Seeabenteuer und Schiffsbrüche. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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sich nieder, um nicht wieder aufzustehen. Er _mußte jedoch noch zwei Tage gelebt haben, denn so oft eine Welle über seinen Körper hinwegging, sahen Diejenigen, welche das ganze Drama mit angstvollen Blicken beobachtet hatten, seine Glieder convulsivisch zusammenzucken.

      Diese Scene war so herzzerreißend, daß sie einen tiefen Eindruck auf die Unglücklichen machte, obgleich das Gefühl ihrer eigenen entsetzlichen Lage jede Theilnahme für die Leiden Anderer zu ersticken schien.

      Das Schiff wurde indessen von den Wellen des Ozeans, aber beständig unter Gottes Leitung, umher geworfen, ohne daß Jemand hätte sagen können, nach welcher Gegend es verschlagen wurde.

      Endlich, am Abende des 10. Juli, zwanzig Tage nach dem Versinken der »Juno« richtete einer der Schiffbrüchigen den Blick lange auf einen Punkt, stand auf, um besser sehen zu können, und rief plötzlich aus:

      »Ich sehe Land!«

      5.

      Die dreißig Rupien der Madame Bremner

      Dieser Rettungsruf machte Anfangs, so unglaublich dies auf den ersten Anschein klingen mag, auf Niemanden einen bemerkbaren Eindruck; die Apathie diese: Unglücklichen war so groß, daß Keiner aufstand, um sich durch eigne Anschauung von der Wahrheit der Thatsache zu überzeugen.

      Einige Minuten Zeit waren nöthig, damit der durch die körperliche Erschöpfung geschwächte Geist der armen Leute die angekündigte Nachricht zu fassen vermochte, und nach Verlauf dieser ersten Minuten entstand eine Anfangs kaum merkliche Bewegung, bis nach und nach endlich Alle mit gespannter Erwartung den Blick auf den bezeichneten Punkt richteten.

      Aber der Tag war schon zu weit vorgerückt, als daß man noch hätte erkennen können, ob es wirklich Land oder nur ein Trugbild war, welches die Phantasie der Schiffbrüchigen zuweilen auf dem einsamen Ozeane erblickt.

      Merkwürdiger Weise aber schien man Anfangs kaum einigen Werth auf dieses glückliche Ereigniß zu legen; Aller Blicke hatten sich schweigend auf den bezeichneten Punkt gerichtet, dann war, wie gesagt, die Nacht hereingebrochen und hatte Alles in ihren dunkeln Mantel gehüllt.

      Bald aber schien sich die Sehnsucht nach dem rettenden Lande im Herzen der Unglücklichen zu regen; das Gespräch wurde lebhafter, Jedermann äußerte seine Meinung und endlich war man allgemein der Ansicht, daß es Land gewesen sein müsse.

      Nur John Mackay behauptete, daß es kein Land sei, und daß, selbst wenn es dies wäre, von einer gewissen Aussicht auf Rettung noch keineswegs die Rede sein könne.

      Die unglückliche Madame Bremner, welche durch den Tod ihres Gatten und durch ihre eigenen Leiden schon völlig zu Boden gedrückt gewesen war, klammerte sich jetzt mit der Kraft der Verzweiflung an den schwachen Hoffnungsschimmer, und John Mackay's beharrliches Leugnen, daß das Gesehene Land sei, sowie seine Gleichgültigkeit gegen diese Nachricht, wenn sie auch auf Wahrheit beruhen sollte, machten sie vollends ganz unglücklich.

      »Warum wollt Ihr denn nicht glauben, daß wir in der Nähe einer Küste sind? « rief sie aus; »und warum scheint Ihr Euch ganz und gar nicht darnach zu sehnen, wenn Ihr es auch glauben wolltet?«

      »Weil ich erstens wirklich nicht glaube, daß ein Land in der Nähe sein kann,« antwortete der Hochbootsmann, »und dann, weil es in diesem Falle nicht unsere Rettung, sondern gerade unser unvermeidliches Verderben sein würde.«

      »Unser Verderben? Warum denn?«. fragte die arme Frau,mit einem fieberglühenden Blicke.

      »Weil wir das Schiff nicht regieren und daher unmöglich in einen Hafen steuern können, weil es eben deshalb in bedeutender Entfernung von der Küste auf den Grund stoßen und dann unfehlbar von den Wellen zertrümmert werden wird. Wenn Sie nicht mehr die Kraft in sich fühlen, Ihre Leiden zu ertragen, so wünschen Sie die Nähe, einer Küste herbei, und Sie können überzeugt sein, daß wie dann gewiß von allen unsern Qualen erlöst werden.«

      Diese Prophezeiung aus dem Munde eines so erfahrenen Seemannes, wie John Mackay, versetzte Jedermann in eine verzweiflungsvolle Bestürzung, und mit der Hoffnung, die er den Unglücklichen geraubt hatte, erlosch auch das Gepräch wieder.

      John erzählt selbst, daß die Ankündigung von der Nähe einer Küste ihm einen so geringen Trost gewährt habe; daß er eingeschlafen sei und am folgenden Morgen, als er erwachte, nicht einen Blick auf den Punkt des Horizonte geworfen habe, wo man sie gesehen haben wollte.

      In dem nämlichen Augenblicke aber bewegte einer von den im Fockmastkorbe befindlichen Matrosen sein Taschentuch und versuchte das Wort »Land!« auszurufen.

      Man sah das wehende Tuch und ahnte, was der Mann sagen wollte; aber der Ruf seiner schwachen Stimme schlug nur als ein unverständlicher Laut an's Ohr der in dem andern Mastkorbe befindlichen Schiffbrüchigen.

      Beim Anblicke dieses Taschentuches regte sich jedoch auch in John Mackay der Wunsch, aufzustehen und sich umzusehen; da er sich aber gerade in einer bequemen Stellung befand, konnte er sich kaum dazu entschließen, und es bedurfte der ganzen Energie seines Willens, damit er seiner Neugierde endlich die Bequemlichkeit aufopferte. Die Folge seines Zauderns war, daß einer seiner Nebenmänner eher aufstand und erklärte, daß er wirklich Land sehe; seinem Beispiele folgte bald ein Dritter, und binnen wenigen Minuten standen Alle, der Hochbootsmann nicht ausgenommen, aufrecht im Mastkorbe.

      John Mackay mußte nun ebenfalls zugeben, daß Das, was man vor Augen sah, wirklich einer Küste glich.

      Als jedoch Madame Bremner ihn fragte, ob er glaube, daß es die Küste Koromandel sei, konnte sich der wackere Seemann, trotz der Schrecklichkeit der Situation, nicht enthalten, über diese naive Frage zu lächeln.

      Im Laufe des Tages wurde indessen das Vorhandensein einer Küste in der angegebenen Richtung so augenscheinlich, daß auch John Mackay es nicht mehr leugnen konnte. Welches Land es aber war, davon hatte er, so wenig als alle Anderen, nicht die entfernteste Idee.

      Jedermann schwebte nun in einer unbeschreiblichen Angst; merkwürdiger Weise aber erwachte mitten in der allgemeinen Angst einige Hoffnung in John, und auch diese Hoffnung hatte er wieder aus einem religiösen Gedanken geschöpft.

      Dieser religiöse Gedanke, der in Johns Herzen aufgestiegen, war der, daß Gott die Schiffbrüchigen unmöglich habe so lange leiden lassen können, um in dem Augenblicke, wo er ihnen die Hoffnung wiedergab, ihren Leiden durch den Tod ein Ende zu machen.

      Als daher Madame Bremner ihn durch einen Blick befragte, als ob sein Ausspruch ein Orakel wäre, das über Leben und Tod entscheiden sollte, erhob John Mackay Augen und Hände zum Himmel und sprach das Wort aus:

      »Ich hoffe!«

      Von nun an verwendeten die unglücklichen kein Auge mehr von der Küste. Leider aber zeigte es sich, je näher man derselben kam; immer deutlicher, daß sie höchst wahrscheinlich unbewohnt war.

      Der Hochbootsmann traf seine Anstalten für die Nachtruhe, fest überzeugt, daß diese seine letzte Nacht sein und daß das Schiff vor dem nächsten Morgen auffahren und auseinander gehen werde.

      Er war jedoch so ermüdet, daß er dem ungeachtet fest schlief.

      Kurz vor Sonnenaufgang wurde er wirklich, wie alle anderen Schlafenden, durch eine heftige Erschütterung geweckt; das Schiff war auf eine Klippe gestoßen. Ein schwacher Schrei, der aber sogleich wieder erstarb, entschlüpfte jedem Munde.

      Darauf folgte eine ängstliche Stille.

      Die Stöße wiederholten sich noch mehrere Male, und sie waren so heftig, daß jedes Mal die beiden Maste erschüttert wurden und die Schiffbrüchigen nicht in den Mastkörben aufrecht stehen konnten, sondern sich niederlegen und anhalten mußten.

      Zwischen neun und zehn Uhr Morgens fiel das Meer um mehrere Fuß, und der noch vorhandene Theil des Verdecks erschien über dem Wasserspiegel.

      Es war nun die Rede davon, daß man auf das Verdeck hinuntersteigen wolle.

      Dies war aber keine Kleinigkeit in dem Zustande, in den die zwanzigtägige Hungersnoth die noch Lebenden versetzt hatte. Man wird sich leicht eine Vorstellung davon machen können, welchen Anblick diese Unglücklichen darbieten mußten, die sich zwanzig Tage lang von Nichts als einigen