und hübsch, dazu eine ausgezeichnete Tänzerin, aber sie war nun einmal ein Weib mit der ganzen Neigung des Weibes, den Mann mit ihren Schürzenbändern einzufangen und an Händen und Füßen zu binden, um ihm sein Brandzeichen aufzudrücken. Lieber pokern.
Außerdem mochte er mindestens ebenso gern pokern wie tanzen.
Sein ganzes Ich widersetzte sich diesem Druck auf den Arm, und er sagte:
»Ich hätte übrigens doch nicht übel Lust, mit euch zu spielen.«
Wieder fühlte er den Druck auf seinen Arm. Sie erprobte die Schürzenbänder an ihm. Für den Bruchteil einer Sekunde war er ein Wilder, von aufwallender Furcht und Mordlust beherrscht. In dieser unmeßbar kurzen Zeitspanne war er zu allem fähig; ein