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mich. Was sind das für Gesinnungen!« murmelte der Prinz und heftete seine matten Augen auf seine Gemahlin.

      »Sie wissen es recht gut,« bemerkte Anna Pawlowna ruhig, »Sie gestehen es sich nur nicht ein, sich über gewisse Dinge klar zu werden, ist sehr unangenehm.«

      »Haben Sie das an sich selbst erfahren?«

      »Wohl möglich. Wenn ich recht verstanden, kommt der Zar nur unter gewissen Bedingungen nach Moskau?«

      »Sie haben mich recht verstanden.«

      Diese Bedingungen muß ich ergründen, dachte Anna Pawlowna. Es geht etwas gegen den Nihilismus vor. Ich muß es erfahren, laut sagte sie: »Dürfen Sie mir Näheres mitteilen?«

      »Warum nicht? Sie sind ja meine Frau. Aber es wird Sie kaum interessieren.«

      »Vielleicht doch.«

      »Viel kann ich Ihnen nicht sagen. Übrigens wird in den nächsten Tagen der Staatsrat Arkad Danilitsch Niklakow hier eintreffen.«

      »Der Staatsrat? Was will er hier?«

      »Die Lage der Dinge studieren.«

      »Er will Jagd auf Nihilisten machen?«

      »Wie man's nimmt. Befindet sich Natalia Arkadiewna noch immer im Hause?«

      »Befehlen Sie, daß sie es verläßt, jetzt, da ihr Vater kommt?«

      »Das habe ich nicht gesagt.«

      »Aber Sie dachten es.«

      »Sie müssen mir zugeben, daß Natalia Arkadiewna sich höchst ungebührlich gegen ihren Vater benommen hat. Ihre Familie erkennt sie nicht mehr an. Sie sind die einzige, die noch zu ihr hält.«

      »Weil ich sie bewundere.«

      »Sie ist offenbar eine Nihilistin.«

      »Das ist möglich. Was schadet das? Heutzutage sind viele Russinnen aus den besten Familien Nihilistinnen.«

      »Nun ja, reden wir nicht mehr davon. Der hauptsächlichste Grund, der mich hergeführt, war, mit Ihnen die Vorbereitungen zu dem Feste zu besprechen.«

      »Würde der Zar geruhen, unser Haus zu besuchen?«

      »Es wäre nicht unmöglich. Jedenfalls müßte man sich vorsehen.«

      »Wen wünschen Sie einzuladen?«

      »Davon morgen. Es wird eine lange Liste werden. Übrigens ist es spät.«

      Anna Pawlowna erhob sich.

      »Sie haben recht, ich bin müde. Gute Nacht,«

      »Gute Nacht. Ich sehe Sie noch.«

      Sie sah ihm fest in die Augen. Wage es nicht! sagte ihr Blick. Dann entfernte sie sich.

      Etwas muß geschehen sein, dachte der Prinz, ihr nachsehend. Aber was? Liebt sie einen anderen?

      Er ließ sich noch eine Flasche Sekt bringen und schickte die Diener hinaus. Eine heftige Aufregung bemächtigte sich seiner. Die Vorstellung, auf die er in der Tat zum erstenmal verfiel, daß seine Frau einen anderen lieben könnte, brachte sein Blut in Wallung. Sie gab ihm fast ein Gefühl von Jugend; in seine Eifersucht mischte sich eine eigentümliche Empfindung, die beinahe Befriedigung zu nennen war. Sie liebt einen anderen, reflektierte er, aber sie gehört mir. Jetzt habe ich sie in der Hand und kann ihr die mir zugefügten Qualen vergelten. Sie verabscheut mich, aber sie ist meine Frau. Ihr Abscheu wird ihr nichts helfen; denn ich habe das Mittel, sie zu demütigen. Und das will ich.

      Dreiunddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Anna Pawlowna begab sich in ihr im zweiten Stock gelegenes Schlafgemach, schickte die Kammerfrau fort und verriegelte die Tür. Dann setzte sie sich vor den Toilettentisch und begann ihr Haar aufzulösen. Dabei lauschte sie auf jedes Geräusch. An die eine Seite des Zimmers schloß sich eine lange Reihe von Gemächern, auf eine Säulenhalle mündend, welche über der Moskwa lag; an der anderen Seite befand sich die Wohnung des Prinzen. Jeden Augenblick erwartete die Prinzessin, es dort anklopfen zu hören. Die Dienerschaft war noch auf, dieser und jener im Korridor. Sie würde öffnen müssen ... Sie sah ihn, wie er sie anschaute, mit dem erloschenen Blicke, der sich bei dem Betrachten ihrer Schönheit unheimlich belebte. Wie er sie anlächelte mit den blassen, vertrockneten Lippen, zwischen denen die falschen Zähne hervorblinkten. Sie fühlte diese Lippen auf den ihren, stieß einen Schrei aus und wollte aufspringen. Da erblickte sie sich im Spiegel und entsetzte sich vor ihrem eigenen Bilde: das blasse Gesicht, von der Mähne ihres roten Haares wie von einer Flamme umlodert, darin ihr ganzer Leib zu versinken schien, die Lippen geöffnet, die Augen starr und weit offen – –

      Eine Weile betrachtete sie ihr Spiegelbild, als wäre es ihr etwas ganz Neues.

      Also so kannst du aussehen, so schrecklich schön! So muß Judith ausgesehen haben, als sie dem Holofernes das Haupt abschlug. Merkwürdig, daß diese Tat so selten wiederholt wird, daß nicht mehr Morde geschehen, die Frauen an ihren Männern verüben. Aber wir sind so dirnenhaft!

      Sie lehnte sich in den Sessel zurück, starrte auf ihr Bild und versank in Grübeleien.

      Da ist dieser Sascha. Er soll mich lieben, er soll eine große Leidenschaft für mich hegen, dieser junge Gigant mit den Äugen und dem Herzen eines Kindes, Seltsam, höchst seltsam!

      Sie beobachtete im Spiegel, wie die Starrheit aus ihrem Gesicht schwand, wie sich dieses belebte, wie bei dem Gedanken an jenen Bauernsohn ein Lächeln auf ihre Lippen trat.

      Was soll das bedeuten? Woran dachte ich?

      Sie mußte sich darauf besinnen.

      Ist das möglich?

      Sie wurde unruhig, aufgeregt. Plötzlich schreckte sie zusammen. Leise Schritte nebenan! Jetzt mußte es anklopfen.

      Sie wußte nicht, was sie tat; sie sprang auf, löschte das Licht, stand mit angehaltenem Atem und lauschte.

      Aber sie hatte sich doch wohl getäuscht?

      Doch nein: jemand war an ihrer Tür, eine Hand legte sich auf den Drücker. – – Alles blieb still.

      Er wagt es nicht! Er ist feige!

      Sie atmete tief auf; dann entkleidete sie sich und legte sich zu Bett.

      Mit einem Schauer erwachte sie. Sie hatte geträumt, daß sie von Sascha geküßt wurde, daß sie Sascha küßte. Es ist nicht möglich, suchte sie sich selbst zu beruhigen, es ist gar nicht möglich daß ich ihn liebe. Was für grobe, rote Hände er hat! Aber wie selig er war, wirklich ganz wie von Sinnen. Ich hatte eine solche Leidenschaft nicht für möglich gehalten. Mein Gott, welch ein Ausbruch! Ich bebe noch davon. Und das alles sollte nur ein Traum gewesen sein?

      Um sich vollends aus dem Schlaf zu bringen, öffnete sie die Augen und richtete sich in die Höhe. Aber sie mußte noch immer träumen. Sie träumte, daß ihr gegenüber die Wand sich bewegte, daß der Spiegel langsam sich drehte; sie träumte so lebhaft, daß sie, von einer entsetzlichen Angst gepackt, aus dem Bette sprang.

      Da stand er vor ihr.

      Keinen Laut vermochte sie hervorzubringen; aber hätte sie eine Pistole gehabt, so würde sie ihn mit kaltem Blute niedergeschossen haben. Auch er sagte nichts. So standen sie sich einander gegenüber.

      Der Prinz machte eine Bewegung, als ob er sie fassen wollte; aber sie wich, die Augen auf ihn gerichtet, vor ihm zurück. Er folgte ihr. Sie schob sich bis zur Tür, griff hinter sich, rückte den Riegel fort, und dann durch die lange Reihe der Gemächer, Schritt für Schritt vor ihrem Verfolger zurückweichend, ohne den Blick vor ihm zu wenden, ohne einen Laut zu tun. Sie kam in die Vorhalle, lautlos näherte sie sich der Brüstung, lautlos hätte sie sich hinübergeschwungen und hinabgestürzt. Da, mit einem Wutschrei, ließ er von ihr.

      Sie blieb