Der Teufelssumpf. Жорж Санд. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Жорж Санд
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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sie ihn zur Eile mahnen, um recht bald ihre Neugierde befriedigen und sein Werk betrachten zu können, wenn er nur erst fort wäre.

      Als Vater Maurice ins Zimmer trat, fand er seine Frau im Gespräch mit einer alten Nachbarin, welche glühende Kohlen holte, um ihr Feuer anzuzünden. Mutter Guillette wohnte einen Büchsenschuß oder zwei von der Meierei in einer ärmlichen Hütte und war ein ordnungsliebendes, ausdauerndes Weib. Ihr elendes Häuschen war sauber und wohlgehalten, und ihren sorgfältig geflickten Kleidern sah man an, daß ihr trotz der bitteren Noth die Selbstachtung nicht verloren gegangen war.

      Ihr holt Euch Feuer für den Abend, Mutter Guillette, redete sie der Alte an. Braucht Ihr vielleicht sonst noch was?

      Nein, Vater Maurice, gegenwärtig nicht, gab sie zur Antwort. Ihr wißt ja, das Heischen liegt nicht in meiner Art, nach das Loshausen auf die Gutmüthigkeit meiner Bekannten.

      Ja, so ist's; eben deßhalb sind Eure Bekannten auch gern bereit, Euch Alles zu Gefallen zu thun.

      Ich unterhielt mich gerade mit Eurer Frau und fragte sie, ob es Germain nicht endlich übers Herz bringen wird, wieder zu heirathen.

      Ihr seid ein zuverlässig Weib, erwiderte Vater Maurice; vor Euch kann man reden, ohne fürchten zu müssen, daß Ihr's ausplaudert: ich darf also in Eurer Gegenwart meiner Alten schon sagen, daß er jetzt ganz dazu entschlossen ist und sich morgen auf den Weg macht nach Fourche,

      Gott sei Dank! rief Mutter Maurice; der arme Junge! Geb' ihm der Himmel ein Weib so gut und so brav wie er selber!

      So? nach Fourche geht er? fiel die Guillette ein. Das findet sich ja prächtig! Es kommt mir wie gerufen, und da Ihr mich vorhin doch gefragt habt, ob ich sonst was brauche, so will ich Euch sagen, Vater Maurice, womit mir ein Gefallen geschehen könnte.

      Sagt's nur gleich heraus; Euch soll nach Kräften geholfen werden.

      Mir wäre lieb, wenn Germain so gut sein wollt., meine Tochter mitzunehmen.

      Wohin denn? nach Fourche?

      Das gerade nicht, aber nach dem Ulmenhof, wo sie bis übers Jahr bleiben soll.

      Was? sagte die Mutter Maurice. Ihr gebt sie von Euch?

      Ihr bleibt keine andere Wahl, als in einen Dienst zu treten, um etwas zu verdienen. Es kommt mich sauer genug an, und sie auch, das arme Ding! Um Johanni haben wir's nicht übers Herz bringen können, von einander zu gehen; aber jetzt steht Martini vor der Thür, und es hat sich eine gute Stellung für sie gefunden. Der Ulmenhofbauer war nämlich drüben auf dem Jahrmarkt, und wie er durch unsere Gegend ritt, sah er meine kleine Marie auf der Gemeindewiese unsere drei Schafe hüten. Nun, Dirnel, sprach er zu ihr, dir wächs't die Arbeit just nicht über den Kopf; denn drei Schafe geben einem Hirtenmädel nicht viel aufzurathen. Willst du statt der drei da hundert hüten? Ich nehme dich in meinen Dienst. Unsere Schäferin geht zu ihren Eltern, weil sie krank geworden ist, und wenn du bis in acht Tagen bei uns bist, sollst du für dies Jahr bis Johanni fünfzig Francs Lohn bekommen. Die Kleine hat's zwar ausgeschlagen, aber sie hat sich doch Gedanken drüber gemacht und hat mir's am Abend erzählt, als sie mich traurig fand und bekümmert wegen des künftigen Winters, der jedenfalls streng und andauernd sein wird, denn heuer sind die Kraniche und Schneegänse um mehr denn einen Monat früher vorbeigeflogen als gewöhnlich. Wir hatten beide Wasser in den Augen; aber endlich haben wir doch ein Herz gefaßt. Wir haben eingesehen, daß es nichts ist mit dem Beisammenbleiben, weil ja von dem Ertrag unseres Grundstückchens mit knapper Noth Eins sein Dasein fristen kann; und da die Marie die Kinderschuhe ausgetreten hat (sie ist beinahe sechzehn Jahre alt), so ist's eben auch an der Zeit., daß sie's macht, wie die Andern alle, und ihr Brod verdient, um ihrer armen Mutter von den Sorgen zu helfen.

      Mutter Guillette, sagte der alte Bauer, wenn bloße fünfzig Francs ausreichten, um Euch von allen Sorgen zu helfen und Euch die Trennung von Eurem Kinde zu ersparen, glaubt mir, ich würde sie zur Stelle schaffen, wiewohl fünfzig Francs für Unsereins schon ins Gewicht fallen. Aber man muß in allen Dingen die Vernunft walten lassen und nicht die Freundschaft allein zu Rathe ziehen. Wenn Ihr auch geborgen wäret für den kommenden Winter, so wäret Ihr's darum nicht für alle Zukunft, und je länger es Euer Mädel anstehen läßt, desto schmerzhafter wird euch Beiden der Abschied werden. Und dann ist auch bei Euch Eure Marie, die schon groß und kräftig ist, weitaus nicht genug beschäftigt: da könnte ihr denn nach und nach die Unthätigkeit zur Gewohnheit werden . . .

      Nein, was das betrifft, hätt' ich nichts zu fürchten, sagte die Guillette, Die Marie gibt dem reichsten Mädel, das in einem großen Anwesen herumwirthschaftet, an Arbeitslust nichts nach. Die legt Euch den ganzen Tag keine Minute lang die Hände in den Schooß, und wenn es sonst nichts zu hantieren giebt, putzt und reibt sie Euch unsere armen Möbel so blank, daß man sich drin spiegeln könnte. Das Kind ist nicht mit Gold zu bezahlen, und deßhalb wäre mir viel lieber, sie stünde bei Euch im Dienst, anstatt weit hinaus zu kommen zu wildfremden Leuten. Ihr hättet sie zu Johanni ins Haus genommen, wenn wir's damals zu einem Entschluß gebracht hätten; jetzt aber habt Ihr bereits eine Magd gedungen, und ich muß mich aufs nächste Jahr vertrösten.

      Dann soll es aber auch gewiß nicht fehlen, Mutter Guillette, und es wird mich von Herzen freuen. Unterdessen mag das Mädel immerhin was Rechts lernen und, sich dran gewöhnen, unter fremden Menschen zu leben.

      Da habt Ihr Recht; es ist nun einmal so und nicht anders. Diesen Morgen hat der Ulmenhofbauer nach ihr geschickt; wir haben zugesagt, und jetzt muß sie hin. Aber das arme Kind kennt weder Weg nach Steg, und ich lasse sie auch nicht gern so mutterseelenallein fort. Wenn also Euer Tochtermann morgen doch nach Fourche geht, so kann er sie ja wohl mitnehmen. Der Ulmenhof liegt ganz in der Nähe der Ortschaft; so hat man mir wenigstens versichert, denn ich selber bin meiner Lebtage nicht drüben gewesen.

      Ja, hart nebenan, Mein Schwiegersohn wird sie schon hinführen. So was ist man einander ja schuldig; er soll sie sogar zu sich aufs Pferd nehmen, damit sie ihre Schuhe schont. Da kommt er gerade herein zum Abendessen. Du, Germain, der Mutter Guillette ihre kleine Marie geht auf den Ulmenhof in Dienst. Willst du sie nicht auf der Stute hinbringen?

      Freilich, antwortete Germain, der trotz seiner sorgenvollen Stimmung immer gern bereit war, seinem Nebenmenschen behülflich zu sein.

      In unseren Kreisen käme es nun allerdings einer Mutter nicht in den Sinn, ihre sechzehnjährige Tochter einem so jungen Mann anzuvertrauen, denn Germain ging erst ins neunundzwanzigste Jahr, und wenn er auch nach heimathlichen Heirathsbegriffen für ältlich galt, so war er nichts desto weniger der schönste Mann im ganzen Dorfe. Er sah nicht, wie die meisten Bauern nach zehnjähriger Arbeit hinter dem Fluge, hohlwangig und abgequält aus. Allem Anschein nach konnte er nach weitere zehn Jahre zu Acker fahren, ohne merklich zu altern, und ein junges Mädchen hätte von Vorurtheilen ganz verblendet sein müssen, um nicht wahrzunehmen, daß Germain eine frische Gesichtsfarbe hatte und ein glänzendes Auge, blau wie der Maienhimmel, und tiefrothe Lippen und blendend weiße Zähne, und daß er schlank gewachsen war und gelenkig wie ein Füllen, das die Weide noch nicht verlassen hat.

      Aber in jenen abgelegenen, vom lasterhaften großstädtischen Getriebe nach unberührten Gegenden hat sich die Sittenreinheit in heiliggehaltener Ueberlieferung bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt, und unter allen Familien von Belair stand die des alten Maurice in einem ganz besondern Ruf der Rechtlichkeit und aufrichtigen Pflichterfüllung. Für Germain, der auf die Brautschau ging, war Marie sowohl zu jung wie zu arm, um in Betracht zu kommen, und ein sündhafter Gedanke konnte in ihm nicht aufsteigen, er hätte denn »ein abgefeimter Mensch« oder »ein schlechter Kerl« sein müssen. Der alte Maurice sah also in aller Seelenruhe zu, wie sein Tochtermann das hübsche Mädchen hinter sich aufs Pferd nahm, und die Guillette hätte es für eine kränkende Verdächtigung gehalten, demselben die Ehre ihres Kindes eigens ans Herz zu legen. Marie schwang sich unter heißen Thränen auf die Stute, nachdem sie Mutter und Freundinnen unzählige Male umarmt hatte. Germain, dem selber gar traurig zu Muthe war, fühlte ihren Kummer um so lebhafter mit und trabte mit tiefernster Miene von dannen, während die Leute aus der Nachbarschaft der armen Marie, ohne sich weitere Gedanken zu machen, mitleidig nachwinkten.

* * *

      »Die Graue« war ein schönes und kräftiges junges Thier. Ohne eine Spur von Anstrengung trug sie ihre doppelte Last, mit zurückgeschlagenen Ohren und am Gebisse