Das Mormonenmädchen Zweiter Band. Balduin Möllhausen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Balduin Möllhausen
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
Ausdruck der Verachtung abwenden zu sehen. Lassen wir daher jeden Gedanken an ein so wenig Erfolg versprechendes Verfahren fallen; suchen wir vielmehr den Begleitern des armen Mormonenmädchens beizukommen. Ich kenne Letztere allerdings noch nicht, allein nach Eurer Beschreibung zu schließen, verdient sie dem Schutz jedes Ehrenmannes im höchsten Grade. Wenn es aber auch nur gälte, die Pläne des saubern Kleeblattes, welches ich gestern Abend behorchte, zu durchkreuzen und ihm den Raub streitig zu machen, so würde ich Euch von ganzem Herzen meine Beihülfe zusagen. Ja, hier ist meine Hand darauf; aber Zeit werden wir nicht verlieren dürfen, sie können New-York in jedem Augenblick verlassen, und wo sollten wir sie dann wohl suchen.«

      »Ich habe schon daran gedacht, ihre Erzieherin durch Geld zu bestechen und für unsere Dienste zu gewinnen,« bemerkte Weatherton, Falk’s dargebotene Hand drückend.

      »Hahaha!« lachte dieser, »zeigt einer alten liebesiechen Jungfrau den heiligen Stand der Ehe und bietet ihr alle Schätze der Welt, demselben zu entsagen, so wird sie schwerlich auf Euer Anerbieten eingehen. Nein, Eure alte Französin ist, nach der von Euch selbst eben erst gegebenen Beschreibung, die Letzte, der ich in dieser Angelegenheit mein Vertrauen schenken möchte.«

      »Aber sagt, wozu würdet ihr rathen?« fragte Weatherton weiter, und zwar mit einer Aengstlichkeit, die mehr von seinen Gefühlen verrieth, als er ahnte.

      »Ich rathe vor allen Dingen, die Gesellschaft nicht aus den Augen zu verlieren. Ihr wißt ja, wo sie in New-York wohnen wird.«

      »Keine Ahnung habe ich davon,« erwiderte Weatherton erschrocken. »Sie verließ in Begleitung ihrer Gouvernante, ihres Onkels und des Vormundes den Leoparden schon heute Vormittag, nachdem Alle den herzlichsten Abschied von fast Jedem an Bord genommen hatten. Ich selbst erfreute mich bei dieser Gelegenheit der anerkennendsten Worte, und Rynolds sagte sogar sehr verbindlich: er hoffe, mich noch vor seiner Abreise bei sich zu sehen, und er wolle, sobald das vorläufige Absteigequartier mit einer angemesseneren Wohnung vertauscht sei, mich von diesem Wechsel in Kenntniß setzen. Ich sehe ein, ich werde vergeblich auf Nachricht von ihm harren, denn die übrigen an Bord befindlichen Mormonen haben sich nicht nur gleich nach ihrem Laden nach allen Richtungen hin zerstreut, sondern es sind auch auffälliger Weise, offenbar um jeden Verkehr mit allen Mitreisenden abzubrechen, schon an Bord des Leoparden die Zeugenaussagen der Passagiere, betreffs des Unterganges der Brigg, von einem Notar aufgenommen worden. Das Einzige wäre, daß die junge Dame selbst mir über ihren Aufenthaltsort Auskunft gäbe; sie versprach wenigstens —«

      Bis hierher hatte Falk ruhig zugehört. Als Weatherton aber eines Versprechens des jungen Mädchens erwähnte, erhellte wiederum das bezeichnende theilnahmvolle Lächeln sein kluges Gesicht, und indem er, wie spielend, mit ein paar flüchtigen Strichen das wohlgetroffene Portrait des aufmerksam und respektvoll lauschenden Raft beendigte, rief er aus:

      »Ihr glaubt also, dieser Cerberus von Gouvernante würde einen Brief der jungen Mormonin, und wäre er nicht größer als ein Kupfercent, an seine Bestimmung gelangen lassen? Ich für meine Person glaube es nicht; wüßte ich nicht zufällig, in welchem Hause sie ein Unterkommen gefunden haben —«

      »Ihr wißt?« fuhr Weatherton auf, und für Jemanden, der nur aus reiner Menschlichkeit seinem von unbekannten Gefahren bedrohten Nächsten zu dienen wünscht, wechselten Hoffnung und Besorgniß fast zu schnell und seltsam auf seinen gespannten Zügen.

      »Ich kenne das Haus, und Mr. Raft kennt es auch,« versicherte Falk, den es höchlichst ergötzte, daß der Bootsmann bei Nennung seines Namens emporsprang und, wie bei der Musterung, mit lauter Stimme ausrief: »Hier!« »Ja wir kennen das Haus,« wiederholte er, nachdem Raft, sein Gesicht zu einem grimmigen Erstaunen verziehend, wieder Platz genommen hatte. »Entweder habt Ihr es überhört, oder ich bin in meinem Bericht nicht deutlich genug gewesen; doch sei dem, wie es wolle, es unterliegt kaum einem Zweifel, daß sie im Hause Abraham’s, wie die beiden Mormonen ihren Gefährten nannten, eingekehrt sind. Ich weiß zwar nicht die Nummer des Hauses, allein da ich die Straße kenne, so getraue ich mir auch bei Tage das Gebäude wieder herauszufinden, vor welchem ich gestern Abend so lange mit unserm Freunde Raft gestanden habe.«

      »Das ist originell, Herr!« schnarrte Raft, und seine Faust fiel zur Bekräftigung schwer auf den Tisch, hob sich aber sogleich wieder militärisch grüßend nach seinem Haupt, wobei er sich beschämt zu Weatherton wendete. »Verzeihung, Lieutenant Dickie. Ja, originell das!« fuhr er in demselben Athem fort, »ich kenne das Haus wieder, wie ’nen Kaper, in dessen Fahrwasser ich sechs Wochen kreuzte. Hoher Dreidecker, braungestrichene Ziegelsteinwanten, weißes Band über der Wasserlinie, Stückpfortklappen grün und durchbrochen, wie ’n Bratrost —«

      »Richtig, richtig,« unterbrach Falk den Redefluß des Seemannes, »und weil wir die Hausnummer nicht wissen, so schlage ich vor, uns von hier aus sogleich dorthin zu begeben, die Straße langsam zu durchwandern und dann die Augen gut zu gebrauchen.«

      »Vielleicht entdecken wir an den Fenstern irgend etwas, das auf die Anwesenheit des jungen Mädchens deutet,« sagte Weatherton, indem er sich erhob und nach seiner Mütze griff.

      »Möglich, aber nicht wahrscheinlich,« entgegnete Falk, dem Beispiele des Officiers folgend. »Aber Halt!« rief er plötzlich auf, an der Thür stehen bleibend, »wir dürfen nicht vergessen, daß Eure alten Reisegefährten Euch und Mr. Raft kennen; ebenso liegt es außer allem Zweifel, daß sie mich gestern Abend in der Laube sehr genau betrachtet haben. Gesetzt den Fall, einer der drei Männer befände sich statt des jungen Mädchens am Fenster, und er sähe uns zusammen vorübergehen und unsere Aufmerksamkeit —«

      »Wir dürfen unbedingt nicht zusammenbleiben,« unterbrach Weatherton den Maler hastig; »bemerkten sie uns, so würden sie Verdacht fassen und ihre Vorkehrungen treffen. Begeben wir uns daher bis in die Nähe der bezeichneten Straße; dort trennen wir uns. Raft wird mich dann begleiten und mir das Haus zeigen; Ihr selbst aber folgt, vielleicht eine Viertelstunde später, nach und wir treffen uns dann an einer verabredeten Stelle.«

      »Gut,« antwortete Falk, »ich habe ohnehin die Absicht, einen Freund im Hôtel Dietz zu besuchen, und wenn es Euch genehm ist —«

      »Also Hôtel Dietz,« sagte Weatherton zustimmend, und gleich darauf traten sie auf die Straße hinaus.

      Vor der Thür wendeten sie sich sogleich links, und nachdem sie eine kurze Strecke fortgeschritten waren, gelangten sie an eine schmale Querstraße, die nach der Pferdeeisenbahn führte, und da sie letztere der Entfernung wegen, zu benutzen gedachten, bogen sie ohne Zögern in die Verbindungsgasse ein. —

      Kaum waren Weatherton’s, Falk’s und des Bootsmannes Gestalten in der Querstraße verschwunden, so traten aus dem Hofraum des neben der Wohnung des Künstlers gelegenen Hauses der Graf und der Baron, die am Abend vorher in der Concerthalle eine so wenig ergötzliche Rolle gespielt hatten. Vorsichtig schauten sie sich um. Gleich darauf aber eilten sie den augenscheinlich von ihnen beobachteten drei Männern nach, jedoch nur bis an die Ecke der Quergasse, von wo aus sie ihnen schweigend nachschauten. Ihre Blicke reichten bis nach der Pferdeeisenbahn hin; sie konnten also deutlich gewahren, daß Falk und seine Gefährten gerade vor der Eisenbahn stehen blieben, um den nächsten in die Stadt fahrenden Wagen zu erwarten.

      »Weiter brauchen wir ihnen nicht nachzusetzen, Kamerad,« sagte der Baron, als es keinem Zweifel mehr unterlag, daß sie die bezeichnete Fahrgelegenheit benutzen würden.

      »Aber wir haben etwas Anderes zu thun, mein Brüderchen,« antwortete der Graf, sich umkehrend und mit eiligen Schritten der Straße weiter abwärts folgend. »Schlaue Kerls, diese Mormonen; begriff gar nicht, warum sie uns auf dem Werft so lange schildern ließen und uns endlich auf die Fährte dieses abgeschmackten Schiffslieutenants setzten. Ha ha ha! Es ist unser erster Dienst im Solde der Mormonenregierung. Leichter Dienst, gute Bezahlung; auf Ehre, wollen ihnen dafür ihre Armee auf anständigen Fuß bringen, habe schon meine Pläne; statiöse Uniformen, gute Pferde, neues Dienstreglement statt ihrer barbarischen Gewohnheiten, und, mein Brüderchen, Orientalismus ist werth, die Seele zehnmal dem Teufel zu verschreiben, geschweige denn Mormone zu werden. Bin lieber Mormonengeneral, als Capitän oder Lieutenant in irgend einem beliebigen kleinen Staat.«

      »Geld ist die Hauptsache, seit es in diesem Lande Mode geworden, Niemandem etwas auf sein ehrliches Gesicht zu borgen,« versetzte