La San Felice Band 4. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Amme hat den Schatten Ihrer Mutter gesehen?«

      »Ja. Wollen Sie, daß ich Ihnen dies erzähle?« fragte der junge Mann lächelnd.

      Luisas Antwort bestand darin, daß sie den Verwundeten bei beiden Händen faßte und ihn begierig anschaute.

      »Wir wohnten in Frankreich – denn wenn meine Augen sich auch nicht in Frankreich erschlossen haben, so fingen sie doch hier erst an zu sehen. Wir wohnten in der Mitte eines großen Waldes. Mein Vater hatte für mich eine Amme aus einem Dorfe angenommen, welches ungefähr eine Stunde von dem Hause entfernt war, in welchem wir wohnten.

      »Eines Nachmittags bat sie meinen Vater um Erlaubniß, einmal nach Hause gehen zu dürfen, um ihr Kind zu sehen, welches wie man ihr gesagt, krank war. Es war dies dasselbe, welches sie entwöhnt, um mir die Stelle desselben einzuräumen. Mein Vater ertheilte ihr nicht blos die gewünschte Erlaubniß, sondern begleitete sie auch, um sich ebenfalls von dem Befinden ihres Kindes zu überzeugen. Man gab mir zu trinken man legte mich in meine Wiege und da ich niemals eher als um zehn Uhr des Abends erwachte und mein Vater mit seinem Cabriolet zum Hin- und Rückweg nach dem Dorfe höchstens anderthalb Stunden gebrauchte, so schloß er die Thür zu, und steckte den Schlüssel in die Tasche, ließ die Amme mit in dem leichten Wagen Platz nehmen und brach unbesorgt auf.

      »Ihr Kind litt, wie sich ergab, blos an einigen unbedenklichen Verdauungsbeschwerden. Mein Vater beruhigte die gute Frau, ließ ihrem Mann ein Recept und einen Louisdor zurück, damit das Recept auch gemacht würde, und wollte mit der Amme wieder nach seiner Wohnung zurückkehren, als ein junger Mann ganz verzweiflungsvoll herbeigestürzt kam und sagte, daß sein Vater, ein Waldhüter in der vergangenen Nacht durch einen Wildschützen schwer verwundet worden sei. Meinem Vater fiel es nicht ein, eine solche Ansprache an seinen Beistand zurückzuweisen. Deshalb übergab er der Amme, den Schlüssel zum Hause und empfahl ihr, sich unverweilt auf den Rückweg zu machen und zwar um so mehr, als ein Gewitter im Anzuge zu sein schien.

      Die Amme machte sich auf. Es war sieben Uhr Abends. Sie hoffte noch vor acht Uhr das Haus erreicht zu haben, und mein Vater ging seines Weges, nachdem er sie vorher sich in der Richtung entfernen gesehen, welche sie wieder zu mir führen mußte. Eine halbe Stunde ging Alles gut, dann aber umzog sich der Himmel plötzlich, der Donner grollte und unter Blitzen und wolkenbruchartigem Regen kam ein furchtbares Gewitter zum Ausbruch.

      »Zum Unglücke wählte die gute Frau, anstatt auf dem gebahnten Wege weiter zu gehen, um schneller an Ort und Stelle zu gelangen, einen Fußsteig welcher die Entfernung allerdings etwas abkürzte, den aber die Nacht sehr schwierig zu begehen machte. Ein Wolf, welcher, selbst durch das Gewitter erschreckt, ihr über den Weg lief, jagte ihr Furcht ein. Sie sprang seitwärts in ein Dickicht hinein, verirrte sich darin und lief, durch das Gewitter immer mehr beunruhigt, rufend, weinend und schreiend aufs Gerathewohl darin herum, ohne jedoch auf ihr Rufen eine andere Antwort zu erhalten, als das Geschrei der Uhu’s und Nachteulen.

      »So irrte sie drei Stunden lang umher, an Bäume und auf der Erde liegende Stämme anrennend, oft in Schluchten stürzend und mitten unter dem Rollen des Donners neun, zehn und elf Uhr schlagen hörend.

      »Endlich, gerade als sie den ersten Schlag der Mitternachtsstunde vernahm, zeigte ihr ein Blitz unser so lange gesuchtes Haus in einer Entfernung von kaum hundert Schritten und als der Blitz erloschen, als der Wald wieder in Finsterniß gehüllt war, ward sie durch einen Lichtschein geleitet, der aus dem Zimmer fiel, in welchem meine Wiege stand.

      »Sie glaubte, mein Vater wäre vor ihr nach Hause gelangt und verdoppelte ihren Schritt.

      »Aber wie war er dann hineingekommen da er ja ihr den Schlüssel gegeben hatte? Besaß er vielleicht noch einen zweiten? Dies dachte sie und durchnäßt vom Regen mit zerstoßenen und geschundenen Händen und Füßen und durch die Blitze geblendet, schloß sie die Thür auf, stieß sie hinter sich zu, ging rasch die Treppe hinauf, durchschritt das Zimmer meines Vaters und öffnete die Thür des meinigen.

      »Auf der Schwelle aber blieb sie, einen lauten Schrei ausstoßend, stehen.

      »Mein Freund! mein Freund!« rief Luisa, die Hände des jungen Mannes drückend.

      »Eine weiß gekleidete Frau stand an meinem Bette,« fuhr der junge Mann mit veränderter Stimme fort. »Sie murmelte leise eines jener mütterlichen Lieder, womit man die Kinder in den Schlaf lullt, und schaukelte zugleich mit der Hand meine Wiege. Diese Frau war jung und schön, aber ihr todtenbleiches Antlitz zeigte mitten auf der Stirn einen rothen Flecken.

      »Die Amme stützte sich an das Thürgewand, um nicht umzusinken. Ihre Füße versagten ihr den Dienst.

      »Sie begriff recht wohl, daß sie sich einem übernatürlichen Wesen aus dem Lande der Seligen gegenüber befand, denn das Licht, welches das Zimmer erhellte, ging von der Erscheinung aus. Uebrigens wurden die anfangs vollkommen scharfen Umrisse derselben allmälig undeutlich; mit den Zügen des Gesichts war dasselbe der Fall, die Gewänder verschwammen, der Körper ward Wolke, die Wolke verwandelte sich in Dunst, welcher dann seinerseits verschwand und die vollkommenste Finsterniß und in derselben einen unbekannten Wohlduft zurückließ.

      »In diesem Augenblick kam mein Vater selbst nach Hause. Die Amme hörte ihn und rief mehr todt als lebendig seinen Namen. Als er ihre Stimme hörte, stieg er die Treppe hinauf, zündete Licht an und fand die gute Frau zitternd, mit schweißtriefender Stirn und nur noch mit Mühe athmend an derselben Stelle stehen, von wo aus sie die Erscheinung gesehen.

      »Durch die Nähe meines Vaters und das Licht der Kerze wieder ermuthigt, eilte sie auf meine Wiege zu und nahm mich in ihre Arme.

      »Ich schlief friedlich und fest. In der Meinung, daß ich seit vier Uhr Nachmittags nichts zu mir genommen und daß ich Hunger und Durst haben müsse, reichte sie mir die Brust, aber ich weigerte mich, dieselbe zu nehmen.

      »Nun erzählte sie Alles meinem Vater-, welcher sich dieses Dunkel, ihre Aufregung, ihre Angst und ganz besonders jenen geheimnißvollen Wohlgeruch der das Zimmer noch erfüllte, nicht erklären konnte.

      »Mein Vater hörte die Amme aufmerksam au, wie ein Mann, der, nachdem er alle Geheimnisse der Natur zu ergründen gesucht, sich über keines derselben wunderte.

      »Als die Amme die Erscheinung der Frau beschrieb, welche mich gewiegt und mir ein Schlummerlied gesungen, und als sie ihm sagte, daß diese Frau aus der Mitte der Stirn einen rothen Fleck gehabt, begnügte er sich zu antworten: »Das ist seine Mutter gewesen!«

      Mehr als einmal,« fuhr der Verwundete mit noch mehr veränderter Stimme fort, »erzähltes mein Vater mir später diesen Vorfall und dieser starke, gewaltige Geist zweifelte nicht, daß auf mein Geschrei der glückselige Schatten der Mutter von Gott die Erlaubniß erhalten, vom Himmel herabzusteigen, um den Hunger und das Wehklagen ihres Kindes zu stillen.«

      »Und späten,« fragte Luisa bleich und selbst schaudernd, »später haben Sie Ihre Mutter nochmals gesehen?«

      »Dreimal,« antwortete der junge Mann. »Das erste Mal war es in der Nacht, welche dem Tage voranging, wo ich sie rächte. Ich sah sie mit jenem rothen Flecken mitten aus der Stirn sich meinem Bette nähern. Sie neigte sich über mich, um mich zu küssen. Ich fühlte die Berührung ihrer kalten Lippen und etwas, was einer Thräne glich, fiel in dem Augenblick, wo sie sich aufrichtete, auf meine Stirn. Ich wollte sie nun in meine Arme fassen und festhalten, aber sie verschwand. Ich sprang aus dem Bett und eilte in das Zimmer meines Vaters. Eine Kerze brannte hier. Ich näherte mich einem Spiegel. Das, was ich für eine Thräne gehalten, war ein Blutstropfen, der ihrer Wunde entfallen war. Mein Vater härte, nachdem ich ihn geweckt, meine Erzählung ruhig an und sagte lächelnd:

      »Morgen wird sich die Wunde geschlossen haben.«

      »Am nächsten Tage erschoß ich den Mörder meiner Mutter.«

      Luisa barg erschrocken ihr Haupt in dem Kopfkissen des Verwundeten.

      »Zweimal seit jener Nacht habe ich sie wiedergesehen.« fuhr Salvato mit beinahe erloschener Stimme fort. »Da sie aber nun gerächt war, so war der Blutflecken von ihrer Stirn verschwunden.

      Als Salvato diese Erzählung, welche für seine Kräfte sehr lang gewesen, beendet hatte, sank er theils vor Ermüdung, theils vor Gemüthsbewegung, bleich