Darauf entgegnete Macko: »Er würde mein Opfer nicht annehmen. Könnte ich aber meine Absicht ohne sein Wissen durchsetzen, dann würde er mich rächen, wie auch ich ihn rächen will.«
»Sucht auf den Kreuzritter einzuwirken, damit er die Klage fallen läßt,« bemerkte der Herr aus Teczyn.
»Ich bin schon bei ihm gewesen.«
»Nun,« fragte der König, sich neugierig vorbeugend, »was sagte er?«
»Er sagte mir folgendes: ›Auf der Landstraße von Tyniec hättet Ihr mich um Verzeihung bitten sollen, aber damals habt Ihr nicht gewollt, und jetzt will ich nicht‹.«
»Und weshalb thatet Ihr es nicht?«
»Weil er uns gebot, vom Pferde zu steigen und auf den Knien um Vergebung zu bitten.«
Der König strich seine Haare hinter die Ohren und wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblicke trat ein Hofkavalier mit der Meldung ein, daß der Ritter von Lichtenstein um Gehör bitte.
Als er dies hörte, schaute Jagiello zuerst auf Jasko aus Teczyn, dann auf Macko, befahl ihnen jedoch zu bleiben, wohl in der Hoffnung, daß es ihm bei dieser Gelegenheit gelingen werde, die Angelegenheit durch sein königliches Ansehen gütlich beizulegen.
Mittlerweile trat der Kreuzritter ein, verneigte sich vor dem König und sprach: »Allergnädigster Herr! Hier ist die Anklageschrift über die Beschimpfung, welche mir in Eurem Reiche zugefügt ward.«
»Vor dem Kastellan mögt Ihr offen Klage führen,« erwiderte der König, auf Jasko aus Teczyn zeigend.
Der Kreuzritter aber erwiderte, indem er dem König gerade ins Gesicht blickte: »Ich kenne weder Euere Gesetze noch Euere Gerichtsbarkeit, das eine weiß ich aber, daß der Abgesandte des Ordens nur vor dem König selbst Klage führen darf.«
Die kleinen Augen Jagiellos funkelten. Voll Ungeduld ergriff er die Klageschrift und übergab sie Jasko aus Teczyn. Dieser entfaltete sie und begann zu lesen, aber je länger er las, desto kummervoller und trauriger ward sein Gesicht.
»Herr,« sagte er schließlich: »Ihr setzt diesem Jüngling derart zu, wie wenn er Euerm ganzen Orden gefährlich wäre. Ihr Kreuzritter fürchtet Euch wohl gar schon vor den Kindern?«
»Wir Kreuzritter fürchten niemand,« entgegnete der Komtur hochmütig.
Da fügte der alte Kastellan leise hinzu: »Selbst Gott nicht!«
Powala aus Taczew versuchte am nächsten Tage vor dem Kastellangericht alles, was in seiner Macht stand, um die Schuld Zbyszkos zu mildern. Aber vergebens schützte er dessen Jugend und Unerfahrenheit vor, vergebens behauptete er, sogar ein reifer Mann, welcher das Gelübde gethan, seiner Herrin drei Pfauenbüsche zu Füßen zu legen und Gott um Beistand angefleht hatte, würde es als göttliche Fügung ansehen, wenn er plötzlich eine solche Helmzier erblicke. Die eine Thatsache konnte der edle Ritter jedoch nicht leugnen, daß ohne sein Dazwischentreten Zbyszkos Lanze die Brust des Kreuzritters unfehlbar getroffen hätte. Auf Kunos Geheiß war nämlich der Panzer vorgezeigt worden, den er an jenem Tage getragen, und es zeigte sich, daß er aus dünnem, schmiegsamem Eisenblech war, sonst nur bei festlichen Gelegenheiten benutzt wurde, und daß Zbyszko in Anbetracht seiner außerordentlichen Kraft ihn durchbohrt und den Gesandten ums Leben gebracht hätte, wenn er nicht daran verhindert worden wäre. Darüber befragt, ob er die Absicht gehabt, den Kreuzritter zu töten, leugnete Zbyszko dies nicht.
»Ich rief ihm von weitem zu,« sagte er, »er möge die Lanze vorhalten, denn selbstverständlich hätte er sich nicht lebend den Helm vom Kopfe reißen lassen, und hätte er mir von weitem zugerufen, daß er Gesandter ist, wäre er unbehelligt geblieben.«
Diese Worte gefielen den Rittern, welche sich aus Mitgefühl für den Jüngling zahlreich versammelt hatten.
»Das ist wahr!« sagten viele, »weshalb hat er nicht gerufen?«
Aber das Antlitz des Kastellans blieb düster und ernst. Nachdem er den Anwesenden Schweigen geboten hatte, verstummte er selbst einen Augenblick, dann heftete er die durchdringenden Augen auf Zbyszko und fragte: »Vielleicht schwörst Du beim Kruzifix, daß Du den Mantel und das Kreuz nicht sahst?«
»Durchaus nicht,« antwortete Zbyszko, »hätte ich das Kreuz nicht gesehen, so würde ich gedacht haben, es sei einer unserer Ritter, und einen der Unserigen hätte ich ja nicht angegriffen.«
»Und wie könnte sich ein anderer Kreuzritter in der Nähe Krakaus aufhalten, wenn er nicht Gesandter oder im gesandtschaftlichen Gefolge wäre?«
Darauf schwieg Zbyszko, weil er nichts zu sagen wußte. Für alle war es nur allzu klar, daß ohne das Dazwischentreten des Herrn von Taczew jetzt vor dem Richter statt des Panzers des Gesandten zur ewigen Schmach des polnischen Volkes der Gesandte selbst mit durchbohrter Brust läge. Sogar die, welche Zbyszko von ganzem Herzen zugethan waren, begriffen daher, daß der Urteilsspruch nicht günstig für ihn lauten könne. In der That sagte denn auch der Kastellan nach kurzem Schweigen: »Dieweil Du in jugendlichem Ungestüm nicht erwogen hast, wen Du angreifst und es sonder Arglist thatest, wird unser Erlöser dies erwägen und Dir verzeihen, aber empfiehl Dich der heiligen Jungfrau, Unglücklicher, denn vor dem Gesetze bist Du schuldig.«
Als Zbyszko diese Worte vernahm, erbleichte er, obgleich er Aehnliches erwartet hatte, aber gleich darauf schob er seine langen Haare zurück, bekreuzte sich und sagte: »Der Wille Gottes geschehe! Wenn ich auch Schweres zu tragen habe!«
Hierauf wendete er sich zu Macko und zeigte mit den Augen auf Lichtenstein, als ob er ihn an etwas mahnen wolle, und Macko nickte mit dem Kopfe zum Zeichen, daß er ihn verstehe. Auch Lichtenstein verstand diesen Blick und diese Bewegung, und trotzdem er ein ebenso mutiges wie rachsüchtiges Herz hatte, überlief ihn doch während eines kurzen Augenblicks ein Schauder vom Kopf bis zu den Füßen, so furchtbar und Unheil verkündend sah das Antlitz des alten Kriegers in diesem Moment aus. Der Kreuzritter sah ein, daß es sich nun zwischen ihm und diesem Ritter um Leben und Tod handle, er sah ein, daß er ihm nicht entrinnen könne, daß sie miteinander kämpfen mußten, sobald er nicht mehr Gesandter war, und wenn es auch in Marienburg sein sollte.
Mittlerweile begab sich der Kastellan in das anstoßende Zimmer, um dem in der Schrift geübten Gerichtsschreiber den Urteilsspruch über Zbyszko zu diktieren.
Manche von den Rittern näherten sich unterdessen dem Kreuzritter mit den Worten: »So mag das jüngste Gericht dem Verurteilten gnädig sein.«
Aber Lichtenstein kümmerte sich nur um Zawisza, weil dieser wegen seiner Kriegsthaten, wegen seiner Kenntnisse der Rittergesetze und wegen der Strenge, womit er diese aufrecht zu erhalten suchte, in der ganzen Welt bekannt war. In Betreff der verwickeltsten Angelegenheiten, bei denen es sich um die Ritterehre handelte, kam man aus fernen Gegenden zu ihm, und niemand wagte, sich ihm zu widersetzen, nicht allein darum, weil ein Zweikampf mit ihm ein Ding der Unmöglichkeit war, sondern auch darum, weil er als »Spiegel der Ehre« betrachtet ward. Ein Wort des Lobes oder des Tadels aus seinem Munde verbreitete sich rasch unter den polnischen, ungarischen, böhmischen und deutschen Rittern und genügte, um den guten oder schlechten Ruf eines Ritters zu begründen.
Ihm nun näherte sich Lichtenstein, und wie wenn er sich wegen seiner Rachsucht rechtfertigen wolle, sagte er: »Allein nur der Großmeister samt dem Kapitel könnte ihm Gnade erweisen – ich aber vermag dies nicht.«
»Wo unsere Gesetze Kraft haben, steht Euerem Meister keine Macht zu, einzig nur unser König kann den Schuldigen begnadigen,« erwiderte Zawisza.
»Als Gesandter mußte ich die Strafe beantragen.«
»Wurdest Du nicht zuerst Ritter und dann erst Gesandter, Lichtenstein?«
»Willst Du damit sagen, daß ich nicht ehrenhaft gehandelt habe?«
»Du kennst unsere Rittergesetze und weißt, daß sie dem Ritter gebieten zwei Tieren nachzuahmen: dem Löwen und dem Lamm. Welchem von diesen Tieren hast aber