Die Blinde. Уилки Коллинз. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ebenso böswillig, wie unverbesserlich auf falscher Fährte wähnte.

      »Ein Falschmünzer, den der Chef eines der ersten Handlungshäuser in London für seinen ehrenwerthen Mann erklärt,« rief sie aus. »Wir Engländer sind gelegentlich sehr excentrisch, aber unsere nationale Verrücktheit hat doch ihre Grenzen, Madame Pratolungo, und Sie haben mit Ihrer Annahme diese Grenzen bereits überschritten. Wollen wir ein wenig musiciren?«

      Sie sagte das in einem etwas empfindlichen Tone. Herr Dubourg war der Held ihres Romans Jeder von mir gemachte Versuch, ihn in ihrer Achtung herab zusetzen war ihr empfindlich. Gleichwohl beharrte ich bei meiner ungünstigen Meinung von ihm. Bei unserer Meinungsverschiedenheit handelte es sich, wie ich es ihr hätte sagen können, um die Frage, ob der Londoner Kaufmann Glauben verdiene oder nicht. Nach ihrer Ansicht bot sein Reichthum eine genügende Gewähr für seine Redlichkeit. Nach meiner gut socialistischen Ansicht sprach gerade dieser Umstand entschieden gegen ihn. Kapitalist und Falschmünzer, beide sind jeder in seiner Art Räuber. Ob der Kapitalist den Falschmünzer oder der Falschmünzer den Kapitalisten empfiehlt, gilt mir ganz gleich. In beiden Fällen sind, wie es in einem englischen Stück vortrefflich heißt, die Ehrlichen das weiche behagliche Kissen, auf welchem diese Spitzbuben sich ausruhen und mästen. Ich stand im Begriff, Lucilla diese meine weitere und liberalere Auffassung des Gegenstandes mitzutheilen. Aber ach! Es war nur zu klar, daß das arme Kind von den beschränkten Vorurtheilen der Gesellschaft, in welcher sie lebte, angesteckt war. Wie sollte ich mich am ersten Tage unseres Beisammenseins der Gefahr einer Veruneinigung aussetzen? Nein, das durfte nicht geschehen! Ich gab dem allerliebsten hübschen, blinden Mädchen einen Kuß; wir gingen zusammen nach dem Klavier und ich verschob den Versuch, aus Lucilla eine gute Socialistin zu machen, auf eine passendere Gelegenheit. Wir hätten das Klavier ebenso gut uneröffnet lassen können. Es wollte mit der Musik durch aus nicht gehen. Ich spielte so gut ich konnte, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin. Sie hörte mir mit dem besten Willen, Vergnügen daran zu finden, zu; sie dankte mir zu wiederholten Malen; sie versuchte es, auf meine Bitte selbst zu spielen und wählte die ihr vertrauten Compositionen, welche sie auswendig wußte. Vergebens! Der abscheuliche Dubourg, der ihr ganzes Interesse in Anspruch genommen hatte, war nicht zu verdrängen. Sie versuchte und versuchte, aber es wollte nicht gehen. Seine Stimme klang ihr noch in den Ohren und das war die einzige Musik, für welche sie diesen Abend Sinn hatte. Ich setzte mich wieder ans Klavier und fing noch einmal an zu spielen. Plötzlich schlug sie mir die Hände von den Tasten und sagte flüsternd: »Ist Zillah hier?« Ich sagte ihr, daß Zillah das Zimmer verlassen habe. Da legte sie ihr reizendes Köpfchen auf meine Schulter, seufzte krampfhaft und brach in die Worte aus: »Ich kann nicht anders, ich muß fortwährend an ihn denken. Zum ersten Male in meinem Leben fühle ich mich unglücklich! nein – glücklich! O, was müssen Sie von mir denken! Ich weiß nicht, was ich rede. Warum ermuthigten Sie ihn, mit uns zu sprechen? Ohne Sie hätte ich vielleicht nie seine Stimme gehört.« Sie richtete sich mit einem kleinen Schauer wieder auf und beruhigte sich. Mit der einen Hand fuhr sie über die Tasten hin und spielte leise. »Seine reizende Stimme,« flüsterte sie träumerisch, während sie spielte, »o, seine reizende Stimme!« Dann hielt sie wieder inne und sagte, indem sie ihre Hand von den Tasten herab sinken ließ und meine Hand erfaßte, halb zu sich selbst, halb zu mir: »Ist das Liebe?«

      Meine Pflicht als respectable Frau war mir klar vorgezeichnet; ich mußte ihr eine Lüge sagen. »Es ist nichts weiter, liebes Kind,« sagte ich, »als zu große Aufregung und zu große Ermüdung. Morgen sollen Sie wieder mein junges Fräulein sein, heute Abend müssen Sie nur mein Kind sein. Kommen Sie, lassen Sie mich Sie zu Bett bringen«

      Sie fügte sich mit einem müden Seufzer. O, wie lieblich sie aussah, das unschuldige bekümmerte Wesen, als sie in ihrer reizenden Nachttoilette vor ihrem Bette kniete und ihr Nachtgebet sprach. Ich bekenne es offen, ebenso rasch im Lieben wie im Hassen zu sein. Als ich ihr gute Nacht gesagt und sie verlassen hatte, fühlte ich, daß ich sie nicht zärtlicher hätte lieben können, wenn sie mein eigenes Kind gewesen wäre. Jeder meiner Leser ist, wenn er nicht ein äußerst zurückhaltendes Wesen hat, wohl einmal Leuten von meiner Art begegnet, die ihm bei einer Fahrt auf der Eisenbahn oder als Nachbarn an der table d’hôte sofort die vertraulichsten Mittheilungen über alle ihre Privatangelegenheiten gemacht haben. Ich glaube, ich werde es bis an mein Ende nicht aufgeben, bei einer vorüber gehenden Begegnung mit Fremden alsbald Freundschaft mit ihnen zu schließen. Der niederträchtige Dubourg! Wenn ich an jenem Abende nach Browndown hätte gelangen können, hätte ich gern an ihm gethan, was eine mexikanische Magd, die ich in der centralamerikanischen Periode hatte, mit ihrem betrunkenen Manne that, der eine Art von Hausierer war und mit Peitschen und Stöcken handelte. Eines Abends nähte sie ihn als er, seinen Rausch verschlafend, auf dem Bette lag, fest in sein Betttuch ein, holte dann seinen ganzen Waarenvorrath aus der Ecke des Zimmers hervor und schlug denselben auf ihm kurz und klein, bis er von Kopf bis zu Fuß zu einer gallertartigen Masse zusammengeprügelt war. Da mir dieses Hilfsmittel nicht zu Gebote stand, setzte ich mich in meinem Schlafzimmer hin und überlegte, was ich, wenn die Angelegenheit mit Dubourg sich noch weiter fortspinnen sollte, zunächst zu thun haben würde.

      Ich habe bereits erwähnt, daß Lucilla und ich den ganzen Nachmittag recht nach Frauenart damit zugebracht hatten, über uns selbst zu plaudern. Zum; besseren Verständniß des Gedankenganges, den ich bei meinen Erzählungen verfolgte, will ich hier der Hauptsache nach das erzählen, was mir Lucilla über ihre eigenthümliche Stellung in dem Hause ihres Vaters mitgetheilt hatte.

       Sechstes Kapitel.

      Ein Käfig voll von Finch’s

      Es giebt nach meinen Erfahrungen große Familien von zweierlei Art. Familien, deren Glieder alle einander bewundern, und solche, deren Glieder sich unter einander verabscheuen. Ich für meinen Theil ziehe die zweite Art vor. Ihre Zänkereien sind ihre Sache und sie haben einen Vorzug, den die erstere Art nicht besitzt, den nämlich, daß sie bisweilen im Stande sind, die guten Eigenschaften von Personen zu erkennen, welche nicht das Glück haben, ihre Blutsverwandten zu sein. Die Familien, deren Glieder sich alle unter einander bewundern, sind mit einer unerträglichen Selbstgefälligkeit behaftet. Wenn man mit solchen Leuten zufällig von Shakespeare als einem Typus höchster geistiger Begabung spricht, kann man sicher sein, daß ein weibliches Mitglied der Familie Einem zu verstehen geben wird, man würde ein viel schlagenderes Beispiel angeführt haben, wenn man sie auf ihren »lieben Papa« verwiesen hätte. Geht man aber mit einem männlichen Mitgliede dieser Familie spazieren und sagt von einer vor übergehenden Dame: »Welch’ ein reizendes Geschöpf!« so kann man sich darauf verlassen, daß der Mann über unsere Einfalt lächelt und verwundert fragt: ob man nie seine Schwester in Balltoilette gesehen habe? Das sind die Familien, deren Glieder, wenn sie getrennt sind, täglich mit einander correspondiren. Sie lesen uns Auszüge aus ihren Briefen vor und sagen: »Wo ist der Schriftsteller, der so zu schreiben versteht?« Sie reden in unserer Gegenwart von ihren Privatangelegenheiten und scheinen zu meinen, daß wir uns dafür interessiren müßten; sie amüsieren sich über Tisch über ihre eigenen Witze und können nicht begreifen, daß wir uns nicht auch amüsieren. In häuslichen Kreisen dieser Art sitzen die Schwestern gewöhnlich auf dem Schoße ihrer Brüder und erkundigen sich die Männer so ungenirt nach den körperlichen Beschwerden ihrer Frauen, als wenn sie mit ihnen allein wären. Wenn wir einmal in einem fortgeschritteneren Stadium der Civilisation angelangt sein werden, wird der Staat dafür sorgen, daß diese unerträglichen Menschen in Käfige gesperrt und daß an die Straßenecken Anschlagszettel geklebt werden, auf welchen zu lesen stehen wird: »Man hüte sich vor Numero Zwölf: da wohnt eine Familie die sich im Zustande gegenseitiger Bewunderung befindet.«

      Aus Lucilla’s Mittheilungen ersah ich, daß die Finchs zu der zweiten oben erwähnten Art großer Familien gehören. Kaum ein einziges Mitglied dieser Familie stand mit dem andern auch nur auf einem Sprechfuß. Und einige von ihnen waren Jahrelang von einander getrennt gewesen, ohne auch nur ein einziges Mal die Post für die Beförderung eines noch so knappen Ausdrucks ihrer Gefühle gegen einander in Anspruch genommen zu haben. Die erste Frau des ehrwürdigen Finch war ein Fräulein Batchford gewesen; die Mitglieder ihrer Familie, welche zur Zeit ihrer Verheirathung nur aus einem Bruder und aus einer Schwester bestanden, waren mit dieser Partie sehr unzufrieden; der Rang eines Finch – ich lache über diese erbärmlichen Rangunterschiede —, wurde in diesem Falle dem Range eines Batchford