Indischer Liebeszauber. Barbara Cartland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9781788670128
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sie vorgebracht, »und ich habe nichts anzuziehen. In den Sachen, die ich habe, werde ich es nicht aushalten.«

      »Das bißchen Geld, das dein kurzsichtiger Vater dir nach seinem Tod hinterließ, soll als Sicherung deiner Zukunft dienen«, lautete die Antwort ihres Onkels. »Ich werde nicht ewig leben und habe auch nicht die Absicht, dir etwas von meinem sauer verdienten Geld zu vermachen.«

      Er musterte sie verächtlich.

      »Du wirst auf eigenen Füßen stehen müssen, falls sich niemand findet, der dich heiratet... was ich für sehr wahrscheinlich halte. Was ich auf der Bank für dich angelegt habe, wird dich zumindest vor dem Hungertod bewahren.«

      Das alles hatte Sita schon oft zu hören bekommen, doch es schmerzte sie jedes Mal aufs neue, daß ihr Onkel von ihrem Vater mit so großer Geringschätzung sprach, als habe dieser es absichtlich versäumt, ein Vermögen anzuhäufen.

      Ihr Vater hatte kurz nach seiner Heirat seinen Abschied von der Armee genommen, weil er sich ein Leben als Offizier nicht mehr leisten konnte, und war nach England zurückgekehrt, um das kleine Landgut, das ihrer Mutter gehörte, zu bewirtschaften.

      Daß sich seine Bemühungen als Fehlschlag erwiesen hatten, war nicht seine Schuld.

      Es fehlte ihm an Startkapital und an Erfahrung, und der seit Jahren brachgelegene Boden hatte keine Erträge geliefert.

      Dennoch waren sie in dem kleinen Gutshaus unweit des Dörfchens, in dem man ihrem Vater achtungsvoll als Gutsherr begegnete, sehr glücklich gewesen. Da Raymond Arran seine Frau über alles liebte, dachte er nur selten an sein Regiment und die Freunde, die er in Indien zurückgelassen hatte.

      Trotz der ständigen Geldknappheit hatte er es verstanden, sein Leben zu genießen. Er hatte an den örtlichen Querfeldeinrennen teilgenommen und günstig erworbene Pferde zugeritten, mit denen er und seine Frau dann an den Jagden im Winter teilnahmen. Gelegentlich fuhren sie nach London und leisteten sich für zwei Wochen ein großzügiges und ausgelassenes Leben, so als drückten sie keinerlei Geldsorgen. Nach ihrer Rückkehr versuchten sie stets durch Sparsamkeit ihre Ausgaben wieder hereinzubringen.

      Das kleine Gutshaus war von Heiterkeit und Liebe erfüllt gewesen, doch erst als Sita das in einem Londoner Vorort gelegene gruftartige Haus ihres Onkels kennenlernte, wußte sie, was sie verloren hatte.

      Allmählich gelangte Sita zu der Auffassung, ihr Onkel behandele alle Menschen wie Verbrecher, weil er in Indien jahrelang das Richteramt ausgeübt hatte. Seine Haltung ihr gegenüber ließ sich beim besten Willen nicht anders erklären.

      Darüber hinaus war er ein Frauenhasser, der in seiner Nähe kein weibliches Wesen dulden wollte.

      Erst als er entdeckte, daß er sich Sitas Intelligenz zunutze machen konnte, ließ er sich dazu herab, bei Tisch zuweilen das Wort an sie zu richten. Schließlich verlangte er, daß sie für ihn arbeitete, doch jeder Fehler, der ihr unterlief, brachte ihn zur Raserei. Erst hatte er sie nur angebrüllt, dann heftig geschüttelt und am Ende geschlagen.

      Da ihre Eltern nicht ein einziges Mal die Hand gegen sie erhoben hatten, konnte Sita es zunächst kaum fassen. Allmählich wurde ihr klar, daß seine Wut sich nicht allein gegen sie richtete, sondern gegen sein eigenes Schicksal. Er war wütend und frustriert, weil sein Alter ihn daran hinderte, ein Leben zu führen wie in Indien, wo er ein hohes Ansehen genossen hatte.

      Weil er zwanzig Jahre lang in Indien gelebt hatte, besaß er in England nur wenige Freunde, und die, die er hatte, fanden ihn furchtbar langweilig.

      So kam es nicht von ungefähr, daß Sir Harvey Arran, der sich einsam und ausgestoßen fühlte, Haß auf sein Leben entwickelte und diesen Haß an einem wehrlosen Opfer abreagierte. Und dieses Opfer war Sita, die unter seinem Zorn verging wie eine Blume ohne Sonne.

      Als der Brief eintraf, in dem Sir Harvey gebeten wurde, nach Hyderabad, dem Ort seines früheren Wirkens, zu kommen und den Nizam in einer sehr komplizierten rechtlichen Angelegenheit zu beraten, war er hocherfreut.

      »Ich wußte ja, daß man ohne mich nicht auskommt«, sagte er. »Ich wußte, daß man mich wieder brauchen wird. In der gesamten Provinz gibt es niemanden, der über meinen Verstand oder meine juristischen Kenntnisse verfügt.«

      Zwei Tage lang wirkte er verjüngt und beinahe menschlich. Er wählte die Bücher aus, die er mitzunehmen gedachte, und seine Diener machten sich daran, die Tropenkleidung hervorzuholen, die seit seiner Rückkehr sorgsam verstaut gewesen war.

      Irgendwann fragte Sita voller Nervosität: »Soll ich hierbleiben, Onkel Harvey . . . während du in Indien bist?«

      Ihr Onkel starrte sie an, als fiele ihm erst jetzt ihre Existenz wieder ein.

      »Natürlich . . . wohin solltest du wohl gehen?«

      Dann dachte er daran, daß sie ihm bei seinem Buch half und seit einem Jahr seine Korrespondenz erledigte. Es war nützlicher und einfacher, Sita mitzunehmen, als mit einer Fremden von vorne zu beginnen.

      »Nein, du kommst mit! So kannst du dir weiterhin etwas verdienen und mich für die Unkosten entschädigen, die du mir Tag für Tag bescherst«, knurrte er also.

      Da sie gehofft hatte, wenigstens für eine Zeitlang seiner ständigen Nörgelei und seinen Schlägen zu entgehen, wurde sie von Verzweiflung erfaßt.

      Zwar hatte sie zuweilen den Wunsch verspürt, Indien kennenzulernen, da ihr Vater dieses Land in glühenden Farben geschildert hatte. Ihre Eltern hatten sich dort kennengelernt, als ihre Mutter einen Onkel besuchte, der Gouverneur der Nordwestprovinz war. Doch Sita wußte, daß jede Reise mit ihrem Onkel einer Reise in die Hölle gleichkäme, und da sie einen optimistischen Augenblick lang gehofft hatte, sie würde allein in England bleiben dürfen, traf die Enttäuschung sie wie ein körperlicher Schmerz.

      Es war ein Schmerz, der mit jedem Tag heftiger wurde, denn auch seine Schläge fielen heftiger aus, weil ihn die bevorstehende Reise in Nervosität versetzte und er bei jedem ihrer Fehler bei der Korrespondenz oder beim Abschreiben seines Buches in Raserei verfiel.

      Während der Reise wurde es noch schlimmer.

      Ihr Onkel hatte sie in einer der billigsten Kabinen der Ersten Klasse untergebracht, wie sie feststellen mußte, als sie an Bord gingen. Die Kabine, die nicht größer war als ein Einbauschrank und für den Diener oder die Zofe eines Erste-Klasse-Passagiers gedacht war, lag innen und hatte kein Fenster. Beim Betreten hatte Sita unweigerlich das Gefühl, eine Gruft zu betreten.

      Die Beleuchtung war höchst unzulänglich, da Sita aber keinesfalls in der Kabine ihres Onkels arbeiten wollte war sie gezwungen, bei diesem elenden Licht zu schreiben, das ihr Augenschmerzen bereitete. Mochte sie auch bis spät in die Nacht arbeiten, nie war ihr Onkel am nächsten morgen mit dem erledigten Pensum zufrieden.

      »Weißt du, was du mich auf dieser Reise kostest?« herrschte er sie an. »Wenn wir nach Indien kommen, muß das Manuskript fertig sein. Wenn nicht, so wirst du es bereuen!«

      »Onkel Harvey ... ich kann nicht mehr«, gab Sita kläglich zurück.

      Er hatte sie ins Gesicht geschlagen, so fest, daß sie beinahe umfiel. Dann hatte er sie angebrüllt: »Wenn du nicht arbeiten willst, dann werde ich dich prügeln, bis du dich eines Besseren besinnst! Ich habe dich aus einem einzigen Grund mitgenommen, aber ebensogut könnte ich dich über Bord werfen, so wenig nützlich bist du mir!«

      Diese Worte hatten Sita auf die zynische Idee gebracht, wie sie ihrem Onkel weiteren Ärger ersparen konnte.

      Die ganze Nacht überlegte sie hin und her, doch als Sir Harvey sich am nächsten Tag noch unnachgiebiger und gewalttätiger zeigte als sonst, hatte für sie festgestanden, daß sie dieses Leben nicht länger ertragen wollte.

      Vom Oberdeck aus hatte sie gesehen, daß sich die Passagiere, die im Freien schliefen, in eine Decke hüllten oder ihr formloses Gewand überzogen. Sie hatte sofort gewußt, daß dies für sie die ideale Verkleidung war, um sich eine geeignete Stelle zu suchen, von wo aus sie ins Wasser springen konnte.

      Es war unwahrscheinlich, daß man mitten in der Nacht das Kielwasser beobachten