»Ich setze aber den Fall,« fuhr jener fort, »Ihr hättet die Jungfrau glücklich entführt, wohin dann mit ihr?«
»Ein Fall, Herr, ist nicht aller Welt Fall. Wenn ich die arme Waise gesehen, und, zum Beispiel, sie mir und ich ihr gefallen haben würde, glaubet Ihr nicht, es wären doch wunderliche Fälle möglich gewesen? Ich hätte auch denken können, wer den Wurf hat, muß ihn nicht aus der Hand lassen, und Haben ist besser denn Hoffen. Ihr sollt wissen, ich bin noch ledigen Standes, der Junker aber hat seinen Teil und der Dechant hat's gehabt. Nun, Ihr versteht mich; Gelehrten ist gut predigen, ehrwürdiger Herr Pater. Ja, Eure kalten Braten und Pasteten sind vortrefflicher Art. Stoßen wir mit den Bechern an, Herr Pater; Silber klappt zwar; klinget doch feiner als Glas. Michaeliwein! Herrenwein!«
»Ihr irret, Meister, ich bin kein Geistlicher, sondern nur ein Laie.«
»Eins oder das andere, Hammer oder Amboß. Also stoßen wir an, Herr . . . ungenannt, unbekannt . . . Eure Paten wohnten doch auch in der Christenheit?«
»Nennt mich, wie Ihr wollt. Ich heiße Don Nardo oder nach meinem Gute Groenkerkenbusch in den Niederlanden.«
»Wer läugnen wollte, daß Eure Namen schön wären, Herr, der hörte lieber Frösche singen, als Amseln. Allein um meiner einfältigen Zunge einen Hals oder Beinbruch zu ersparen, darf ich Euch wenigstens beim Essen in beliebter Kürze den ersten Namen, . . . . wie hieß er schon? . . . . Bom-Bardo? . . . . Bombardement . . . .«
»Don Nardo!«
»Richtig, Herr Freund . . . also angestoßen! Ihr müßt doch leben . . . Wovon war denn eigentlich die Rede?«
»Wem Ihr das Mädchen auf Addrichs Hause zugeführt haben würdet, wenn Ihr es . . .«
»Richtig! Nun, das versteht sich; in gerader Linie, wie schon gesagt, nach Aarau, in das Haus des Poeten, der bisher in allen Ehren und Züchten mit neun himmlischen Frauenspersonen Verkehr getrieben, aber gesamte neun Musen gegen eine mit Fleisch von seinem Fleisch, und Bein von seinem Bein vertauschen würde. Vorausgesetzt jedoch, sie hätte mir auch nur halb so wohl gefallen, als das herzige Ännel, welches mir in Addrichs Mördergrube guten Schinken auftischte, so wäre die Sache richtig gewesen.«
»Und ihre Einwilligung? . . .«
»Hm, wertester Herr Donner . . . oder Donnerpaar . . . dem Fisch ein Würmlein, dem Mädchen ein Mann, beide beißen die Angel an. Ich kenne das! Heiraten ist keine Drescherarbeit für die Jugend.«
»Ich möchte Euch ermuntern, Meister, den mißlungenen Versuch zu wiederholen, wenn Ihr den Mut hättet. Ich nehme Anteil an Euch. Nach Aussage des Junggesellen hier ist Addrich gerade jetzt von seiner Wohnung entfernt. Nun oder nie gelingts, das unglückliche Mädchen zu erlösen. Waget es! Bedarf es des Geldes dazu, es soll sich finden. Was meinet Ihr? Hättet Ihr Lust?«
»Glaubt's oder glaubt's nicht, ich bin zu jeder Zeit und Stunde der Mann, wertester Herr Donnerbart, der den Teufel auf der Haide fangen und, wenn's sein müßte, ihm den Schwanz abtreten würde. Allein verzeiht . . .«
»Nicht allzu vorlaut, Meister!« unterbrach ihn Fabian scherzend. »Es zweifelt niemand an Eurem Heldenmut, aber Belial könnte Euch boshafter Weise beim Wort fassen. Er spitzt das Ohr, wenn man an ihn denkt.«
Der Spielmann stutzte, warf die Augen umher und sagte halblaut: »Nun, nun! Ihr habt nicht unrecht, man soll den Gottseibeiuns nicht ans Haus malen, er kommt von selbst herein. Doch ist auch nicht alles ein Evangelium, was man bei gutem Weine spricht. Ich wollte nur andeuten daß ich keiner Tonne Goldes willen mit dem Addrich anbinden möchte, zumal in dieser gottlosen Zeit, wo er und die Bauernschelmen im Lande den Meister spielen, ehrlichen Leuten Nasen und Ohren abschneiden und die Bäuche aufschlitzen. Aber sie haben noch nicht alles im Sack, wie im Kopf.«
»Wie wird Euch der Dechant von Aarau empfangen,« fragte der Gutsherr von Groenkerkenbusch, »wenn Ihr mit leerer Hand und unverrichteter Sache zurückkommt? Ein Ehrenmann, wie Ihr zu sein scheint, soll Wort halten.«
»Richtig, Herr Freund, doch Ehrlichkeit geht bei mir zu Lande noch weit über die Ehre. Und ich werde ihm rund heraus sagen: »Man muß machen, wie man's kann, und nicht ungewachsenes Gras mähen wollen. Über Vermögen kann auch der Kaiser nicht.« – Aber Ihr da, hinter mir, macht mir doch den Becher naß; er ist trocken, wie Käfers Loch.«
»Meister,« fuhr der Herr von Groenkerkenbosch fort, »an Eurer Stelle würde ich nicht den weiten Weg vergebens gethan haben.«
»Mag sein . . . doch der beste Jäger und Hund thun manchen vergeblichen Sprung.«
»Junker Mey hätte Euch dafür reich gemacht.«
»Oho, reich! Eine fette Kirchenmaus, eine weiße Schwalbe und einen reichen Spielmann, die drei muß man im Paradiese suchen. Und wenn der ganze Schwarzwald stürbe, glaubt's, Herr Freund, ich würde keinen Tannenzapfen erben. Nein, nein, ich habe kein Glückshäubchen auf die Welt gebracht; und steckte man mir des Moguls Schatz in den Sack, ich brächte Spreu heim.«
»Lasset mit Euch reden, Meister! Erinnert Euch, Addrich ist abwesend und der Paß jetzt für Euch offen. Kehret zum Dechanten nicht ohne das Mädchen zurück. Wagt's noch einmal. Was fürchtet Ihr von Addrich? Er steht, höre ich, an der Spitze der Rottierer und kommt schwerlich mit heiler Haut davon.«
»Herr, der hat's, wie die Katze. Wie man ihn auch werfe, fällt er allezeit auf die Füße. Und wenn er das ganze Land unter und über sich kehrt, er erstickt darunter so wenig, als die Maus unter'm Heu. Nein, nein, ich kenne ihn jetzt und will meinen Balg nicht selbst zum Kürschner tragen.«
»Es könnte aber Leute geben, Meister, die Euch im schlimmsten Fall nicht im Stich lassen würden.«
»O ja doch, wenn der Wagen aufrecht geht, sitzt jeder gern darauf; wenn er umfällt, läuft alles davon. Ich kenne die Welt, Herr, und habe Merk's gegessen.«
Während dieses Gespräches, welches auf gleiche Weise noch lange fortgesetzt wurde, war Fabian stumm und voller Erstaunen, hier zwei unbekannte Personen von Epiphanias Entführung reden zu hören. Beide schienen ihm die Personen zu sein, deren er sich aus Addrichs Erzählungen erinnerte, als er mit demselben von Gränichen nach Suhr und zum Gönhard gegangen war. Wirri, der Bote des Junkers von Rued und dieser Don Nardo, ohne Zweifel jener Unbekannte selbst, welcher das Weib von Seon mit den köstlichen Geschenken ins Moos herübergesandt hatte. Was aber kann den Katholiken und Niederländer bewegen, gemeine Sache mit dem alten Dechanten zu machen? dachte der Jüngling bei sich. Warum beschenkte er Epiphania so fürstlich? Hat er Absichten auf das verlassene Mädchen? Hätte er vielleicht mit seinem Golde den Dechanten geblendet und mit seiner frommen Miene diesen guten Greis überlistet? . . . Fabian, dem das Herz um so gewaltiger pochte, je länger das Gespräch fortgesponnen wurde, verwandte kein Auge von dem rätselhaften Don Nardo. Es war dies ein Mann, der hoch in den Vierzigen zu sein schien, aber auf dem blassen, feinen Gesichte noch alle Züge seines Knabenalters trug. Fein gegliedert, von mäßiger Größe, schlank und gewandt, hätte derselbe trotz seines ergrauenden dünnen Haares und der Glatze auf dem Scheitel unter Umständen noch für einen Jüngling gehalten werden können. Selbst eine etwas wulstige Narbe, die ihm von einer alten Wunde auf der linken Wange geblieben war, entstellte ihn nicht. Noch weniger aber, als das wahre Alter, verriet sein Gesicht die Gemütsart. Es war eines der regelmäßigsten und ausdruckslosesten; diese Mienen schienen niemals vom Sturm der Begierden bewegt worden zu sein. Man hätte schwören sollen, der Mann habe in seinem Leben weder gelacht noch geweint. Man sah ihn beim Reden weder heiterer noch finsterer werden, sondern stets in der gleichgiltigsten Gelassenheit. Nichts regte ihn auf, nichts machte ihn lebhafter. Sogar sein Blick hatte etwas Unteilnehmendes, Erloschenes; seine Stimme etwas Eintöniges und seine Sprache etwas Gedehntes, wie bei einem, dem das Reden Mühe macht. Nachdem Epiphanias Liebling lange Zeit alle Kunst vergebens angestrengt hatte, den Mann und dessen Absichten zu enträtseln, verfiel er auf die List, sich schläfrig zu stellen, um die Plauderer bei