Sensenmann · Tödin · Teufel · Des Teufels Großmutter
Unsere Welt
ist voller dunkler Wesen
Österreich ist ein Land der Dämonen, Geister und Gespenster. Sie sind überall um uns, sie leben auf den Almen und in den Almhütten, sie bewohnen die tiefen dunklen Wälder und sind in den Flüssen, Seen und Teichen zu finden. Sie kommen als Kobolde in die Häuser der Menschen, helfen ihnen als Fanggen und necken sie mit Streichen als Nörgelen. Dabei sind sie ein uraltes Geschlecht. Schon seit frühester Zeit glaubte der Mensch daran, dass nicht alles, was um ihn herum vorging, allein der Natur zu verdanken ist. Die Römer, die lange Zeit dieses Land regierten, kannten Dämonen, kleine Götter und spirituelle Wesen, welche die Natur und den Menschen beherrschten. Auf der anderen Seite der Donau wussten die Germanen in ihren Sagas von seltsamen Gestalten zu berichten, welche die Natur, aber auch den Himmel und die Unterwelt, bewohnten. Es waren Wesen, die für den Menschen Natur symbolisierten. Eine Natur, die er nicht beherrschen konnte, der er oft schutzlos ausgeliefert war und die deshalb personifiziert wurde, da man wissen musste, wem man Opfer zu bringen hatte, um ihn zu besänftigen. Aus all diesen Wesen formte sich ab dem frühen Mittelalter eine Welt von guten und bösen Dämonen, welche das Leben der Menschen neben Gott mitregierten. Es war schließlich die Kirche, die sich dieses Problems annahm und die Dämonen bekämpfte. Versuchte, sie dem Volk auszutreiben, sie verteufelte und an ihre Stelle jene Figur setzte, die in der Kirche für all das Böse in der Welt zuständig ist: Diabolos, der Verwirrer, der Teufel. Dabei waren die Dämonen der Alten keine bösartigen Figuren, sie waren die Mittler zwischen der Götterwelt und den Menschen. Erst als sich die Kirche ihrer annahm, erhielten sie den Ruch des Bösen, Numinosen und Gefährlichen.
Das Wort Dämon stammt aus dem Griechischen und kommt von δαίµων (Daimon). Dieses bezeichnete ursprünglich den Geist der Verstorbenen und hatte zunächst eine positive Bedeutung, da diese Seelen eine Mittelstufe zwischen Göttern und Menschen waren, eine Art Götter zweiter Klasse. Im Griechischen bedeutet δαιµóνιoν (Daimonion) auch Schicksal und Gewissen, das den Menschen durch sein Leben als unsichtbarer Mitspieler begleitet. Der griechische Philosoph Platon beschreibt in seinem »Symposion« (203, 1f.) die Daimones:
»Außerdem gibt es gewisse mittlere göttliche Mächte, … durch welche unsere Wünsche wie unsere Verdienste zu den Göttern gelangen. Diese bezeichnen die Griechen mit dem Wort ›Daimones‹, zwischen Erdbewohnern und Himmelsbewohnern, Überbringer der Gebete von hier und der Gaben von dort, die hin und her tragen von hier die Bitten und von dort die Hilfen, als eine Art Dolmetscher für beide Seiten und Heilsbringer …«
Erst im Mittelalter erhält der Dämon seine negative Bedeutung, als die Kirche ihn der teuflischen Familie zurechnet.
Dabei brauchte der Mensch die Dämonen. Sie gaben ihm jene Erklärungen, welche die Wissenschaft und der Glaube der früheren Zeiten nicht liefern konnten. Sie erklären die Welt und ihre Phänomene und lassen den Menschen nicht schutzlos diesen gegenüber zurück. Denn kann sich der Mensch einen Ausdruck der Natur erklären, so kann er auch ein Mittel dagegen finden. Man muss seinen Feind kennen, um ihn zu bekämpfen, sei es mit Sprüchen, Talismanen oder mit bestimmten Verhaltensregeln. Der Dämon und seine Welt geben dem Menschen Hoffnung. Nicht umsonst handeln viele Geschichten und Sagen davon, dass gutes Verhalten von den Dämonen belohnt wird, genauso wie Schlechtigkeit und böse Menschen ihre Bestrafung finden. Hier wird neben dem kirchlichen ein zweites Wertesystem eingeführt. Eines, das auch der einfachste Bauer und sein Gesinde verstehen und nachvollziehen konnten. Es gab also auch die irdische Gerechtigkeit und man musste damit nicht warten, bis nach dem Tode, wenn man dem Richter im Jenseits gegenüberstand. Wenn es Bestimmungen gab, was Gut und Böse war, und dies von den Dämonen auch so gesehen wurde, so errichtete dies Regeln für das Leben außerhalb der Kirche und ihrer zehn Gebote. Man musste sich an diese halten. Verstieß man dagegen, wurde man von den Dämonen bestraft, also von der Natur selbst und nicht von einer Instanz, die erst nach dem Tode des Menschen ihren Urteilsspruch über sein Leben fällte. So gesehen ist die Welt, in der die Dämonen, Naturgeister und Elementarwesen umgehen, eine Spiegelwelt zur unsrigen, in der diese Projektionen die Empfindungen unseres Inneren darstellen. Der Glaube an ihre Existenz und das Leben mit ihnen trägt damit zu einer individuellen und kollektiven Lebensbewältigung bei.
Um sich diese Wesen gewogen zu machen, galt es, bestimmte Handlungen zu setzen, um sie zu besänftigen oder sich vor ihnen zu schützen. Rituelle Plätze und Bräuche aus der Vergangenheit, die diesem Zweck dienten, finden sich noch überall in unserem Land. Alte Kultplätze, Höhlen und Steintürme zeigen uns, dass diese Wesen auch in christlicher Zeit noch Verehrung gefunden haben.
Das Verhältnis der Kirche zu den Dämonen und Naturgeistern ist immer ein schwieriges gewesen. Auch nach der Christianisierung des Alpenraumes lebten die alten Vorstellungen noch bei vielen Menschen weiter, die früheren Götter blieben im Gedächtnis der Menschen erhalten und wurden in veränderter Form unter die Dämonen und Naturgeister eingereiht. Die Kirche lehnte diese Mächte kategorisch ab und stellte sich diese im christlichen Kontext als gefallene Engel oder als die Nephilim, die Kinder von Engeln und Menschen, vor. Diese Geister galten als böse und dem Menschengeschlecht nicht gutgesinnt. Der große Kirchenlehrer Augustinus von Hippo (354–430) entwickelte die erste christliche Dämonologie, in der er nicht an der Existenz der Dämonen zweifelte, diese aber als gefallene Engel ansah. In seiner Auffassung gibt es zwei Reiche, das Gottesreich und das Reich der Dämonen, die im ewigen Streit stehen.
Augustinus befasste sich auch mit der Natur der Dämonen. Nach ihm haben sie einen feinstofflichen, luftigen Körper, leben länger als die Menschen, was ihre große Erfahrung erklärt, und haben bessere Sinnesorgane. Sie können die Zukunft voraussagen und Menschen mit Krankheiten infizieren. Zudem können sie in die Gedanken dieser eindringen und Trugbilder vorgaukeln.
Dennoch hatte das einfache Volk immer seine eigenen Gedanken über die Dämonen, Naturgeister und Elementarwesen. Die Verbreitung all dieser Vorstellungen erfolgte zunächst nicht schriftlich. Es waren die Gespräche unter den Menschen, die Erzählungen an langen Abenden vor dem Spinnrad, die den Menschen schon von klein auf mit der jenseitigen Welt um ihn herum bekannt machten. Hier wurde der Mensch mit dem Jenseitigen konfrontiert, konnte Erklärungen finden und auch seine Ängste ausleben. Wenn er dann in den Wald ging und das Rauschen des Windes, das Ächzen der Bäume hörte und Irrlichter auf den Tümpeln sah, so kannte er sich nun damit aus. Er konnte diese Erscheinungen zuordnen, wusste, wo es gefährlich war, und konnte sich danach verhalten. Erst viel später, nach dem Zeitalter der Aufklärung, ging man daran, dieses Wissen des Volkes zu sammeln, zunächst in Märchen- und Sagenbüchern und noch später versuchte sich die Wissenschaft an diesen Geschichten. Man deutete die Figuren der Sagen, wies ihnen bestimmte Bereiche zu, gliederte sie geografisch und nach Sprachen, suchte ihre Herkunft zu enträtseln und in ein Konzept zu überführen. Noch später untersuchte man sie psychologisch und parapsychologisch, forschte mit Gesprächen und Instrumenten über die dämonisch belegten Phänomene und erkannte, wie wichtig diese kleinen Kobolde, Wichte, Fanggen, Nörgelen, Riesen, Zwerge, Drachen und Wassermänner für den Menschen waren. Man sah, dass viele dieser Wesen ihre Herkunft im Unterbewusstsein der Menschen hatten, dass sie Ängste ausdrückten, aber dem Menschen auch Lösungen zu deren Bewältigung lieferten.
Viele der Dämonen haben mit dem Tod zu tun, was darauf hinweist, dass es die ältesten dieser Wesen sind, mit denen sich der