Hier wurde Mr. Brocklehurst unterbrochen. Drei neue Besucher, Damen, traten ins Zimmer. Sie hätten ein wenig früher kommen sollen, um diesen Vortrag über Kleidung zu hören, denn sie waren köstlich in Samt und Seide und Pelze gekleidet. Die beiden jüngeren Damen des Trios (schöne Mädchen von sechzehn und siebzehn Jahren) hatten graue Biberhüte, damals die neueste Mode, mit wallenden Straußenfedern, und unter dem Rande dieser graziösen Kopfbedeckung hervor fiel ein Reichtum von goldenen, künstlich gelockten Haaren. Die ältere Dame war in einen kostbaren Samtshawl gehüllt, der mit Hermelin verbrämt war; auf ihre Stirn fiel eine Wolke von falschen französischen Locken.
Diese Damen wurden von Miss Temple mit großer Hochachtung als Mrs. Brocklehurst und ihre Töchter begrüßt und dann auf die Ehrensitze am oberen Ende des Zimmers geleitet. Es scheint, dass sie mit ihrem hochehrwürdigen Anverwandten in der Equipage gekommen waren und die oberen Zimmer einer durchstöbernden, eingreifenden Besichtigung unterworfen hatten, während er mit der Haushälterin die Geschäfte ordnete, die Wäscherin ausfragte und die Vorsteherin des Instituts maßregelte. Die Damen begannen jetzt Miss Smith, welcher die Verwaltung der Wäsche und die Beaufsichtigung der Schlafsäle anvertraut war, einige scharfe Verweise zu erteilen, aber ich hatte keine Zeit, auf das zu horchen, was sie sagten; andere Dinge nahmen meine Aufmerksamkeit in Anspruch und fesselten dieselbe vollständig.
Während ich dem Gespräch zwischen Miss Temple und Mr. Brocklehurst lauschte, hatte ich es bis jetzt dennoch nicht versäumt, Vorsichtsmaßregeln für meine eigene persönliche Sicherheit zu treffen. Ich glaubte auch, dass dieselben wirksam sein würden, wenn es mir nur gelänge, der Beobachtung zu entgehen. Zu diesem Zweck hatte ich mich auf der Bank zurückgelehnt, und während ich mit meinen Rechenexempeln beschäftigt schien, hielt ich meine Tafel so, dass sie mein Gesicht gänzlich verdecken musste. Wahrscheinlich wäre ich seiner Wachsamkeit auch entgangen, wenn meine verräterische Tafel nicht durch einen unglücklichen Zufall meiner Hand entglitten und mit einem lauten Krach, dem kein Ohr sich verschließen konnte, zu Boden gefallen wäre. Sofort waren aller Augen auf mich gerichtet. Ich wusste, dass jetzt alles zu Ende sei. Während ich mich bückte, um die Fragmente meiner Tafel zusammenzusuchen, sammelte ich meine Kräfte für das Schlimmste. Es kam.
»Ein nachlässiges Mädchen!« sagte Mr. Brocklehurst, und gleich darauf – »Ah, ich bemerke, es ist die neue Schülerin.« Bevor ich aufatmen konnte, »ehe ich es vergesse, ich habe noch ein Wort in Bezug auf sie zu sagen.« Dann laut, ach, wie laut erschien es mir! »Lassen Sie das Kind, das seine Tafel zerbrochen hat, vortreten!«
Aus eigenem Antriebe hätte ich mich nicht bewegen können; ich war gelähmt, aber die beiden großen Mädchen, die mir zur Seite saßen, stellten mich auf die Füße und schoben mich vorwärts dem gefürchteten Richter entgegen, dann führte Miss Temple mich sanft dicht vor ihn, und wie aus weiter Ferne vernahm ich ihren geflüsterten Rat:
»Fürchte dich nicht, Jane, ich habe gesehen, dass es ein unglücklicher Zufall war, du sollst nicht bestraft werden.«
Wie ein Dolch drang dieses gütige Flüstern mir ins Herz.
»Noch eine Minute und sie wird mich als eine Heuchlerin verachten lernen«, dachte ich und bei dieser Überzeugung tobte eine namenlose Wut gegen Mrs. Reed, Brocklehurst und Kompanie durch meine Adern. Ich war keine Helen Burns.
»Holt jenen Stuhl«, sagte Mr. Brocklehurst auf einen sehr hohen Stuhl deutend, von dem eine Schulaufseherin sich soeben erhoben hatte. Er wurde gebracht.
»Stellt jenes Kind hinauf.«
Und hinauf gestellt wurde ich, von wem weiß ich nicht; ich war nicht in der Verfassung, die begleitenden, näheren Umstände wahrzunehmen; ich fühlte nur, dass ich ungefähr bis zur Höhe von Mr. Brocklehursts Nase emporgehisst wurde, dass er kaum eine Elle lang von mir entfernt stand und dass unter mir eine Wolke von silbergrauen Federn, dunkelrotem Seidenpelze und orangegelben Kleidern durcheinander wogte.
Mr. Brocklehurst räusperte sich.
»Meine Damen«, sagte er zu seiner Familie gewandt, »Miss Temple, Lehrerinnen und Kinder, ihr alle sehet dieses Mädchen?«
Natürlich sahen sie es; denn ich fühlte ihre Augen wie Brenngläser auf meine versengte Haut gerichtet.
»Ihr sehet, dass sie noch jung ist; ihr bemerkt, dass auch sie die gewöhnliche Gestalt eines Kindes hat; Gott in seiner Gnade hat auch ihr die Form gegeben, die er uns allen gewährt; keine abschreckende Hässlichkeit kennzeichnet sie als einen gezeichneten Charakter. Wer würde glauben, dass der Teufel in ihr bereits eine Dienerin und ein williges Werkzeug gefunden hat? Und doch – es schmerzt mich, es sagen zu müssen – ist dies der Fall.«
Eine Pause. – Ich versuchte, der Lähmung meiner Nerven Einhalt zu tun und mir zu sagen, dass der Rubikon überschritten, dass ich der Prüfung nicht mehr entgehen könne, sondern sie jetzt standhaft ertragen müsse.
»Meine Kinder«, fuhr der schwarze, steinerne Geistliche mit Pathos fort, »dies ist eine traurige, eine betrübende Angelegenheit, denn es ist meine Pflicht euch vor diesem Mädchen zu warnen, das eins von Gottes auserwählten Lämmern sein könnte und jetzt eine Verworfene ist – kein Mitglied der treuen Herde, sondern augenscheinlich eine Fremde, ein Eindringling. Ihr müsst auf eurer Hut sein ihr gegenüber; ihr müsst ihrem Beispiel nicht folgen; wenn es notwendig ist, meidet ihre Gesellschaft, schließt sie von euren Spielen aus, habt keine Gemeinschaft, keinen Umgang mit ihr. Jetzt zu den Lehrerinnen. Sie müssen sie überwachen, ihr Tun beobachten, ihre Worte wohl erwägen und prüfen, ihre Taten untersuchen, ihren Leib strafen, um ihre Seele zu retten – wenn in der Tat eine solche Rettung noch möglich ist, denn – meine Zunge scheut sich, es auszusprechen – dieses Mädchen, dieses Kind, diese Eingeborene eines christlichen Landes, schlimmer als manche kleine Heidin, die ihr Gebet zu Brahma spricht und vor Inggernaut kniet – dieses Mädchen ist – eine Lügnerin!«
Jetzt