Das verspreche ich ihr gern.
Principessa, so hat mich Paul früher genannt. Es war eine Anspielung auf meine Spiele in der Kindheit, von denen ich ihm in einer schwachen Minute einmal erzählt hatte.
Es wird Zeit, dass er mich mal wieder als Prinzessin sieht.
»Was ist los?«, fragt Corinne, die mich wie kein anderer Mensch durchschaut. »Hast du Sorgen?«
»Nein, nein. Nur ein paar Vorsätze fürs neue Jahr. Und den üblichen Weihnachtsblues.«
Corinne lacht auf. Sie hat nämlich ihre eigene Weihnachtstradition: Meine Schwester verreist über Weihnachten auf die Malediven. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Lebenspartner verbringt sie die Festtage meist unter Wasser, taucht und schnorchelt und bekommt von der Hektik über Wasser gar nicht viel mit.
Auch eine Strategie: abhauen, abtauchen.
Jedes Jahr beneide ich Corinne um diese Reise. Und sie lacht mich immer nur aus.
»Ich beneide dich das ganze Jahr über um dein Leben, also kann es dir wenigstens über die Festtage auch mal so gehen. Das ist das Mindeste«, gibt sie zurück.
Sie hat ja recht: Ich habe so viel. Meine Schwester kann keine Kinder bekommen und leidet heute noch darunter. Sie ist die perfekte Patentante für meine Zwillinge, wäre aber lieber selber Mutter. Meist ist mir durchaus klar, wie gut es mir geht.
Trotzdem.
»Es ist erlösend, einfach abzuhauen. Das würde euch auch mal guttun«, schlägt sie vor.
Als könnten wir Irene allein lassen und etwa als Familie über die Festtage in die Skiferien fahren!
»Der Geschenketerror, die Schlacht um den richtigen Christbaum, die Planung der Familieneinladungen, die üblichen Familiendramen, das Schlangestehen in den Geschäften … alles findet nicht statt. Stattdessen Wärme, Wind, Wasser und Wonne. Vor allem Wonne.«
Sie kommt richtig ins Schwärmen, meine liebe Corinne. Und ich mag es ihr ja von Herzen gönnen, dass sie immer so eine wunderbare Zeit auf den Malediven hat. Ich weiß, dass es ihr manchmal wehtut, mein Familienglück mitanzusehen. Trotzdem ist sie großzügig und mitfühlend und viel mehr als nur eine Schwester: eine richtige Freundin. Ich glaube, dass keine Freundin der Welt eine Schwester ersetzen kann. Manchmal gehen Freundschaften auseinander, niemals aber Familienbande. Jedenfalls nicht unsere.
»Ich trage zwei Wochen lang keine Schuhe, bloß Flipflops und Flossen. Zum Abendessen gibt es frischen Fisch und anschließend Party unter Palmen. Eine absolut weihnachtsmannfreie Zone.«
Ja, ich weiß, sie könnte stundenlang weiterschwärmen. Aber sie weiß, dass ich weiß, dass sie sofort mit mir tauschen würde.
»Du hast aber mitgekriegt, dass am 21. Dezember die Welt untergeht?«, wage ich einzuwenden.
Sie erwidert leichthin: »Oh, schade, da bin ich leider nicht da. Wir fliegen am 20. Dezember.«
»Es ist Weltuntergang, und Corinne geht nicht hin.«
Wir lachen beide.
7
»Sonja, wenn dein Mann noch ein Geschenk für dich sucht: Sag ihm, er soll mich anrufen. Ich hätte eine traumhafte Halskette zum Kleid, aber die zeige ich dir nicht«, sagt Corinne beim gemeinsamen Kaffeetrinken.
»Da wird sich Paul bestimmt freuen. Ich kenne ihn doch. Sonst muss am Ende seine Sekretärin wieder mein Weihnachtsgeschenk aussuchen«, antworte ich.
Geschenke.
Ein besonderes Thema vor Weihnachten.
Seufz.
Megaseufz.
So würden es zumindest meine Töchter ausdrücken.
»Was für ein Geschenkeberg jedes Jahr! Jeder beschenkt jeden, liebevoll oder gleichgültig, ob freudig inspiriert oder völlig ideenlos. Geschenkt muss werden«, schimpft Corinne, die ja selbst vom Weihnachtsgeschäft profitiert.
Aber sie hat recht.
Allerdings kann ich mich nicht ernsthaft über den hysterischen Rummel in den Geschäften beklagen, wenn ich mich selber alljährlich ins Gewühl stürze und viel zu lange herumstöbere, um das richtige Geschenk für das richtige Familienmitglied zu finden. »Warum hört ihr nicht einfach mit dem Schenken auf? Die Kinder sind doch bald gar keine Kinder mehr«, fragt Corinne forsch. Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Trotzdem schüttle ich meinen Kopf und erwidere: »Ich betrachte mich zwar als modern und aufgeschlossen. Aber konsequent zu sein, und einfach ganz auf Geschenke zu verzichten, das würde ich nie schaffen. Und wenn ich Familien beobachte, die dies gemeinsam beschlossen haben, muss ich oft lächeln, weil dann doch im letzten Moment Geschenke hin- und hergeschoben werden. Oder weil es dann doch irgendwie lange Gesichter gibt, wenn sich tatsächlich alle daran halten.«
Weil ich natürlich daran denke, was die Zwillinge erzählt haben: Wenn die Geschenke nicht wären, hätten fast alle dafür gestimmt, Weihnachten abzuschaffen.
Verrückt!
Weihnachten abschaffen!
Auch Corinne ist ziemlich schockiert, als ich ihr davon erzähle.
Aber sie fasst sich schnell wieder und meint: »Gewiss könnte man den Ursprung des Festes, nämlich die Geburt Christi, auch mit einem schönen Gottesdienst feiern. Ein bisschen Weihrauch, ein paar Kerzen, schöne Lieder und fertig. Man könnte das Drumherum abschaffen. Rein theoretisch. Deswegen hätte man Weihnachten ja nicht abgeschafft.«
Da kann ich nur zustimmen.
»Nur wäre das verdammt schlecht für mein Geschäft. Ich müsste dann vielleicht eine Woche früher von den Malediven heimfliegen«, denkt sie laut weiter.
»Es müsste wirklich nicht von jedem Haus in allen Farben blinken. Es müssten nicht Rentiere in den Gärten und aufgeblasene Weihnachtsmänner auf den Dächern stehen. Das ist ja kein Gebot. Den ganzen Rummel haben wir selber nach und nach auf dieses religiöse Fest draufgepackt.«
Wenn Corinne und ich Kaffee trinken und plaudern, kann das stundenlang dauern. Wir kommen auf das Thema Geschenke zurück.
»Geschenke sind oft Glückssache«, findet Corinne, »manchmal auch Unglückssache. Erinnerst du dich, als du mir vor fünf Jahren Malutensilien geschenkt hast, bloß weil ich irgendwann geäußert hatte, ich würde gern malen können. Malen können! Nicht malen wollen!«
Heute können wir darüber lachen. Wir schenken uns jetzt nichts mehr.
»Und seither passe ich immer wahnsinnig auf, was ich vor Weihnachten so nebenbei von mir gebe. Was war denn bisher dein schlimmstes Weihnachtsgeschenk?«, will sie wissen.
Ich muss gar nicht lange überlegen.
»Paul schenkte mir vor ein paar Jahren ein unmögliches Parfüm, und da ich ihn nicht verletzen wollte, tat ich ganz begeistert. Im Jahr darauf bekam ich eine doppelt so große Flasche vom gleichen Duft. Er war vielleicht modern, frisch und fruchtig, aber ich bevorzuge nun mal alte, schwere, süße Düfte. Ich habe das Parfüm dann als Raumspray im Badezimmer verwendet und viele Komplimente dafür bekommen.«
»Und du bekommst das Parfüm immer noch jedes Jahr?«, will meine neugierige Schwester wissen.
»Nein. Ich habe einmal erwähnt, ich würde es einfach nicht mehr riechen, weil ich mich so daran gewöhnt hätte. Das sei wirklich schade. Ich hätte gar keine Lust mehr auf Düfte.«
Frauen sind ja so einfallsreich, wenn es sein muss.
»Corinne, erinnerst du dich noch an meine Schlafanzüge?«
Sie