Höchst sonderbar ist die Ähnlichkeit unsrer heiligen Geschichte mit Märchen: anfänglich eine Bezauberung, dann die wunderbare Versöhnung etc. die Erfüllung der Verwünschungsbedingung.
Wahnsinn und Bezauberung haben viel Ähnlichkeit. Ein Zauberer ist ein Künstler des Wahnsinns.
Die Schreibart des Romans muß kein Kontinuum, es muß ein in jeden Perioden gegliederter Bau sein. Jedes kleine Stück muß etwas Abgeschnittnes, Begrenztes, ein eignes Ganzes sein.
Tadle nichts Menschliches. Alles ist gut, nur nicht überall, nur nicht immer, nur nicht für alle. So mit der Kritik. Bei Beurteilung von Gedichten z. B. nehme man sich in acht mehr zu tadeln als, streng genommen, eigentlicher Kunstfehler, Mißton in jeder Verbindung ist. Man weise möglichst genau jedem Gedichte seinen Bezirk an, und dies wird Kritik genug für den Wahn ihrer Verfasser sein. Denn nur in dieser Hinsicht sind Gedichte zu beurteilen, ob sie einen weiten oder engen, einen nahen oder entlegnen, einen finstren oder hellen, einen hellen oder dunkeln, erhabnen oder niedrigen Standort haben wollen. So schreibt Schiller für wenige, Goethe für viele. Man ist heutzutage zu wenig darauf bedacht gewesen, die Leser anzuweisen, wie das Gedicht gelesen werden muß, unter welchen Umständen es allein gefallen kann. Jedes Gedicht hat seine Verhältnisse zu den mancherlei Lesern und den vielfachen Umständen. Es hat seine eigne Umgebung, seine eigne Welt, seinen eignen Gott.
Kurz, man verliert die Lust am Mannigfaltigen, je mehr man Sinn für die Unendlichkeit des Einzelnen bekommt. Man lernt das mit Einem Instrument machen, wozu Andre hunderte nötig haben, und interessiert sich überhaupt mehr für das Ausführen, als für das Erfinden.
Darstellung ist eine Äußerung des innern Zustands, der innern Veränderungen, Erscheinung des innern Objekts. Das äußere Objekt wechselt durch das Ich und im Ich mit dem Begriffe, und produziert wird die Anschauung. Das innre Objekt wechselt durch das Ich und im Ich mit einem ihm angemeßnen Körper, und es entsteht das Zeichen. Dort ist das Objekt der Körper, hier ist das Objekt der Geist. Das gemeine Bewußtsein verwechselt das Entstandne, die Anschauung und das Zeichen mit dem Körper, weil es nicht zu abstrahieren weiß, nicht selbsttätig ist, sondern nur notwendig leidend, nur halb, nicht ganz.
Die Idee eines Ganzen muß durchaus ein ästhetisches Werk beherrschen und modifizieren. Selbst in den launigsten Büchern. Wieland, Richter und die meisten Komiker fehlen hier sehr oft. Es ist so entsetzlich viel Überflüssiges und Langweiliges, recht eigentliche hors d' œuvres, in ihren Werken. Selten ist der Plan und die große Verteilung ästhetisch. Sie haben nur ästhetische oder komische Laune, nicht ästhetisch komischen Sinn oder Geist. (Einheit des Mannigfachen.)
Ein Roman muß durch und durch Poesie sein. Die Poesie ist nämlich, wie die Philosophie, eine harmonische Stimmung unsers Gemüts, wo sich alles verschönert, wo jedes Ding seine gehörige Ansicht, alles seine passende Begleitung und Umgebung findet. Es scheint in einem echt poetischen Buche alles so natürlich – und doch so wunderbar. Man glaubt, es könne nichts anders sein, und als habe man nur bisher in der Welt geschlummert – und gehe einem nun erst der rechte Sinn für die Welt auf. Alle Erinnerung und Ahndung scheint aus eben dieser Quelle zu sein. So auch diejenige Gegenwart, wo man in Illusion befangen ist – einzelne Stunden, wo man gleichsam in allen Gegenständen, die man betrachtet, steckt und die unendlichen, unbegreiflichen, gleichzeitigen Empfindungen eines zusammenstimmenden Pluralis fühlt.
Es ist seltsam, daß in einer guten Erzählung allemal etwas Heimliches ist – etwas Unbegreifliches. Die Geschichte scheint noch uneröffnete Augen in uns zu berühren – und wir stehn in einer ganz andern Welt, wenn wir aus ihrem Gebiete zurückkommen.
Lustspiel und Trauerspiel gewinnen sehr und werden eigentlich erst poetisch durch eine zarte, symbolische Verbindung.
Der Ernst muß heiter, der Scherz ernsthaft schimmern.
Die Darstellung des Gemüts muß, wie die Darstellung der Natur, selbsttätig, eigentümlich allgemein, verknüpfend und schöpferisch sein. Nicht wie es ist, sondern wie es sein könnte und sein muß.
Der Roman handelt vom Leben, stellt Leben dar. Ein Mimus wäre er nur in Beziehung auf den Dichter. Oft enthält er Begebenheiten einer Maskerade, eine maskierte Begebenheit unter maskierten Personen. Man hebe die Masken; es sind bekannte Begebenheiten, bekannte Personen. Der Roman, als solcher, enthält kein bestimmtes Resultat, er ist nicht Bild und Faktum eines Satzes. Er ist anschauliche Ausführung, Realisierung einer Idee. Aber eine Idee läßt sich nicht in einen Satz fassen. Eine Idee ist eine unendliche Reihe von Sätzen, eine irrationale Größe, unsetzbar, incommensurabel. (Sollte nicht alle Irrationalität relativ sein?) Das Gesetz ihrer Fortschreitung läßt sich aber aufstellen, und nach diesem ist ein Roman zu kritisieren.
Wohl unsrer Sprache, daß sie ungelenk ist! Der Starke zwingt sie, und den Schwachen zwingt sie; dort wird die Erscheinung der Kraft sichtbarer, schöner, hier das Unvermögen auffallender, und so bleibt das Reich der Schönheit reiner, adeliger, unvermischter.
Die Schriftsteller sind so einseitig, wie alle Künstler Einer Art – und nur noch hartnäckiger. Unter den Schriftstellern von Profession gibt es gerade auffallend wenig liberale Menschen, besonders, wenn sie gar keine andre Subsistenz, als ihre Schriftstellerei haben. Von Schriftstellerei leben, ist ein selbst für echte Geistesbildung und Freiheit höchst gewagtes Unternehmen.
Der Poet versteht die Natur besser, wie der wissenschaftliche Kopf.
Die Bücherwelt ist in der Tat nur die Karrikatur der wirklichen Welt. Beide entspringen aus derselben Quelle. Jene aber erscheint in einem freiem, beweglicheren Medio. Daher sind dort alle Farben greller, weniger Mitteltinten, die Bewegungen lebhafter, die Umrisse daher frappanter, der Ausdruck hyperbolisch. Jene erscheint nur fragmentarisch, diese ganz. Daher ist jene poetischer, geistvoller, interessanter, malerischer, aber auch unwahrer, unphilosophischer, unsittlicher. Die meisten Menschen, die meisten Gelehrten mitgerechnet, haben auch nur eine Buchansicht, eine fragmentarische Ansicht der wirklichen Welt, und dann leidet sie unter den nämlichen Gebrechen und genießt aber auch die nämlichen Vorteile, als die Bücherwelt. Viele Bücher sind auch nichts als Darstellungen solcher einzelnen, fragmentarischen Ansichten der wirklichen Welt. – Mehr über das Verhältnis der Buchwelt (Literarwelt) zur wirklichen Welt.
Die Meisten wissen selbst nicht, wie interessant sie wirklich sind, was sie wirklich für interessante Dinge sagen. Eine echte Darstellung ihrer selbst, eine Aufzeichnung und Beurteilung ihrer Reden würde sie über sich selbst in das höchste Erstaunen setzen und ihnen in sich selbst eine durchaus neue Welt entdecken helfen.
Jeder muß mit seiner Stimme und mit seinem Stile zu ökonomisieren, beide gehörig immanent zu proportionieren und zu nuancieren wissen.
Die intuitive Darstellung beruht auf systematischem Denken und Anschaun.
Schöne liberale Ökonomie. Bildung einer poetischen Welt um sich her. Dichten mit lebendigen Figuren.
Die gemeine Sprache ist die Natursprache – die Büchersprache die Kunstsprache.
Das Höchste ist das Verständlichste, das Nächste, das Unentbehrlichste. Nur durch Unbekanntschaft mit uns selbst, Entwöhnung von uns selbst entsteht für uns eine Unbegreiflichkeit, die selbst unbegreiflich ist.
Des Dichters Reich sei die Welt, in den Fokus seiner Zeit gedrängt. Sein Plan und seine Ausführung sei dichterisch, das ist, dichterische Natur. Er kann alles brauchen, er muß es nur mit Geist amalgamieren, er muß ein Ganzes daraus machen. Das Allgemeine, wie das Besondere muß er darstellen – alle Darstellung ist im Entgegengesetzten, und seine Freiheit im Verbinden macht ihn unumschränkt. Alle dichterische Natur ist Natur. Ihr gebühren alle Eigenschaften der letzteren. So individuell sie ist, so allgemein interessant doch. Was helfen uns Beschreibungen, die Geist und Herz kalt lassen, leblose Beschreibungen der leblosen Natur – sie müssen wenigstens symbolisch sein, wie die Natur selber, wenn sie auch kein Gemütszustandsspiel hervorbringen sollen. Entweder muß die Natur Ideenträger, oder das Gemüt Naturträger sein. Dieses Gesetz muß im Ganzen und im Einzelnen wirksam sein. Egoist darf der Dichter durchaus nicht erscheinen. Er muß