Hüter der Freude. Paul Leppin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Leppin
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Fenster ist die Tapete aus der Mauer gerissen und auf dem Sessel darunter steht eine Schüssel mit dem Wasserkrug.

      Das Weib ist groß, trägt den Kopf lachend im Nacken, hat gesunde Zähne und harte Brüste. Sie knöpft ihr Kleid auf, gleißt nackt in dem Traumzimmer.

      Der Kandidat der Philosophie Gaudentius Sturmfenster blieb stehen, um Atem zu holen. Diese Erinnerungen erhitzten ihn. Da war bei Gott nur der verfluchte Regen schuld, bei dem man den Weibern auf die Strümpfe sehen mußte, ob man wollte oder nicht. Da, gerade vor ihm ging wieder so eine. Hoch, üppig, das Kleid mit einer lässigen Bewegung geschürzt, mit wundervollen Beinen. Sturmfenster holte sie ein und spähte in ihr Gesicht. Nun, ganz so schüchtern war er ja doch nicht mehr, wie damals, als er das Lyzeummädel aus der Schule begleitete. Er hatte sozusagen die Technik der Frechheit den jungen Leuten abgeguckt, mit denen er verkehrte, die darin die Meisterschaft besaßen. Dem Römerstern zum Beispiel, diesem Laffen, der ihm nicht das Wasser reichte. Woran lag es nur, daß dem alle nachliefen? Der war geschniegelt, leer, hundsschnautzig kalt. Und in ihm war Glut, Reichtum, Seligkeit. Nun hatte die Dame endlich bemerkt, daß er ihr nachging. Sie drehte ihm langsam ihre umrandeten Augen zu und maß ihn erstaunt mit den Blicken. Nun ja, schäbig genug sah er ja aus in seinem Wettermantel und dem großen, zerdrückten Hut. Aber sie hatte ihn ja fast zornig angeschaut! Ein breites, grobknochiges Gesicht mit enger Stirne und einem gemeinen Munde. Das war der Typ, den er eigentlich nicht mochte, der ihn aber sinnlich aufs äußerste reizte. Seiner gläubigen Inbrunst, die sich weich und verlangend dem Weiblichen entgegendrängte, stand er im Wege, aber er machte gefährliche Instinkte in ihm los, die er nicht bändigen konnte. Die Frau vor ihm machte jetzt eine Wendung und schritt quer über die Straße einem kleinen, pavillonähnlichen Häuschen zu.

      Sturmfenster sperrte den Mund auf und starrte verblüfft auf die schmale, mit Reklamebildern verklebte Tür, die sie hinter sich zuzog. Da hörte doch Verschiedenes auf! Da lief man wie ein Verliebter hinter der Holden durch die Straßen und am Ende stand man da und konnte warten, bis sie ihre Notdurft verrichtet hatte. Deutlicher hätte sie ihm ihre Mißachtung gar nicht zu verstehen geben können. Er strich grimmig mit den Fingern den Kinnbart und wußte nicht recht, ob er verstimmt oder erheitert sein sollte.

      Eine feigherzige Traurigkeit pochte bei ihm an und begehrte Einlaß. Sturmfenster war unschlüssig und unzufrieden. Er verstand nicht recht den geheimen Sinn der Zusammenhänge, die Großes mit Erbärmlichem, Starkes mit Dumpfem verknüpften. Ihm war auf einmal unendlich einsam zu Mute wie einem, der mutterseelenallein auf der Welt ist. Seine Kindheit, sein Leben war eine Fahrt zwischen Wünschen und winzigen Erfüllungen gewesen. Aber nein, er war nicht einer, der sich enttäuschen ließ! Das war gut für die andern, für die Halben und Kalten vom Schlage dieses Römerstern, die ja doch nur nach einem billigen Vorwand für ihre Blasiertheit suchten. Er glaubte. Nein, alle seine Not war nicht umsonst gewesen. Es gab mehr, als was die jungen Leute alle vom Baume der Liebe pflückten, mehr als er bisher erleben konnte. Ja, er war an das Irdische gefesselt. Sein Fleisch war ungebärdig und er mußte den Frauen nachgehen, wie der Hund hinter der Hündin. Aber er wußte, daß einmal das goldene Feuer kommen mußte, das heilige Feuer, aus dem die Schöpfung geschweißt war. Irgendwann würde er jählings davon geblendet werden, irgendwo, und begnadet sein. – – –

      Gaudentius Sturmfenster stand und hatte die Hände ausgebreitet. Der Wind fuhr in seinen nassen Bart und schüttelte ihn. Von seinem Hute troff der Regen auf den Mantel. In dem kleinen Häuschen tat sich die Türe auf und die große Frau trat wieder auf die Straße. Eine ärgerliche Röte flog über ihr Gesicht, als sie den Kandidaten gegenüber erblickte. Aber dann lächelte sie entwaffnet und nickte ihm unmerklich zu. Sie faßte die Röcke, hob sie hoch, und Sturmfenster folgte ihren schönen Beinen willig im Zickzack bis in die Straße, wo Frau Bomba wohnte.

      II. KAPITEL

FRAU BOMBA UNDIHRE TÖCHTER

      Das Haus Nr. 17 in der Quergasse sah aus wie alle andern Häuser in dieser Gegend. Es war nichts Besonderes an ihm zu bemerken. Der Ruß und der Staub hatten eine schwärzliche Patina darüber gezogen und die Straßenkinder hatten neben dem Eingang Schimpfnamen und unzüchtige Figuren in den Mörtel gekratzt. Ein hölzerner Schaukasten machte die Passanten darauf aufmerksam, daß in dem Ladengewölbe, zu dem die drei Stufen hinaufführten, ein Zwirnhändler sein Geschäft betrieb. In den Vormittagsstunden brannte die Sonne auf der erblindeten Glasscheibe und gab dem Silbergarn und den Perlmutterknöpfen auf dem schwammigen Pappendeckel für kurze Zeit einen hellen Schimmer.

      Die Witwe nach dem k. u. k. Militärkapellmeister Augustin Bomba hatte im zweiten Stockwerk des Hauses eine vierzimmrige Wohnung gemietet, die sie mit ihren beiden Töchtern und dem Kanarienvogel bewohnte. Als ihr Seliger noch lebte, war sie eine stattliche Frau gewesen, die in den Kreisen, in denen sie verkehrte, als Schöngeist verschrien war. Diesen Ruf erwarb sie wohl hauptsächlich dadurch, daß sie in einer Leihbibliothek abonnierte, aus der sie wöchentlich dickleibige Romane nach Hause trug. Frau Bomba war eine sentimentale Natur. Sie besaß noch immer das Poesiealbum aus ihrer Mädchenzeit und holte es auch noch mitunter aus der Lade hervor, um darin zu blättern. Ihre Erinnerung schwärmte dann gerne auf verbotenen Wegen aus und sie gedachte mit schmerzlichem Bedauern des blonden Provisors, von dem die gefühlvollen Aphorismen stammten, oder des langen Kadetten, der nun bestimmt schon Oberleutnant war. Ihre Phantasie malte ihr reizvolle Bilder vor, die ihr das Dasein an der Seite eines Mannes zeigten, der fähig gewesen wäre, ihre Gedanken zu würdigen. Trotzdem waren diese Träume, denen Frau Bomba nachhing, die einzige Form von Untreue, die sie sich gestattete. Ein gewisses Unbehagen, die Furcht vor unangenehmen Weiterungen hielt sie davon ab, den Fonds ihrer unbefriedigten Wünsche in einem sündhaften Abenteuer anzulegen. Sie entschädigte sich durch die Hingabe, mit der sie sich in die Welt rabiater, von Leidenschaft überhitzter Romane versenkte, in welchen der Liebe, dem Gift und dem Gold eine atemversetzende Rolle bestimmt war.

      Als Herr Bomba eines Tages an einem Schlagflusse plötzlich verschied, war sie schon eine alte Frau. Die Männer hatten seit langem aufgehört, sich auf der Straße nach ihr umzusehen, und ihre Figur, auf die sie einmal so stolz gewesen, war in die Breite gequollen, ohne daß das französische Mieder es hätte verhindern können. Aber ihre beiden Töchter, Siddy und Mimi, waren inzwischen herangewachsen, und aus den magern, sommersprossigen Dingern, für welche die Mutter bisher nur ein unklares Gefühl mitleidiger Geringschätzung übrig gehabt hatte, waren zwei auffallend fesche Bälger geworden, Siddy, die ältere, sechzehnjährige, war schon jetzt ein molliges Mädel mit Vergißmeinnichtaugen und dem drolligen Stumpfnäschen der Blondinen. Die fünfzehnjährige Mimi ging noch im Backfischkleid, das braune Kraushaar wirr und ungekämmt. Ihre Augen hatten nichts von der hellen Unschuld der Schwester und sie besaß im übrigen eine Manier, den knabenhaften Körper zu verführerischen Posen zu biegen, die vielversprechend und entschieden talentvoll war. Frau Bomba gab die Verwandlung, die mit ihren Kindern vorgegangen war, mancherlei zu denken. Sie nahm jetzt gerne die Gelegenheit wahr, sich mit den Mädchen den Leuten zu zeigen und die Blicke der Männer, die sie verstohlen musterten, lösten in ihr ein ungekanntes Gefühl des Wohlbehagens aus. Sie genoß die Begehrlichkeit, die ihre Töchter entfachten, wie eine ihren alternden Sinnen dargebrachte Huldigung. Die Lust an Dingen, von denen man nur im Flüstertone spricht, die im Halbdunkel und hinter verriegelten Türen geschehen, kroch aus den Verstecken abgestandener Gedanken ans Licht. Was sie in ihrer ereignislosen Ehe in sich verschlossen hatte, gewann jetzt Gewalt über sie. Ein trüber, am Unsauberen sich ergötzender Hang gab ihrem Empfinden die Richtung, Mit einer süßlichen Neugier versuchte sie es, von ihren Kindern die heiklen Geheimnisse zu erfahren, die man selten einer Freundin, niemals der Mutter anvertraut. Sie belauerte ihr Erröten und horchte mit einem erregten Lächeln ins Dunkle, wenn die Schwestern abends zu Bette gegangen waren und miteinander vor dem Einschlafen noch eine Weile von ihren Erlebnissen schwatzten.

      Als die sanfte Siddy mit den zärtlichen Augen eines schönen Tages mit einer Frühgeburt niederkam, hielt sie den Zeitpunkt für gekommen, das fernere Geschick ihrer Sprossen selbst zu bestimmen. Über den kleinen Unfall, von dem ihre Älteste betroffen worden war, ging sie ohne Scheltworte mit einer verbindlichen Diskretion hinweg. Aber sie wußte es in der Folge so einzurichten, daß die Herren, die vordem die Mädchen auf der Straße angesprochen hatten, um nachher auf verschwiegenen Ausflügen näher mit ihnen bekannt zu werden, nunmehr zu ihnen in das Haus kamen. Es machte sich