»Gute Nacht!« sprach der Seeräuber gähnend. »An Euch ist ein Methodistenprediger verdorben.«
Er wandte sich dem Councilwigwam zu, seiner Wohnung während seines jedesmaligen Aufenthaltes im Dörfchen der Indianer.
Tokeah kehrte kopfschüttelnd in seine Hütte zurück. Kein Nachtgesang hellte die trübe Stimmung des gepeinigten Greises auf, und nur das grelle Pfeifen der Wache, die vor der Wohnung des Seeräubers und am Ufer sich alle zwei Stunden hören ließ, deutete auf das Dasein lebender Wesen im Wigwam.
Fünfzehntes Kapitel
»Kapitän! Es ist eine ungewöhnliche Bewegung im Dorfe«; rapportierte der Leutnant, der die Türe des Councilwigwams geöffnet hatte und vor das Lager des Seeräubers getreten war.
»Wieso?«
»Die Wilden rennen und springen, als wenn ein Schock Teufel in sie hineingefahren wäre. Sie tragen Bündel, Lebensmittel und Waffen; alles ist auf den Beinen.«
Der Seeräuber erhob sich von seinem Lager und warf sich in seinen Rock.
»Suchen Sie das Nähere herauszufinden. Ich gehe unterdessen zum Alten. Sollten Sie etwas Verdächtiges spüren, so wissen Sie, was zu tun ist.«
»Wohl, Kapitän.«
»Kaum sollte ich jedoch denken,« sprach der Seeräuber halb zu sich selbst – »er hat mir noch gestern vor dem Schlafengehen eine Predigt gehalten, die mir zum wenigsten beweist, daß ihm mein Seelenheil am Herzen liegt.«
»Aber, Kapitän, dürfte ich unmaßgeblichst –«
»Was haben Sie, Leutnant? heraus damit!«
»Wir haben noch ein ziemliches Streckchen vor uns bis wir zu – gelangen.«
»Ich weiß es.«
»Diese Verzögerung«; bemerkte der Leutnant schüchtern.
»Hat seine guten Ursachen.«
»Wohl, Kapitän.« –
Der Leutnant verbeugte sich und schritt wieder dem Ufer zu; der Kapitän war nachdenklich auf die Wohnung des Miko zu gegangen. Er fand diesen vor seiner Hütte, seinen Blick starr auf den Fluß gerichtet. Als er den Seeräuber sah, schien er in etwas seine Fassung zu verlieren. Die Begrüßung erwiderte er herzlicher, als es bei seiner Ankunft geschehen war. Aber der alte Mann schien unruhig, rastlos zu sein und es immer mehr zu werden, was seltsam gegen seinen sonstigen unerschütterlichen Gleichmut und seine Starrheit abstach. Er war mit dem Seeräuber in die Hütte getreten; beide hatten sich gesetzt; doch nicht lange, so eilte er wieder zur Türe und, als ob er sich erinnerte, setzte er sich wieder. – Plötzlich erhob er sich, trat vor die Türe, streckte seinen Hals und schien zu horchen. – Auf einmal ertönte das Dorf von einem langen, fröhlichen Ausrufe, der wie ein Lauffeuer von Hütte zu Hütte ging, zuletzt in einem wilden Chorus endigte, in dem Männer, Weiber, Mädchen, Junge und Kinder ihre gellend durchdringenden Stimmen vereinigten. Der Miko war dem Councilwigwam schnell zugeschritten. Das ganze Dorf war in Aufruhr. Hinter jeder Hecke, aus jedem Gebüsche, jeder Hütte stürzten Männer, Weiber und Kinder wie rasend auf das Councilhaus zu; selbst die Anwesenheit des Miko schien sie nicht in Schranken zu halten. Auf dem jenseitigen Ufer des Natchez hielten ungefähr dreißig Indianer, alle zu Pferde. Mehrere suchten nach einer Furt im Flusse; ungeduldig des Zögerns, stürzte sich ein junger Mann mit seinem Rosse ins Wasser und alle dreißig folgten ihm, so wie sie in Reihe und Glied sich an ihn angeschlossen hatten.
Die Breite des Flusses, gegenüber dem Wigwam, war etwa fünfhundert Fuß, und die Tiefe beträchtlich. Doch die rüstigen Reiter schienen in ihrem Elemente zu sein, und kaum daß sie aus ihren Gliedern brachen, schwammen sie auf ihren Pferden herüber.
Der Seeräuber war hastig ans Ufer geschritten, seine Zähne knirschten, und in seiner Miene war gräßliche Wut zu lesen. – »Zehn gute Stutzen nur!« murmelte er dem Leutnant zu.
»Vergebung, Kapitän! das sind keine Oconees; das sind Cumanchees; die haben den Teufel im Leib. Ich kenne sie aus meinen mexikanischen Feldzügen.«
Die kleine Schar hatte die Bucht nun erreicht, wo die Kanus auf Wattapseilen hingen. Mit einem Schwunge wandten sich die Indianer auf ihren Pferden, und dann sprangen sie beinahe zugleich von dem Rücken ihrer Tiere auf das Ufer, zogen diese nach und schwangen sich wieder auf, mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, die beinahe im Zweifel ließ, ob die Fabel der Zentauren nicht verwirklicht war.
Der Vorderste war bis auf einige Schritte an die Oconees herangekommen, die, ihren Miko an der Spitze, vor dem Councilhause warteten, als der Kreis sich öffnete, und dieser hervortrat, die flache Hand weit ausstreckend.
»Der große Häuptling der mächtigen Cumanchees und der Pawnees des Toyaskstammes«, sprach er feierlich, »ist willkommen!«
Der junge Indianer, an den die Worte gerichtet waren, hielt und hörte die Begrüßung mit Aufmerksamkeit an, indem er zugleich ehrerbietig sein Haupt neigte. Als der alte Mann gesprochen hatte, sprang er von seinem Rosse und schritt, seine flache Rechte ausgestreckt, auf den alten Mann zu. Als er diesem ganz nahe gekommen, verbeugte er sich noch einmal, ergriff seine Hand und legte sie auf sein Haupt.
Die gegenseitige Begrüßung war nicht ohne Würde und hatte noch ein besonderes Interesse durch den Kontrast, der sich hier so auffallend zeigte. Nichts konnte wirklich einen stärkern Gegensatz mit dem vertrockneten, hagern Miko bilden, der, einem verwitterten Riesenstamme gleich, starr, schweigsam und melancholisch dastand, und dem offenen, männlich würdevollen und doch wieder so sanften, jungen Häuptling der Cumanchees. Sein ovales Haupt war mit einem malerischen Hauptschmucke von Federn und Fellwerken bedeckt; seine gewölbte Stirn und sein blühendes Angesicht von leichter Kupferfarbe schienen die wilde Kriegsfarbe seiner Gefährten zu verschmähen; seine ausdrucksvollen, glühend schwarzen Augen mit der edeln Römernase waren im schönsten Einklange mit seiner