Mann und Weib. Уилки Коллинз. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ihr vom Pfarrer ihres Dorfes ertheilte Zeugniß besagte, daß sie an einen unverbesserlichen Trunkenbold verheirathet gewesen sei und daß sie, so lange derselbe gelebt, furchtbar von ihm zu leiden gehabt habe. Es hatte selbst jetzt, wo sie Wittwe war, sein Bedenkliches, sie in Dienst zu nehmen! Bei einer der vielen Gelegenheiten, wo sie von ihrem Manne körperlich mißhandelt worden war, hatte er ihr einen Schlag versetzt, der von sehr verhängnisvoller Wirkung auf ihr Nervensystem werden sollte. Wochenlang hatte sie bewußtlos dagelegen und war, als sie sich wieder erholte, der Sprache völlig beraubt gewesen; dazu kam, daß sie zuweilen ein sehr sonderbares Wesen hatte und daß sie bei der Annahme eines Dienstes es zur ausdrücklichen Bedingung machte, in einem Zimmer allein zu schlafen. Dagegen sprach es sehr zu ihren Gunsten, daß sie mäßig, höchst rechtlich und eine der besten Köchinnen in England war. Diese letztere Eigenschaft hatte Sir Thomas bestimmt, den Versuch mit ihr zu machen und er fand auch, daß er niemals in seinem Leben so gut gegessen habe, als seit dem Tage, wo Hester Dethridge die Leitung seiner Küche übernommen hatte. Nach seinem Tode blieb sie im Dienst seiner Wittwe. Lady Lundie war weit entfernt, ihre Köchin gern zu haben, man konnte sich eines unangenehmen Argwohns gegen diese Person nicht erwehren, über den sich Sir Thomas hinweggesetzt hatte, gegen den aber Alle, die für die Wichtigkeit eines guten Diners weniger empfänglich waren, als Sir Thomas, sieh unmöglich gleichgültig verhalten konnten. Die über den Zustand Hester’s consultirten Aerzte erklärten, daß sie sich durch gewisse physiologosche Erscheinungen zu der Annahme berechtigt glauben, saß die Person ihre Stummheit nur aus Gründen, sie selbst am besten wissen müsse, simulire; sie weigerte sich hartnäckig, das Alphabet der Taubstummen zu erlernen, weil sie, wie sie erklärte, wohl stumm, aber nicht taub sei. Man versuchte es, sie, da sie unzweifelhaft hörte, durch List dahin zu bringen, sich ihrer Sprache zu bedienen; aber umsonst! Man bemühte sich auch, ihr Antworten auf Fragen in Betreff ihrer Vergangenheit zu Lebzeiten ihres Mannes zu entlocken, aber sie weigerte sich ein für allemal, darüber Rede zu stehen. Von Zeit zu Zeit wurde sie von einem sonderbaren Drang ergriffen, sich einen freien Tag außerhalb des Hauses zu machen; wurde ihr die Erlaubniß dazu versagt, so weigerte sie sich, irgend etwas im Hause zu thun; drohte man ihr dann mit Entlassung, so verneigte sie sich mit einer Miene, die zu sagen schien: »Kündigen Sie mir, wenn es Ihnen beliebt, und ich gehe.« Zu wiederholten Malen hatte Lady Lundie sich begreiflicher Weise schon vorgenommen, eine solche Person nicht im Hause zu behalten, aber sie hatte diesen Entschluß bis jetzt nicht zur Ausführung gebracht. Eine Köchin, die eine vollkommene Meisterin in ihrer Kunst ist, die keinen Nebenverdienst sucht, die nichts vergeudet, die niemals in Streit mit den übrigen Dienstboten geräth, die nichts Anderes als Thee trinkt, der man ungezählt Summen Geldes anvertrauen kann, ist nicht leicht zu ersetzen. Wir Alle lassen uns in dieser Welt von Personen und Dingen vielerlei gefallen und so ließ sich auch Lady Lundie viel von ihrer Köchin gefallen. Hester Dethridge lebte so zu sagen, am Rande der Entlassung, hatte aber bis jetzt noch immer ihren Platz behauptet, ihre freien Tage bekommen, wenn sie darum gebeten hatte, was übrigens nicht oft vorkam und hatte, wohin sie auch mit der Familie reisen mochte, immer in einem verschlossenen Zimmer allein geschlafen.

      Hester Dethridge näherte sich langsam dem Tisch, an welchem Lady Lundie saß; am Gürtel ihres Kleides hatte sie eine Schiefertafel mit einem Griffel hängen, deren sie sich bediente um solche Antworten zu ertheilen, die sie nicht durch eine Handbewegung oder ein einfaches Nicken oder Schütteln des Kopfes auszudrücken vermochte. Sie nahm Tafel und Griffel in die Hand und wartete mit steinerner Ergebenheit auf die Fragen ihrer Herrin. Lady Lundie eröffnete das Verhör mit der Eingangsfrage der sie sich bei allen übrigen Dienstboten bedient hatte: »Wissen Sie, daß Miß Silvester das Haus verlassen hat?« Die Köchin nickte mit dem Kopfe.

      »Wissen Sie, wann das geschehen ist?«

      Die Köchin nickte abermals und dass war die erste bejahende Antwort, die Lady Lundie erhalten hatte. Eifrig ging sie zur nächsten Frage über. Haben Sie Miß Silvester gesehen, als sie das Haus verließ?

      Die Köchin nickte zum dritten Male.

      »Und wo?«

      Hester Dethridge schrieb langsam, in für eine Person ihres Standes merkwürdig festen und regelmäßigen Schriftzügen auf die Tafel die Worte: »Auf dem Wege der zur Eisenbahn führt, in der Nähe des Pachthofes der Mrs. Chew!«

      »Was hatten Sie auf dem Pachthofe zu thun?«

      Hester Dethridge schrieb: »Ich brauchte Eier für die Küche und etwas frische Luft für mich selbst.«

      »Hat Miß Silvester Sie gesehen?«

      Die Köchin schüttelte den Kopf.

      »Nahm sie den Weg, der nach der Eisenbahn führt?«

      Die Köchin schüttelte abermals den Kopf.

      »Ging Miß Silvester weiter nach der Haide zur?«

      Hester nickte mit dem Kopfe.

      »Was that sie, als sie auf die Haide kam?«

      Hester schrieb: »Sie schlug den Fußweg ein, der nach Craig Fernie führt.«

      Lady Lundie sprang in großer Aufregung auf. Es gab nur ein einziges Haus, in welches eine Fremde in Craig Fernie gehen konnte.

      »Also in den Gasthof?« rief Lady Lundie »Dahin ist sie also gegangen?«

      Hester Dethridge rührte sich nicht.

      Lady Lundie that eine letzte vorsichtige Frage mit den Worten: »Haben Sie irgend Jemandem davon etwas mitgeiheilt?«

      Hester nickte.

      Darauf war Lady Lundie nicht gefaßt gewesen. Sie dachte nicht anders, als Hester müsse sie mißverstanden haben. »Ich frage, ob Sie Jemandem etwas davon mitgetheilt haben?«

      Hester nickte abermals.

      »Jemand, der Sie wie ich befragte?«

      Hester nickte zum dritten Male.

      »Und das war?«

      Hester schrieb auf ihre Tafel: »Miß Blanche.«

      Lady Lundie fuhr entsetzt zurück bei der Entdeckung, daß Blanches Entschluß, Anne Silvester’s Spur zu verfolgen, allem Anscheine nach eben so fest sei, wie der ihrige. Ihre Stieftochter agirte also im Geheimen und auf eigene Verantwortlichkeit. Die Art, wie Miß Silvester das Haus verlassen hatte, empfand Lady Lundie als eine tödtliche Beleidigung. Als eine von Grund aus rachsüchtige Natur hatte sie fest beschlossen, jeden irgend compromittirenden Umstand in dem Geheimniß der Gouvernante herauszubringen und dem etwaigen Ergebniß ihrer Nachforschungen, natürlich nur aus reinstem Pflichtgefühl, die größtmögliche Verbreitung in ihrem Freundeskreise zu verschaffen. Wenn aber Blanche, wie es den Anschein hatte, in einer ganz entgegengesetzten Weise und nur im Interesse von Anne Silvester verfuhr, so war das Gelingen von Lady Lundie’s Bemühungen offenbar unmöglich. Was sie zunächst und zwar augenblicklich zu thun hatte, war, Blanche wissen zu lassen, daß sie von ihren Schritten unterrichtet sei und ihr streng zu untersagen sich ferner in die Sache zu mischen. Lady Lundie klingelte zwei Mal, was soviel bedeutete, als daß ihre Kammerjungfer erscheinen solle. Dann wandte sie sich wieder zu der Köchin die immer noch mit derselben steinernen Ruhe, ihre Schreibtafel in der Hand die Befehle ihrer Herrin erwartete. »Sie haben Unrecht gethan«, sagte Lady Lundie strenge, »ich bin Ihre Herrin, Sie haben mir Rede zu stehen!«

      Hester Dethridge verneigte sich zum Zeichen ihrer Anerkennung des eben ausgesprochenen Princips.

      Lady Lundie empfand diese Verneigung sofort als eine unpassende Unterbrechung. »Aber Miß Blanche ist nicht Ihre Herrin«, fuhr sie im scharfen Tone fort, »Sie sind sehr zu tadeln, daß Sie Miß Blanche’s Fragen über Miß Silvester beantwortet haben.«

      Hester Dethridge schrieb, von diesem Vorwurf vollkommen unberührt, ihre Rechtfertigung in zwei ferneren Sätzen auf die Tafel: »Ich hatte keinen Befehl, Miß Blanche nicht zu antworten; ich bewahre Niemandes Geheimnisse, als meine eigenen.«

      Durch diese Antwort war die seit Monaten schwebende Frage der Entlassung Hester Dethridges auf einmal entschieden. »Sie sind eine impertinente Person, ich habe es lange genug mit Ihnen ausgehalten und will es nicht länger, wenn Ihr Monat zu Ende ist gehen Sie.« Mit diesen Worten entließ Lady Lundie Hester Dethridge aus ihrem Dienste.

      Nicht