»Die beiden jungen Mädchen«, sagte er, »werden den Garten schmerzlich vermissen Es ist wirklich schade, daß Sie das hübsche Haus aufgeben wollen.«
»Das Aufgeben ist nicht das Schlimmste dabei«, antwortete Mrs. Vanborough. »Wenn mein Mann Hampstead zu entfernt von London findet, so müssen wir es natürlich verlassen. Das einzige, was ich dabei beklage, ist, daß das Haus vermiethet werden soll.«
Herr Vanborough warf seiner Frau einen möglichst unfreundlichen Blick zu und fragte: »Was kümmert denn Dich die Vermiethung?«
Mrs. Vanborough versuchte es, die Wolken am Horizont des ehelichen Himmels durch ein Lächeln zu verscheuchen.
»Lieber John«!, sagte sie sanft, »Du vergißt, daß, während Du den Tag über im Geschäft bist, ich den ganzen Tag hier bin und alle die Leute, die das Haus in Augenschein nehmen, sehen muß. Und was für Leute!« fuhr sie gegen Mr. Kendrew gewandt fort, »sie sehen Alles mit mißtrauischen Augen an, vom Fußkratzer vor der Hausthür bis zu den Kaminen auf dem Dach. Sie dringen zu allen Tagesstunden ein, thun alle erdenklichen Unverschämten Fragen und geben Ihnen deutlich zu verstehen, daß sie Ihren Antworten nicht glauben, noch bevor Sie Zeit gehabt haben, sie auszusprechen. Eine Frau hatte neulich die Ungezogenheit, mich zu fragen, ob ich glaube, daß die Abzugsröhren in Ordnung seien und schnüffelte dabei argwöhnisch umher, noch ehe ich ihre Frage bejahen konnte. Ein flegelhafter Mensch fragte mich, »Sind sie auch sicher, daß das Haus solide gebaut ist«, und stampfte dabei wieder, ehe ich ihm eine Antwort geben konnte, mit aller Gewalt mit beiden Füßen auf den Fußboden. Kein Mensch will an den festen Grund unserer Gartenwege und an unsere Aussicht nach Süden glauben, kein Mensch will etwas von dem, was wir zur Verbesserung des Hauses angeschafft haben, übernehmen. Sobald sie von John’s artesischem Brunnen hören, machen sie ein Gesicht, als ob sie niemals Wasser tränken; Und wenn sie zufällig über meinen Hühnerhof gehen, so thun sie, als wenn sie nie gewußt hätten, daß ein frisches Ei ein gutes Ding ist.«
Mr. Kendrew lachte. »Ich habe das meiner Zeit auch Alles durchmachen müssen« sagte er. »Die Leute, die ein Haus miethen wollen, sind die gebotnen Feinde der Vermiether. Komisch genug, – nicht wahr, Vanborough?«
Die üble Laune Vanboroughs wich vor der Anrede seines Freundes so wenig, wie vor den Worten seiner Frau. »Sie werden wohl Recht haben«, sagte er, »ich habe nicht zugehört.«
Diesesmal war sein Ton fast grob. Mrs Vanborough sah ihren Mann mit einem Ausdruck unverhohlener Ueberraschung und Verstimmung an. »John«, sagte sie. »Was ist Dir nur? Hast Du Schmerzen?
Man kann doch wohl verdrießlich sein, ohne gerade Schmerzen zu haben.«
»Es thut mir leid, daß Du Verdruß gehabt hast, im Geschäft?«
»Jawohl, im Geschäft.«
»Du solltest Mr. Kendrew zu Rathe ziehen.«
»Ich warte nur auf den Moment, wo ich das werde thun können.«
Mrs Vanborough erhob sich auf der Stelle. »Bitte, willst Du klingeln«, sagte sie »wenn der Caffee gebracht werden soll.« Als sie an ihrem Mann Vorüberging, blieb sie stehen und legte ihm die Hand zärtlich an die Stirn. »Wenn ich nur die Falte da glätten könnte«, flüsterte sie ihm zu. Vanborough schüttelte ungeduldig den Kopf, Mrs Vanborough ging seufzend nach der Thür. Aber bevor sie das Zimmer verließ, rief ihr ihr Mann nach: »Sorge dafür, daß wir nicht gestört werden.«
»Ich will thun, was ich kann, John. Aber«, fuhr sie, mit einem Blick auf Mk. Kendrew, der ihr die Thür geöffnet hatte, fort, indem sie sich bemühte, wieder heiter zu erscheinen, »denkst Du auch an unsere geborenen Feinde? Auch zu dieser späten Tagesstunde können noch Leute kommen, die das Haus sehen wollen.«
Die beiden Herren waren nun allein. Ihre äußere Erscheinung bildete den schärfsten Contrast Vanborough war groß gewachsen und von dunklem Teint – ein auffallend schöner Mann, mit einem Ausdruck großer Energie, der Niemandem entging und einer angeborenen Falschheit des Wesens, deren Spuren nur ein scharfer Beobachter in seiner Physiognomie entdecken mochte. Kendrew dagegen war klein und schmächtig und von unbeholfenem, ungeschicktem Benehmen, außer wenn ihn etwas in Affect versetzte. Dem Auge des oberflächlichen Betrachters mußte er als ein häßlicher und unbedeutender kleiner Mann erscheinen, ein Menschenkenner aber, dessen Blick unter die Oberfläche zu dringen versteht, würde eine auf Wahrheit und Treue beruhende, edle Natur gefunden haben.
Vanborough eröffnete die Unterhaltung. »Wenn Sie sich je verheirathen, Kendrew«, sagte er, »so lassen Sie sich meine Thorheit zur Warnung dienen, nehmen Sie keine Frau von der Bühne.«
»Wenn ich eine Frau, wie die Ihrige finden könnte«, erwiderte Kendrew, »so würde ich sie auf der Stelle nehmen, gleichviel ob sie auf der Bühne gewesen wäre, oder nicht. Eine schöne, kluge Frau von tadellosem Rufe, und die Sie zärtlich liebt! Was, in aller Welt, wollen Sie mehr?«
»Was ich mehr will? Sehr viel. Ich will eine Frau von vornehmer Familie und von feiner Erziehung und Bildung, die die beste Gesellschaft in England bei sich sehen und ihrem Manne zu einer distinguirten Stellung in, der Welt verhelfen kann!«
»Was? eine Stellung in der Welt»rief Kendrew. »Sie, ein Mann, dem sein Vater ein Vermögen von einer halben Million unter der einzigen Bedingung hinterlassen hat, daß er die Führung eines der größten kaufmännischen Geschäfte in England übernehme?! Und Sie reden von einer Stellung, als wenn Sie nicht der Chef Ihres Hauses, sondern ein junger Commis in dem Geschäft Ihres Vaters wären. Was in aller Welt kann Ihr Ehrgeiz denn noch anstreben?«
Vanborough leerte sein vor ihm stehendes Glas und sah seinem Freund gerade in’s Gesicht. »Mein Ehrgeiz trachtet nach einer parlamentarischen Carriere, die mir ohne Zweifel offen stehen und mich in’s Oberhaus führen würde, wenn nicht meine geschätzte Gattin mir im Wege stände.
Kendrew erhob die Hand zu einer warnenden Bewegung »Reden Sie nicht so«, sagte er, »wenn es Scherz sein soll, so gestehe ich, für einen solchen Scherz keinen Sinn zu haben. Wenn Sie aber ernsthaft sprechen, so drängen Sie mir einen Argwohn auf, den ich lieber nicht hegen möchte. Lassen Sie uns lieber von etwas Anderem reden!«
»Im Gegentheil! Sprechen Sie gerade heraus. Was argwöhnen Sie?«
»Ich argwöhne, daß Sie anfangen, Ihrer Frau überdrüssig zu werden.«
»Sie ist zweiundvierzig und ich bin fünfunddreißig Jahre alt, und wir sind jetzt dreizehn Jahre mit einander verheirathet. Das Alles wissen Sie und argwöhnen nur, daß ich ihrer überdrüssig bin. Wie unschuldig! Haben Sie mir noch mehr zu sagen?«
»Wenn Sie in mich dringen, Alles zu sagen, was ich denke, so mache ich von dem Rechte eines alten Freundes Gebrauch und sage Ihnen, Sie benehmen sich gegen Ihre Frau nicht, wie Sie sollten. Es sind jetzt ungefähr zwei Jahre her, daß Sie nach langer Abwesenheit auf die Nachricht von Ihres Vaters Tode nach England zurückkehrten. Außer mit mir und ein paar anderen alten Freunden haben Sie Ihre Frau bis heute noch mit keinem Menschen bekannt gemacht. Ihre Stellung in der Geschäftswelt verschafft Ihnen den Zutritt in die Kreise der besten Gesellschaft, aber nirgends führen Sie Ihre Frau ein. Sie gehen in die Welt, als wären Sie Junggeselle. Ich weiß aus sicherer Quelle, daß Sie wirklich in den Kreisen, die Sie frequentiren, von mehr als Einem für einen Junggesellen gehalten werden. Verzeihen Sie mir, daß ich meine Meinung so offen heraus sage. Es ist Ihrer unwürdig, Ihre Frau hier vor den Augen der Welt zu verbergen, als ob Sie sich ihrer schämten.«
»Und wenn ich mich nun wirklich ihrer schämte?«
»Vanborough!«
»Gemach, gemach! Die Sache steht nicht ganz so, wie Sie sie mir darzustellen belieben, lassen Sie sich einmal ruhig die Thatsachen, wie sie sind, vorführen. Vor dreizehn Jahren verliebte ich mich in eine schöne Sängerin und heirathete sie. Mein Vater zürnte mir deshalb, und ich mußte mich entschließen, mit ihr in’s Ausland zu gehen und dort zu leben. Mein Vater vergab mir auf seinem Totenbett, und ich konnte nun mit ihr nach England zurückkehren. Im Auslande war die Vergangenheit meiner Frau