»Bis jetzt kann ich nicht sagen, daß er mir gefiele.«
»Gerade so geht es mir. Aber ich weiß nicht, es ist möglich, daß wir ihm Unrecht tun. Man kann eigentlich nichts gegen John Jago einwenden, als daß er ein absonderlicher Mensch ist. Man sagt, er trüge den großen hässlichen Bart, und für mich ist ein Bart etwas Schreckliches, weil er beim Tode einer Frau ein Gelübde getan hätte. Aber glauben Sie nicht, Mr. Lefrank, daß der Mann – etwas verrückt sein muß, der seinem Kummer über den Tod seiner Frau dadurch Ausdruck gibt, daß er gelobt, sich nie wieder zu rasieren? Nun, und dies Gelübde soll John Jago getan haben. Es mag nicht wahr sein. Die Leute lügen hier fürchterlich. Wie dem auch sei, eines bezeugen selbst die jungen Leute, nämlich, daß John Jago, als er auf die Farm kam, die besten Empfehlungen besaß. Es ist schwer, dem alten Vater zu gefallen und es ihm recht zumachen, und beides gelang John Jago. Mr. Meadowcroft mag meine Landsleute im Allgemeinen nicht. Er ist wie seine Söhne Engländer bis in das innerste Mark hinein, aber trotzdem gewann John Jago sehr bald seine Gunst – vielleicht weil dieser sein Geschäft gründlich versteht. Denn das ist der Fall. Seit er die Oberaussicht führt, gedeihen Felder und Vieh ganz anders, als zur Zeit der jungen Leute. Ambrosius hat mir das selbst zugegeben. Aber dennoch ist es hart, eines Fremden wegen bei Seite gesetzt zu werden, nicht wahr, Sir? John befiehlt jetzt und die Beiden müssen gehorchen und haben keine Stimmen, wenn John und der Alte die Köpfe über die Angelegenheiten der Farm zusammen stecken. Ich habe Ihnen dies ein wenig ausführlich erzählt; aber nun wissen Sie auch, wie der Neid und der Haß vor meiner Zeit hier unter den Männern entstanden ist. Seit ich hier bin, scheint es immer schlimmer zu werden. Es vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht harte Worte setzt zwischen den Söhnen und John, oder zwischen dem Vater und den Söhnen. Der alte Mann hat eine aufreizende Art, – eine abscheuliche Art, wie wir es nennen – John Jagos Partei zu nehmen. Sprechen Sie mit ihm darüber, wenn Sie Gelegenheit dazu finden, denn ich glaube er trägt die Hauptschuld bei den neuerlichen Händeln zwischen Silas und John. Ich will Silas keineswegs freisprechen von Schuld, obgleich er Ambrosius Bruder ist. Es war brutal von ihm, nach John zu schlagen, der der Kleinere und Schwächere von Beiden ist. Aber es war noch schlimmer als brutal von John, das Messer zu ziehen und nach Silas zu stechen. Ja, das tat er! Wenn Silas das Messer nicht gepackt hätte – und er schnitt sich die Hand dabei furchtbar, kann ich Ihnen sagen, ich habe sie selbst verbunden – so hätte die Sache leicht mit einem Morde enden können.«
Als das Wort über ihre Lippen war, hielt sie inne, sah über ihre Schulter und fuhr erschreckt zurück.
Ich blickte nach derselben Richtung wie meine Gefährtin und sah die dunkle Gestalt eines Mannes im Schatten des Eibenbaumes stehen, und uns beobachten. Ich erhob mich sofort, um ihm entgegen zu treten, aber Naomi, die ihre Kaltblütigkeit bereits wiedergewonnen hatte, hielt mich zurück.
»Wer sind Sie?« fragte sie, indem sie sich scharf nach dem Unbekannten umdrehte. »Was suchen Sie hier?«
Der Mann trat aus dem Schatten des Baumes in das volle Mondlicht, und wir sahen John Jago vor uns stehen.
»Ich hoffe, daß ich nicht störe,« sagte er, indem er mich scharf anblickte.
»Was wollen Sie?« fragte Naomi abermals.
»Ich will Sie nicht stören, noch diesen Herrn,« erwiderte er. »Wenn Sie ganz frei sind, Miß Naomi, würden Sie mir eine Gunst erweisen, wenn Sie mir gestatteten, mit Ihnen einige Worte allein zu sprechen?«
Er sprach mit der ausgesuchtesten Höflichkeit, während er sich zugleich vergeblich bemühte, die heftige Aufregung, in der er sich befand, zu bemeistern. Seine wilden braunen Augen, die im Mondschein noch unheimlicher aussahen, hingen flehend und mit einem seltsamen Aus.druck von Verzweiflung an Naomis Antlitz. Seine Hände, die er leicht gefaltet herunterfallen ließ, zitterten beständig. So wenig Sympathie mir der Mann einflößte, so erschien er mir doch in dem Augenblick beklagenswert
»Sie meinen doch nicht, daß es noch heute Abend sein müßte?« fragte Naomi mit unverhohlener Überraschung.
»Ja, Miß, wenn Sie so gütig sein wollen – sobald es Ihnen und Mr. Lefrank passen wird.«
Naomi zögerte.
»Kann es nicht bis morgen bleiben.?« fragte sie.
»Ich bin morgen den ganzen Tag von der Farm abwesend. Bitte, haben Sie die Güte, mir heute Abend einige Augenblicke zu schenken.« Er trat einen Schritt näher auf sie zu, seine Stimme bebte, und schüchtern und leiser fuhr.er fort: »Ich habe Ihnen wirklich etwas zusagen, Miß Naomi. Es wäre von Ihnen eine Güte – eine sehr, sehr große Güte – wenn Sie es mir zu sagen erlaubten, bevor ich mich heute zur Ruhe begebe.«
Ich stand abermals auf um ihm meinen Platz zu räumen; aber Naomi hielt mich wieder zurück.
»Nein, bleiben Sie,« sagte sie und fuhr dann gegen John gewendet mit innerem Widerstreben fort: »Wenn Sie so großes Gewicht darauf legen, Mr. Jago, so wird es wohl sein müssen. Ich begreife freilich nicht, was Sie mir zu sagen haben können, was nicht vor einem Dritten gesagt werden kann; aber es «wäre vielleicht nicht höflich von mir, wenn ich es Ihnen abschlüge. Sie wissen, daß ich jeden Abend um Zehn die große Uhr in der Halle aufziehe. Wenn es Ihnen passt, mir dabei zu helfen, so werden wir wahrscheinlich allein.in der Halle sein. Sind Sie damit zufrieden?«
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