»Sie wissen also nicht genau, wohin Mrs. Harrison fuhr?«
»Sehen Sie doch mal in Gliddens Wohnung nach«, kam die gemeine und anspielende Antwort.
Current und Rander ließen sich die Adresse geben. Als sie zurück zum Wagen eilten, meinte Current: »Diesem Bengel möchte ich mal die Flötentöne beibringen, Rander. Was glauben Sie, werden wir Mrs. Harrison bei Glidden finden?«
»Ich lege mich nicht fest. Meiner Schätzung nach nicht …!«
Rander behielt recht.
Sie klingelten an Gliddens Wohnung, die sich ganz in der Nähe befand. Doch Glidden war nicht zu Hause. Wohin mochte er mit seiner Chefin Mrs. Harrison gefahren sein?
*
»Die Sache kommt mir sehr unheimlich vor, Mrs. Harrison«, sagte Clark Glidden.
Er blieb in der Diele des Hauses stehen, sah sich nach allen Seiten um.
»Sind Sie sicher, Clark, daß das hier die richtige Adresse ist?« fragte Mrs. Harrison.
»Natürlich, ein Irrtum ist ausgeschlossen. Hierher sollten wir kommen und Harrison finden.«
»Ich schlage vor, wir durchsuchen mal die Zimmer«, antwortete Gay Harrison energisch.
»Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir in einer Falle sitzen.«
»Wir werden eben vorsichtig sein müssen, Clark. Kommen Sie, wir wollen es schnell hinter uns bringen.«
Sie fuhren beide herum, als hinter ihnen eine Tür ins Schloß fiel. Ein Mann stand vor ihnen. In der Hand hielt er einen schweren Revolver.
»Auch meine Meinung, wir wollen es schnell hinter uns bringen«, sagte er sanft und höflich. »Schön, daß Sie gekommen sind, Mrs. Harrison.«
»Wer sind Sie …? Was soll das? Moment mal, ich glaube, Ihr Gesicht habe ich schon mal gesehen. Sind Sie nicht …?«
»Wer ich bin, ist jetzt gleichgültig«, unterbrach der Boß der Gang sie. »Sie sitzen tatsächlich in einer Falle.«
»Ist mein Mann hier im Haus?« fragte Gay Harrison mit erstaunlich ruhiger Stimme.
»Natürlich. Und Sie, Mrs. Harrison, werden ihn umbringen! Ihr Begleiter wird Ihnen dabei helfen. Vor Gericht wird sich das später sehr nett machen. Die Firmenchefin ermordet zusammen mit ihrem Freund und Chefbuchhalter den eigentlichen Besitzer des Geschäfts. Die unlauteren Motive drängen sich förmlich auf, zumal Ihre Stiefkinder, Mrs. Harrison, doch nur darauf warten, Ihnen ein Bein zu stellen.«
»Wer hat das alles ausgeheckt? Etwa Randy Harrison?«
»Trauen Sie ihm so etwas zu?« fragte der Boß lächelnd.
»Natürlich …! Er scheint überhaupt hinter diesem Komplett gegen meinen Mann zu stecken.«
»Vielleicht stimmt’s, aber das kann Sie jetzt nicht mehr interessieren. Wir wollen es möglichst schnell hinter uns bringen, wie Sie sagten, Mrs. Harrison.«
Glidden hatte bisher nichts gesagt.
Jetzt spannte er seine Muskeln. Er dachte nicht daran, sich in diese Falle bringen zu lassen.
»Wollen Sie was?« redete der Boß ihn da an.
Augenblicklich fiel dieser so kühn aussehende Mann in sich zusammen. Er schüttelte schnell den Kopf. Er wollte etwas sagen, doch es schnürte ihm die Kehle zu. Nur ein Krächzen war zu hören.
Gay Harrison sah ihn verächtlich an.
»Gehen wir also hinauf«, sagte der Boß. »Sie werden oben auf der Galerie stehenbleiben. Keine Sorge, falls ich Sie erschießen muß, weil Sie nicht spuren, werde ich eben Mr. Harrison belasten. Für mich ist das Jacke wie Hose.«
Mrs. Harrison und Glidden gingen langsam nach oben. Der teuflische Plan des Gangsterbosses näherte sich seinem Abschluß. Gay Harrison und Glidden saßen in der Falle …!
*
Butler Parker verließ den Seitentrakt.
Er hatte nicht das gefunden, wonach er suchte. Ganz unzufrieden war er allerdings nicht. Er kannte die nächste Adresse, die er besuchen mußte.
Wie der Geist eines original-englischen Butlers marschierte er steif und gemessen durch den langen Korridor. Sein Pech, daß er beim Verlassen der Treppe von zwei Krankenpflegern entdeckt wurde, die draußen neben der Tür schnell eine Zigarette rauchten. Der Zusammenstoß mit diesen beiden Männern war hart.
Sie glaubten nämlich, einen Süchtigen vor sich zu haben.
Mit geübten Griffen wollten sie den Butler einfangen. Sie kannten Griffe, die den stärksten Mann aufs Kreuz legten.
Parker bluffte gekonnt.
Er lief nicht weg.
Ruhig blieb er stehen und lüftete seine schwarze Melone.
»Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle«, sagte er höflich. Dann aber donnerte die Melone schnell auf den Kopf des Pflegers, der bereits anfangen wollte.
Da Parkers Melone mit starkem Stahlblech ausgefüttert war, war der Angreifer sofort groggy.
Er verdrehte die Augen und fiel gegen seinen Partner, der dadurch leicht aus der allgemeinen Angriffsrichtung kam. Bevor er sich wieder aufrappeln konnte, hatte Parker schon die bewußte Sprühdose in der Hand und ließ sie zischen.
Der Pfleger hustete und wischte sich die Augen. Er rutschte gegen die Wand und sah sehr traurig aus. Butler Parker wandte sich um und schritt ohne jede Hast zur Mauer. Erst als er sich auf der anderen Seite der Mauer herunterließ, hörte er die Stimmen der beiden Männer, die inzwischen wieder handlungsfähig wurden.
Josuah Parker brauchte nicht weit zu gehen.
Um den Weg abzukürzen, stieg er über einige niedrige Hecken, bis er ein ganz bestimmtes Haus erreichte. Prüfend legte er seine Hand auf die Motorhaube eines parkenden Wägens. Sie war noch heiß.
Da wußte Parker, daß er zumindest Mrs. Harrison gefunden hatte. Er kannte schließlich das Kennzeichen ihres Cadillac …!
*
»Bleiben Sie dort an der Wand stehen«, befahl der Gangsterboß. Er deutete auf Joel Harrison, der schnarchend auf dem Bett lag und von nichts ahnte. Gay Harrison gehorchte nur sehr widerwillig, Glidden hingegen, der Mann mit dem athletisch gebauten Körper, war schnell. Er hatte Angst.
Der Gangster zog eine zweite Waffe aus der Tasche. Es handelte sich um eine 22er Pistole. Die Sicherung klickte.
»In ein paar Minuten ist alles überstanden«, sagte er sanft, »Sie werden sich dann in einer Zelle ausruhen können.«
Er hob die Pistole.
Mrs. Harrison stöhnte auf.
Sie wollte sich auf den Gangster stürzen, doch die Glieder versagten ihr den Dienst.
Glidden schloß nur die Augen.
Der Schuß dröhnte …!
Mrs. Harrison schrie auf, Glidden sackte halb ohnmächtig an der Wand herunter.
Der Gangsterboß blieb stehen, sah verwundert auf seine Hand, die plötzlich ohne Waffe war.
Dann fuhr er blitzschnell herum, sah vor sich eine schwarz gekleidete Gestalt, die einen rauchenden altertümlichen Colt in der Hand hielt.
»Ich bedaure es ungemein, so nachdrücklich handeln zu müssen«, sagte Josuah Parker, der wieder einmal zur richtigen Zeit eingetroffen war. »Ich schlage vor, Mr. Steffens, Sie werfen die andere Waffe auch noch weg!«
»Sie verdammter Hund«, fluchte der Angesprochene. Er schien auf geben zu wollen. Doch das war nichts als ein Trick. Er warf sich plötzlich gegen Mrs. Harrison, schleuderte sie in Pachtung Parker und rannte zur Treppe.
Glidden