Er behauptete also sein Alibi. Die Freunde des Herrn Dubourg waren von seiner Unschuld vollkommen überzeugt. Um auch dem Gericht diese Ueberzeugung beizubringen, erschien es unerläßlich, die Dame als Zeugin zu vernehmen. Inzwischen wurde Herrn Dubourg eine andere rein formelle Frage vorgelegt; die nämlich, ob er irgend etwas über den Ermordeten wisse. Mit einem gewissen Anschein von Bestürzung gestand Herr Dubourg, daß er sich von einem Freunde habe überreden lassen, den Mann mit einer gewissen Arbeit zu beschäftigen. Durch fernere Fragen wurde er zur Angabe der folgenden Thatsachen veranlaßt:
Daß die betreffende Arbeit sehr schlecht gemacht gewesen sei, daß der Mann einen exorbitanten Preis für dieselbe gefordert habe, daß derselbe sich, als Dubourg ihm wegen dieser Ueberforderung Vorstellungen gemacht, grob und impertinent benommen habe, daß ein Wortwechsel zwischen ihnen entstanden sei, daß Dubourg den Mann am Rockkragen gepackt und zum Hause hinausgeworfen habe, daß er den Mann im Zorn einen infamen Schuft gescholten und ihm gedroht habe, ihn so zu prügeln, daß er kaum mit dem Leben davon kommen solle, (oder wie er sich im ähnlichen Sinne ausgedrückt haben möge) falls er sich je wieder in der Nähe seines Hauses blicken lassen sollte; daß er seit jenem Streit, welcher sechs Wochen vor der Ermordung stattgefunden, nie wieder den Mann weder gesprochen, noch mit Augen gesehen habe.
Nach der damaligen Lage der Sache wurden diese, Umstände als für Herrn Dubourg ungünstige betrachtet; aber er konnte sich auf sein »Alibi« und auf seinen guten Namen berufen, und niemand zweifelte an einem für Dubourg günstigen Ausgang. Die Dame erschien als Zeugin. Als sie mit Herrn Dubourg confrontirt und genöthigt wurde; sich über die Zeitfrage zu er klären, widersprach sie ihm, auf das Zeugniß der Kaminpendüle gestützt auf das Entschiedenste. Ihre Aussage lief wesentlich auf Folgendes hinaus: sie habe, als Herr Dubourg zu ihr in’s Zimmer getreten sei, auf ihre Pendüle geblickt und gedacht, es sei etwas spät für einen Besuch. Die erst Tags zuvor von dem Uhrmacher regulirte Pendüle habe fünfundzwanzig Minuten vor neun Uhr gezeigt. Ein angestellter Versuch ergab, daß es gerade fünf Minuten erforderte um raschen Schritts von dem Zauntritt nach dem Hause der Dame zu gehen. So wurde denn also die Angabe des Renteneinnehmers, der selbst ein respectabler Zeuge war, in der Aussage dieser Zeugin von angesehener Stellung und vorzüglichem Ruf unterstützt. Die Pendüle ging, wie sich bei einer demnächst vorgenommenen Untersuchung ergab, richtig. Die Aussage des Uhrmachers ergab, daß er den Uhrschlüssel im Verwahrsam habe und daß er, seit er die Uhr am Tage vor dem Besuche des Herrn Dubourg aufgezogen und gestellt, noch nichts wieder mit derselben vorgenommen habe. Nachdem so die Richtigkeit der Uhr festgestellt worden, schien sich daraus der unabweisliche Schluß zu ergeben daß Herr Dubourg überführt sei, zu der Zeit wo der Mord begangen worden, auf dem Felde gewesen zu sein; ferner, seiner eigenen Aussage gemäß mit dem Ermordeten nicht lange vor seinem Tode einen Streit gehabt zu haben, der mit einer thatsächlichen Mißhandlung und mit einer Drohung von seiner Seite geendet hatte, und endlich den Versuch gemacht zu haben, durch eine falsche Zeitangabe ein Alibi nachzuweisen. Es blieb nichts übrig, als ihn unter der Anklage der Ermordung des Bauunternehmers auf dem »Pardon-Felde« vor die Assisen zu verweisen. Die Proceßverhandlungen füllten zwei Tage aus. In der Zwischenzeit waren keine neuen Thatssachen an den Tag gekommen. Die Zeugenaussagen lauteten ebenso wie bei der Voruntersuchung, wurden aber jetzt sorgfältiger gesichtet. Herr Dubourg hatte den doppelten Vortheil für sich, sich den Beistand des ersten Advocaten im Gerichtsbezirk sichern zu können und die lebhafteste Sympathie bei den Geschworenen zu erwecken, welche das regste Interesse an seiner Lage nahmen und eifrigst nach Beweisen für seine Unschuld aussahen. Am Ende des ersten Tages hatten die Zengenaussagen so entschieden zu seinen Ungunsten gelautet daß sein eigener Vertheidiger an dem Ausgange verzweifelte.
Als der Gefangene am zweiten Tage seinen Platz auf der Anklagebank einnahm, gab es unter den Zuhörern im Gerichtssaal nur eine Ueberzeugung. Jedermann sagte: »Die Pendüle wird ihn an den Galgen bringen.« Es war beinahe zwei Uhr Nachmittags und die Verhandlungen sollten gerade auf eine Stunde vertagt werden, als man sah, wie der Anwalt des Angeklagten dem für ihn plaidirenden Advocaten ein Papier einhändigte. Dieser erhob sich unter Anzeichen, der Aufregung, welche die Neugierde der Anwesenden erregten. Er verlangte die sofortige Vernehmung einer neuen Zeugin, deren Aussage zu Gunsten des Angeklagten zu wichtig sei, als daß die Vernehmung auch nur einen Augenblick verschoben werden dürfe. Nach einer kurzen Unterredung zwischen dem Richter und den Advocaten beider Parteien entschied sich der Gerichtshof für die Fortsetzung der Sitzung. Die Zeugin erschien; es war ein junges Mädchen von zartem Aussehen. An jenem Abend, als der Angeklagte der Dame seinen Besuch gemacht hatte, stand sie bei der Dame als Hausmädchen im Dienst. Am nächsten Tage hatte sie einen ihr schon vorher von ihrer Herrin zugestandenen achttägigen Urlaub angetreten und hatte denselben, zu einem Besuch ihrer in dem Westen von Cornwall wohnenden Eltern benutzt. Dort sei sie krank geworden und habe sich bisher noch nicht hinreichend wieder erholt um zu ihrem Dienst zurückzukehren. Nach diesem Vorbericht über ihre Person machte das Hausmädchen die folgenden merkwürdigen Angaben in Betreff der Pendüle ihrer Herrin. An dem Morgen des Tages, an welchem Herr Dubourg seinen Besuch gemacht habe, habe sie das Kaminsims gereinigt. Sie habe mit dem Staubtuch die Stelle des Simses, auf welcher die Pendüle stand, gerieben, habe dabei zufällig an dem Pendel gerührt und denselben zum Stillstehen gebracht. Bei einer früheren Gelegenheit wo ihr dasselbe begegnet habe sie dafür heftige Vorwürfe erhalten. Aus Furcht daß eine Wiederholung ihrer Unvorsichtigkeit an einem Tage, nachdem die Pendüle von einem Uhrmacher regulirt worden sei, vielleicht die Zurücknahme des Urlaubs zur Folge haben könne, habe sie beschlossen, die Sache womöglich selbst wieder in Ordnung zu bringen. Nachdem sie die Pendüle von unten, her angestoßen, auf diese Weise aber den Pendel nicht wieder zum Gehen habe bringen können, habe sie versucht, die Pendüle aufzuheben und sie zu schütteln. Es war eine marmorne Pendüle, auf welcher eine Bronzefigur stand und sie war so schwer, daß das Mädchen genöthigt war, etwas zu suchen, was ihr als Hebel dienen könne Ein solcher Gegenstand war im Augenblick nicht leicht zu finden. Als es ihr endlich gelungen war, einen dazu passenden Gegenstand, aufzutreiben, machte sie es möglich, die Pendüle einige Zoll hoch zu heben und dann wieder hinzustellen und sie so wieder zum Gehen zu bringen. Demnächst mußte sie natürlich die Zeiger verschieben. Auch dabei stieß sie auf ein Hinderniß Der Glasdeckel über dem Zifferblatt wollte sich nicht öffnen lassen. Nachdem sie vergebens nach einem Instrumente gesucht das ihr dazu verhelfen könne, habe sie von dem Diener, ohne ihm zu sagen, wozu sie denselben brauchen wolle, einen kleinen Grabstichel erhalten, damit habe sie den Glasdeckel nachdem sie unversehens den metallenen Rand desselben geschrammt geöffnet und habe die Zeiger nach ungefährem, Ermessen gestellt. Sie war in jenem Augenblick in der Furcht daß ihre Herrin sie auffinden mochte, etwas aufgeregt gewesen. Später am Tage habe sie dann gefunden, daß sie den während ihres Versuchs, die Uhr wieder in Ordnung zu bringen, verflossenen Zeitraum überschätzt habe. Sie hatte die Zeiger gerade eine Viertelstunde zu weit vorgeschoben. Eine sichere Gelegenheit die Uhr wieder im Geheimen richtig zu stellen, habe sich erst unmittelbar vor dem Schlafengehen gefunden. Da erst habe sie die Zeiger wieder zurück schieben können Zu der Zeit, wo Herr Dubourg ihre Herrin besucht habe, sei die Uhr, wie sie positiv auf ihren Eid erklärte, eine Viertelstunde zu früh gegangen.
Die Uhr habe nach der Aussage ihrer Herrin fünfundzwanzig Minuten vor neun gezeigt, während es in der That, wie Herr Dubourg behauptet habe, zwanzig Minuten nach acht Uhr gewesen sei.
Befragt, warum sie diese merkwürdige Aussage nicht schon früher vor dem Untersuchungsrichter zu Protocoll gegeben habe, erklärte sie, daß in dem entfernten Cornishen Dorfe, nach welchem sie am nächsten Tage gegangen und wo sie dann durch ihre Krankheit zurückgehalten sei, niemand weder von der Untersuchung, noch von dem Proceß etwas gehört habe. Sie würde auch jetzt noch nicht hier erschienen sein, um über die so wichtigen Umstände ihre eben beschworene Aussage zu machen, wenn nicht der Zwillingsbruder des Angeklagten sie Tags zuvor aufgefunden und nachdem sie ihm aus seine Fragen mitgetheilt hatte, was sie eben in Betreff der Pendüle ausgesagt habe, darauf bestanden hätte, daß sie diesen Morgen die Reise hierher mit ihm mache. Diese Aussage entschied in der That den Proceß. Als das Mädchen mit seiner Aussage zu Ende war, machte die dichtgedrängte Menge ihren Gefühlen durch laute Ausbrüche des Beifalls Luft. Das Mädchen wurde natürlich in ein scharfes Kreuzverhör genommen. Man erkundigte sich nach ihrem Ruf; man suchte und fand eine Bestätigung in der Aussage in Betreff des Grabstichels und der Schrammen auf dem Rahmen des