»I Gott bewahre!«
»Du verkaufst deine Sammlung.«
»Die ist keine Fünfmalhunderttausend wert – und außerdem verpfändet!«
»Wa . . .?« – Der Graf war platt. »Ver . . .ver . . . pfändet? – Deine Sammlung? . . . ja . . . wie . . . erklärst . . . du . . . das?«
»Sehr einfach; für deine Zinsen.«
»Das hast du . . . für mich . . .?«
»Was ist dabei? Irgendwie mußten sie doch bezahlt werden.«
»Dann seid ihr also gar nicht . . .?«
»Was?« fragt Ina.
»Ich glaubte, ihr hättet ein großes Vermögen.«
»Wir haben Schulden – genau wie du. Wenn auch nur etwa den zehnten Teil. – Wir müssen herauskommen, genau wie du. Sonst sind wir aufgeschmissen.«
»Ja – wie fängst du das an?«
»Ich eröffne ein Bordell.«
»Wie?« fragte der Graf kurz – sein Pferd stand wie eine Mauer – und das Monokel, mit dem er schlafen und über Hürden ging, fiel ihm aus dem Auge.
»Und zwar noch heute.«
Der Graf glotzte sie an und sagte:
»Bor. . .«
Mehr brachte er nicht heraus.
». . . dell!« vervollständigte Ina. »Du wirst doch wissen, was ein Bordell ist.«
»Gewiß! das weiß ich. – Aber eben darum . . .«
»Du wirst dich auch daran beteiligen«, sagte sie bestimmt.
»Ich . . . mich? – an dem Bordell? – erlaub' mal! – Nee! da heirate ich lieber eine Jüdin!«
»Das tust du nicht!«
»Für 'n Besuch, dazu könnte ich mich, vorausgesetzt, daß ich unter Alkohol stehe, dir zu Liebe mal entschließen, das heißt: passiv; anders nich.«
»Du verstehst nicht, um was es sich handelt.«
»Nee – allerdings – das geb' ich zu.«
Sie griff in die Tasche und reichte ihm einen Bogen; er nahm ihn und las:
Und nun folgte eine Reihe von Namen, darunter auch der Inas, der Baronin und des Grafen.
Als Graf Scheeler mit einem Gesicht, das nicht gerade schlau war, den Bogen gelesen hatte, fragte Ina:
»Einverstanden?«
Der Graf sah von dem Bogen auf, sie an und fragte:
»Zweck?«
»Gemeinsame Schuldentilgung und Vermögensgründung – auf wohltätiger Grundlage.«
»Du meinst . . .?« – ihm dämmerte etwas ganz fern; aber er erkannte noch nicht einmal die Konturen. Nur dies Selbstbewußte Inas und ihre Sicherheit ließ ihn glauben – ja mehr: überzeugte ihn.
»Das alles könnte ich dir verschweigen und nach Verlauf einiger Wochen oder Monate mit der fertigen Tatsache vor dich hintreten. Das wäre vielleicht wirksamer; und für das, was ich will, jedenfalls praktischer. Aber ich will dich mir nicht zu Dank verpflichten. Durch das Prestige deines Namens hilfst du mit, hebst und sicherst das Ganze, das ja immerhin ein Wagnis bleibt.«
»Zweck?« wiederholte der Graf, in dessen Unterbewußtsein, ohne daß er sich recht klar darüber wurde, langsam eine Ahnung aufstieg. Und ohne Mittlung des Verstandes, rein gefühlsmäßig, stieß er halb unbewußt hervor:
»Was dann?«
Ina stutzte einen Augenblick. Sie, die alles bedachte, hatte die Frage nicht erwartet. Sie konnte ablenken, ausweichen, irgend etwas Gleichgültiges erwidern. Sie überlegte einen Augenblick und tat von alledem nichts.
Sie schob ihr Pferd dicht an das des Grafen heran, beugte sich zu ihm, lehnte sich an seinen Arm, sah ihn zärtlich an und sagte mit vor Erregung zitternder Stimme:
»Dann, Ralf, bin ich dein – für immer.«
Der Graf dachte über die Worte nicht nach. Auf ihn wirkte der Tonfall der Stimme, ihr heißer Atem und der Duft ihres Körpers.
»Ich muß mich beherrschen,« sagte er, »daß ich dich nicht an mich reiße.«
Da sagte es Ina zum ersten Male gerade heraus:
»Erst muß ich deine Frau sein.«
Und er, nur von dem Gefühl beherrscht, diese Frau, die ihn seit Monaten hinhielt und erregte, endlich zu besitzen, erwiderte nur:
»Und dein Mann?«
»Den werde ich los,« erwiderte sie, »dir zuliebe.«
»Bald!« bettelte er.
»Aber ja!« versprach sie mit freudiger Stimme. »Nun, wo ich deine Braut bin.«
Und dem Grafen, der nicht schnell genug gefolgt war, wurde klar, daß er nun verlobt war.
Für zwei Uhr waren Ina und Katz in dem Institut verabredet.
Der Zufall oder eine Panne oder sonst irgendein Hindernis oder eine Abhaltung wollte es, daß Katz sich verspätete. Zwar hatte er dem alten Löschner telephonisch den Besuch angekündigt, und der wieder hatte für die nötige Bereitschaft des Hauses gesorgt. Seine Frau, Emilie Löschner, hatte sich von einer ihrer Schutzbefohlenen sogar ein paar Stunden früher als sonst frisieren lassen und ihr schwarzseidenes, tief dekolletiertes Abendkleid angezogen, das in der Helle des Junitages ebenso abscheulich wirkte wie die Schminke und der Puder, die sie den ungewohnten Gästen zur Ehre in doppelten Mengen auflegte. Wie denn überhaupt jede Anordnung, die sie in Erwartung Frau Inas traf, eine der Absicht entgegengesetzte Wirkung übte. Das ganze Haus setzte sie unter Moschus, mit dem sie sonst geizte. Vasen mit verstaubten künstlichen Blumen, die kaum des Abends echt wirkten, stellte sie auf Tische und Schränke. Minderwertige Felle undefinierbarer Provenienz, die sie verschlossen hielt und nur bei Besuchen beliebter Gäste hervorholte, breitete sie über Wände, Stühle und Chaiselongues. Kitschigen Nippes stellte sie auf die kleinen Tische und Wandbretter, auf denen sonst Krüge und Gläser standen. Der Gedanke, all diese Dinger abzustauben, kam ihr nicht. Und so entstand jener ekle, atembenehmende Dunst, den die Vereinigung von Staub und Moschus erzeugt. Auch ihre Schutzbefohlenen, die sich in ihren Morgenkleidern zum Teil recht nett ausnahmen, wurden mitten am Tage in dekolletierte, schwere Sammet- und Seidenkleider gesteckt, jene erste Garnituren, die Frau Löschner nur bei ganz besonderen Gelegenheiten herausgab. Dann behängte sie jede Einzelne noch mit Riesenstücken unechten Schmuckes und spritzte sie mit einer Flüssigkeit an, die sie Lodespansch nannte. Und als eine der Schutzbefohlenen sich anschickte, die lange Schleppe ihres völlig verstaubten Sammetkleides abzubürsten, fuhr sie sie an:
»Schwein! schon' den Sammet und ruinier' mir nicht meine Garderobe!«
Die Mädchen fühlten sich in den Kleidern, an die sie nicht gewöhnt waren, sehr unbehaglich. Eine Weißgepuderte, der die Schwindsucht im Gesicht, vor allem in den flimmernden Augen stand, brach fast unter der Last zusammen.
»Die feift ja man so schon auf ›es letzte Loch‹«, meinte eine andere. »Noch vier Wochen in des Tempo und se steht nich mehr auf.«
»So schont sie doch!« forderte eine andere. »Wir können es schon richten, daß sie weniger rankommt.«
»Marianne ist eben begehrt, weil sie nicht so frech und vorlaut ist«, sagte die Alte.
»Für die werden Sie schwer einen Ersatz finden«, meinte eine dritte. Und wieder eine andere sagte:
»Er muß gefunden werden. Ohne sie können wir's nicht machen. Die gegenüber haben denselben Besuch und sind achtzehn; wir nur acht.«
Die