Frau Dirne. Artur Landsberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Artur Landsberger
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Sie scheinen nicht zu wissen . . .«

      »Ich weiß genau.«

      »Wenn sich das herumspricht.«

      »Um so besser.«

      »Aber Ihr Renommee.«

      Ina lachte laut in den Apparat.

      »Hören Sie auf«, rief sie. »Sie als Hüter meines Renommés! Das wirkt auf mich geradezu komisch.«

      »Ich habe mir stets Mühe gegeben . . .«

      »Ich weiß! ich weiß!« fiel sie ihm ins Wort. »Sie haben sich stets bemüht, taktvoll zu sein. Aber Sie haben dies selbstverständliche Bemühen, das für Sie etwas Ungewöhnliches war, stets so laut betont, daß das allein schon taktlos wirkte. – Wann also kann ich die Besichtigung vornehmen?«

      Katz brabbelte irgend etwas Unverständliches und sagte:

      »Wann es Ihnen paßt; das heißt, natürlich nicht zur Besuchszeit. Am besten so um Mittag herum, falls Sie, was ich gar nicht begreife, wirklich die Absicht haben.«

      »Und wo ist das?«

      Katz nannte Straße und Hausnummer und fragte: »Ja, ist das denn Ihr Ernst?«

      Statt einer Antwort erwiderte Ina:

      »Sagen Sie dann den Leuten, daß ich um zwei Uhr mit meinem Manne und meiner Mutter, der Baronin, sein Institut besichtigen werde.«

      Katz prallte von dem Apparat zurück.

      »Ja . . . mir . . . scheint . .« sagte er und stieß jedes Wort wie abgehackt hervor, »daß . . . da ein . . . Mißverständnis . . . vorliegt. Ich sprach von dem . . .«

      »Bordell!« fiel Ina ihm ins Wort. »Ich weiß! Um zwei Uhr also! Ich bitte Sie, auch dort zu sein.«

      Und ohne eine Antwort abzuwarten, hing sie an. –

      Eine Stunde später ritt sie mit dem Grafen Scheeler, der auf dem Schimmel ihres Mannes saß, auf dem Hippodrom spazieren.

      »Ist das nicht wohltuend, so ein Morgen?« fragte Ina.

      »Du hast mich bald so weit, daß ich die Erniedrigung nicht mehr empfinde«, erwiderte er.

      »Du verdrehst die Dinge. Du siehst schief. Ich bin die letzte, die wünscht, daß du deinem Stolz etwas vergibst. Schon aus Egoismus. Denn dein Stolz ist das Einzige, woran ich mich aufrichte.«

      »Es ist und bleibt eine Erniedrigung.«

      »Das ist Wahnsinn. Mein Mann fühlt sich dadurch geehrt. Er hat ausdrücklich befohlen, daß man dir den neuen Sattel auflegt. Er selbst schont ihn.«

      »Trottel!« sagte der Graf halblaut vor sich hin. Ina lächelte, gab dem Pferd die Schenkel und rief dem Grafen zu:

      »Galopp!«

      »Unhaltbar auf die Dauer!« sagte der Graf, ohne sich an Ina zu wenden. Und dann wiederholte er laut: »Trottel!«

      »Warum beschimpfst du meinen Mann?« fragte Ina. »Er ist so harmlos – und bequem.«

      »Mich beschimpf' ich!« erwiderte der Graf. Und wütend wiederholte er: »Mich! mich! mich!«

      »Willst du nicht Rechtsgalopp reiten?« fragte Ina, warf Kopf und Oberkörper zurück, ohne daß ihr Pferd die Gangart änderte, und sagte: »Gott, ist das schön, so ein Morgen!«

      »Reize mich nicht!« sagte er zornig und biß die Zähne aufeinander.

      »Liebst du mich denn nicht mehr?«

      »Wenn du ein junges Mädchen wärst, würde ich dein Benehmen begreifen. Aber so – eine verheiratete Frau in deinen Jahren . . .«

      »O, wie unhöflich!«

      »Weil ich deine erste Liebe bin, gestaltest du unser Verhältnis zu einer Backfisch- und Gymnasiastenangelegenheit. Das mag für dich seine Reize haben. Und an sich gönn' ich dir diesen Liebesfrühling gewiß, wenn nur ich nicht der Leidtragende wäre. Ich war, selbst als ich noch kurze Hosen trug, in Liebesdingen immer mehr sachlich als lyrisch.«

      »Nennst du das lyrisch, wenn man sich an einem solchen Morgen auf einem Spazierritt an der Seite eines Mannes, den man liebt, glücklich fühlt?«

      »Verdammt!« brummte der Graf so leise vor sich hin, daß selbst Ina, die ihn scharf beobachtete, es nicht hörte. Und in dem Gefühl, daß sie, in der Dialektik ihm überlegen, ihm wieder entwich, entglitt ihm, der nicht gewöhnt war, sich zu beherrschen, das Wort: »Aalglatt«.

      Ina, die sich mehr in der Gewalt hatte, tat, als überhörte sie es. Aber sie empfand, wie schon so häufig, daß es ihm nur darauf ankam, sie zu besitzen.

      »Furcht kann es doch nicht sein«, sagte er hart. »Denn wovor solltest du dich fürchten? Ich habe in der Liebe Verständnis für alles; das Wort pervers existiert für mich nicht. Aber auf dich da paßt es; denn eine leidenschaftliche Frau, die sich aus irgend einer Aversion ihrem Manne versagt und einen Kerl liebt wie mich, der in der Liebe kein Egoist, dessen Leidenschaft vielmehr, ich sage es ganz offen, die genießende Frau ist, der außerdem nicht der erste Beste, sondern ein Edelmann ist, in dessen Adern das Blut französischer Könige und eines der ältesten deutschen Fürstengeschlechter fließt, zum Teufel ja!« brauste er auf, »eine Frau mit Gefühl, die von einem solchen Manne geliebt wird und sich ihm nicht geradezu an den Hals schmeißt, die nenne ich, nimm's mir nicht übel, pervers.«

      Ina senkte den Kopf; sie quälte sich ein paar Tränen in die Augen, ließ die Zügel locker; ihr Pferd fiel in Trab.

      Der Graf, der alles sah, sagte:

      »Aber, wie alle Frauen – die Wahrheit verträgst du nicht.«

      »Ich will dir mehr geben – als nur mich«, sagte sie schluchzend.

      Er tat erstaunt und wiederholte fragend: »Mehr?«

      Und sie erwiderte: »Dein standesgemäßes Leben.«

      »Einen Thron?« fragte er spöttisch. »Die Konjunktur dafür ist die denkbar schlechteste.«

      »Du sollst erst mal deine Freiheit wieder haben. – Niemandem verpflichtet sein. – Standesgemäß leben.«

      »Eine Million zweimal hundertfünfundsiebzigtausend Mark«, sagte der Graf monoton wie ein Sprechapparat. Und mit belegter Stimme fuhr er fort: »Du kennst die Summe, denn du zahlst die Zin. . .«

      »Laß das !« wehrte sie ab. »Ich will, daß du frei davon wirst.«

      »Dazu bedarf es nur eines telephonischen Anrufs.«

      Sie sah ihn erstaunt an.

      »Eines telephonischen Anrufs?« fragte sie. Wo sie sich seit Monaten damit quälte und den Kopf zermarterte.

      »Nun ja« erwiderte er mit der gleichgültigsten Miene von der Welt. »Ich brauche dieser Person, die mir nachstellt, nur zu telephonieren, daß ich bereit bin, eine der fünf mir offerierten Millionärstöchter zu ehelichen – und ich bin die Last los.«

      »Du tauschst sie mit einer anderen, schwereren«, drang Ina lebhaft auf ihn ein. »Du gibst dich auf.«

      »Das habe ich längst getan«, erwiderte er. »Was mich noch hält, bist du.«

      »Du wirst dich nicht verkaufen!«

      »Sondern?« fragte er und sah sie an.

      »Ich mach' dich frei.«

      »Das kannst du nicht!«

      »Ich bin dabei. Ich habe einen Weg gefunden.«

      Der Graf lächelte.

      »Worüber lachst du?« fragte Ina; und er wiederholte tonlos und mechanisch; es hörte sich an, als spräche ein Apparat:

      »Eine Million zweimal hundertfünfundsiebzigtausend Mark.«

      »Ich kenn' die Summe.«

      »Und die wolltest du . . .« – Verzeih', aber das ist doch wohl nur ein Scherz?«

      »Vielleicht in ein paar Wochen schon – bestimmt aber in drei, vier Monaten.«

      »Und