Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henryk Sienkiewicz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026844846
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gehandelt hast, deshalb sage ich Dir, was ich denke.«

      »Schlimmes sagst Du mir, und das kann ich nicht hinunterwürgen.«

      »An Deiner eigenen Bosheit wirst Du dann ersticken, nicht an der meinen.«

      »Aber Christus wird es mir anrechnen, daß die Würde des Ordens mir mehr am Herzen liegt, als Dein Lob.«

      »Er wird richten über uns alle.«

      Hier ward das Gespräch durch den Eintritt des Kastellans und des Gerichtsschreibers unterbrochen. Obwohl alle schon im voraus gewußt hatten, daß das Urteil ungünstig lauten werde, trat dennoch plötzlich eine angstvolle Stille ein. Der Kastellan ließ sich an dem Tische nieder, und nachdem er das Kruzifix in die Hand genommen hatte, befahl er Zbyszko niederzuknieen. Der Gerichtsschreiber begann das in lateinischer Sprache abgefaßte Urteil vorzulesen. Weder Zbyszko noch die anwesenden Ritter verstanden es, aber alle errieten, daß es ein Todesurteil war. Als der Gerichtsschreiber geendigt hatte, schlug sich Zbyszko an die Brust: »Gott sei mir armen Sünder gnädig!« rief er aus.

      Dann erhob er sich und fiel Macko um den Hals. Schweigend küßte dieser die Stirne des Jünglings.

      Am Abend desselben Tages verkündete der Herold unter lautem Trompetenschall an den vier Ecken des Marktplatzes den Rittern, Gästen und Bürgern, daß der edelgeborene Zbyszko aus Bogdaniec von dem Kastellangericht zur Enthauptung verurteilt worden war.

      Doch Macko bat um Aufschub der Exekution, und dies ward ihm um so leichter, als den Verurteilten jener Epoche stets eine gewisse Zeit bewilligt ward, ihre Angelegenheiten zu ordnen, sich mit ihren Familien ins Einvernehmen zu setzen und mit Gott zu versöhnen. Selbst Lichtenstein drang nicht auf rasche Urteilsvollstreckung, weil er sich sagte, nun dem beleidigten Orden Genüge geschehen sei, dürfe er den mächtigen Monarchen nicht reizen, zudem man ihn auch als Vertreter des Bezirkes von Dobrzyn, nicht nur als Teilnehmer an den Tauffeierlichkeiten gesandt hatte. Die Rücksicht auf die Gesundheit der Königin gab indessen vor allem den Ausschlag. Von einer Exekution vor der Entbindung wollte der Bischof Wysz nichts hören, weil er die Unmöglichkeit einsah, etwas Derartiges vor der Herrin zu verheimlichen, und wußte, daß diese dadurch allzu sehr erregt, ja schwer geschädigt werden könne. Auf diese Weise ward des Zbyszko Leben um einige Wochen, vielleicht auch um etwas mehr, verlängert, so daß er seine letzten Anordnungen zu treffen und Abschied von den ihm Befreundeten zu nehmen vermochte.

      Macko besuchte ihn täglich und tröstete ihn, so gut er es verstand. Gar häufig sprachen die beiden voll Betrübnis von dem unvermeidlichen Tode Zbyszkos, und ihre Betrübnis ward noch größer, wenn die Rede darauf kam, daß ihr Geschlecht wohl aussterben werde.

      »Es geht nicht anders, Ihr müßt Euch ein Weib nehmen,« sagte Zbyszko eines Tages.

      »Viel lieber möchte ich unsere Blutsverwandten aus der Ferne herbeirufen,« entgegnete Macko niedergeschlagen. »Wie kann ich jetzt, da man Dir den Hals abschneiden will, an eine Vermählung denken? Und wenn ich mich auch schließlich dazu verstünde, würde ich es doch nicht thun, bevor ich Lichtenstein meine Forderung geschickt und meiner Rache Genüge gethan habe, dessen kannst Du sicher sein.«

      »Gott lohne Euch dafür! So habe ich wenigstens diese Genugthuung! Aber ich wußte, daß Ihr mich nicht verlassen werdet. Wie wollt Ihr gegen ihn vorgehen?«

      »Sobald er nicht mehr Gesandter ist, wird es Krieg oder Frieden bei uns geben – verstehst Du? Falls es zum Kriege kommt, fordere ich ihn noch vor der Schlacht zum Zweikampfe heraus.«

      »Auf festgetretener Erde?«

      »Auf festgetretener Erde, zu Pferde oder zu Fuß. Um Leben oder Tod, nicht um Gefangenschaft wird es sich da handeln. Kommt es aber nicht zum Kriege, dann reite ich nach Marienburg, schlage die Burgthore mit der Lanze ein, und lasse den Trompeter durch Trompetenschall verkünden, daß ich Lichtenstein zum Kampfe auf Leben und Tod fordere. Da kann er sich nicht verstecken.«

      »Das ist sicher, daß er sich dann nicht verstecken kann. Und Ihr werdet ihm etwas zu raten aufgeben. Wie gerne möchte ich dabei sein!«

      »Ihm etwas zu raten aufgeben? Ja! Zawisza gegenüber würde ich es nicht wagen, Paszko und Powala gegenüber ebenso wenig, aber ohne mich selbst zu loben, mit zweien wie der, nehme ich es vollständig auf. Mag des Kreuzritters Mutter sich vorsehen! Ist jener Friesenritter vielleicht nicht stärker gewesen? Und habe ich ihm nicht den Helm von oben bis unten durchhauen, bis das Beil stecken blieb? In seinem Kiefer blieb es stecken – oder ist es nicht so gewesen?«

      Zbyszko atmete erleichtert auf und sagte: »So wird der Tod mir leichter werden.«

      Und beide seufzten tief. Mit zitternder Stimme hub dann der alte Edelmann wieder an: »Härme Dich nicht zu sehr. Fürs jüngste Gericht wird man Deine Knochen nicht zusammenlesen müssen. Einen Sarg aus Eichenholz habe ich Dir machen lassen. Nein, wie ein Bauer oder wie ein Neugeadelter wirst Du nicht zu Grunde gehen. Und in einem Rocke wie ihn die Bürger tragen, sollst Du nicht enthauptet werden. Das gebe ich nicht zu. Mit Amylej habe ich schon verabredet, daß Du einen ganz neuen und so kostbaren Rock haben sollst, daß er sogar dem König als Pelzfutter genügen würde. Und auf eine Messe für Dich soll es mir auch nicht ankommen. Nein, fürchte nichts.«

      Darob freute sich Zbyszko und sich auf die Hand seines Oheims herabneigend, sagte er abermals: »Möge Euch Gott dafür lohnen.«

      Trotz dieses tröstlichen Zuspruches überkam ihn aber zuweilen eine schmerzliche Sehnsucht, und als Macko ihn wieder besuchte, fragte er sogleich, ohne sich und ihm Zeit zur Begrüßung zu lassen, während er durch das Gitterfenster in der Mauer blickte: »Und wie ist es draußen im Freien?«

      »Golden leuchtet die Sonne und erwärmt so, daß die ganze Welt darüber erfreut ist.« Daraufhin hob Zbyszko beide Arme empor, und den Kopf zurückwerfend rief er: »Ach, allmächtiger Gott! Nun ein Pferd unter mir zu haben und über die weiten Felder reiten zu können! Weh thut es doch, wenn man so jung zu Grunde gehen muß. Furchtbar weh!«

      »Wie oft gehen die Leute samt ihren Pferden zu Grunde,« entgegnete Macko.

      »Ja, wenn sie selbst schon viele umgebracht haben.«

      Nun fragte er nach den Rittern, welche er am Hofe des Königs gesehen hatte, nach Zawisza, nach Farnrej, nach Powala aus Taczew, nach Lis aus Targowisko und nach allen andern. Er wollte wissen, wie sie sich die Zeit vertrieben, mit welchen Waffenspielen sie sich beschäftigten. Dann hörte er aufmerksam den Bericht Mackos an, welcher erzählte, wie sie sich schon in der Frühe in voller Rüstung zu Pferde setzten, wie sie Stricke zerrissen, wie sie sich mit dem Messer, mit dem Beile und mit Bleigeschossen übten und schließlich auch, welche Schmausereien sie veranstalteten, welche Gesänge sie sangen.

      Mit ganzer Seele und ganzem Herzen wünschte nun Zbyszko, an all dem teilnehmen zu können, und als er erfahren hatte, daß Zawisza sich gleich nach der Taufe hinunter ins Ungarland und zu den Türken aufmachen wolle, rief er unwillkürlich aus: »Daß ich doch mit ihm mein Glück versuchen dürfte! Ginge ich dann zu Grunde, so wäre es wenigstens im Kampfe gegen die Heiden.«

      Doch des Gefangenen Wünsche konnten nicht erfüllt werden und mittlerweile traten neue Ereignisse ein. Von Zbyszkos Jugend und Schönheit gerührt, hatten die beiden masovischen Fürstinnen dessen traurige Lage nicht vergessen. Endlich beschloß die Fürstin Alexandra Giemowitow einen Brief mit einer Fürbitte an den Großmeister zu schicken. Zwar konnte dieser das vom Kastellan gesprochene Urteil nicht umstoßen, aber er konnte sich wenigstens selbst beim König für den Jüngling verwenden. Und selbst wenn Jagiello nicht Gnade für Recht ergehen ließ, weil es sich um einen Angriff auf den Gesandten handelte, war es gleichwohl nicht zu bezweifeln, daß die Vermittlung des Meisters ihm lieb sein werde. So zog denn neue Hoffnung in das Herz der beiden Frauen ein. Die Fürstin Alexandra, welche eine Vorliebe für die verfeinerten Ordensritter hatte, ward von diesen ungewöhnlich geschätzt. Aus Marienburg kamen häufig reiche Gaben und Briefe an sie, worin sie der Meister eine verehrungswürdige, gottselige Wohlthäterin und vortreffliche Fürsprecherin des Ordens nannte. Ihr Wort galt viel, und es war große Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß sie keine abschlägige Antwort erhalten werde. Es handelte sich nur darum, den geeigneten Boten zu finden.