»Der König?«
»In Person.«
»Gehen Sie doch, Sie sind wohl nicht der König.«
»Nein, aber ich vertrete ihn.«
»Sie vertreten den König?« sprach der Bauer, seinen Hut abnehmend.
»Mach’ geschwinde, Freund, der König habe große Eile.«
Und der Hercules warf einen beobachtenden Blick auf die Landstraße.
»Seien Sie unbesorgt,« sagte der Bauer, »wenn die Dame aufgewacht ist, werde ich ihr zwei Worte zuflüstern.«
»Ja, aber ich habe nicht Zeit, zu warten, bis sie aufgewacht ist.«
»Was ist dann zu thun?«
»Parbleu! wecke sie auf.«
»Oh mein Herr, niemals.«
»Nun, so werde ich sie selbst aufwecken. Warte, warte.«
Und der Mann, der Seine Majestät zu vertreten vorgab, ging näher hinzu, um mit einer langen Reitpeitsche mit silbernem Knopfe an einen oberen Laden zu klopfen.
Doch die bereits erhobene Hand senkte sich wieder, ohne nur an dem Laden anzustreifen, denn in demselben Augenblick gewahrte er eine Chaise, welche im letzten Trabe von drei erschöpften Pferden herbeifuhr.
Das geübte Auge des Fremden erkannte sogleich die Felder des Wagens und er eilte ihm mit einem Laufe entgegen, der dem arabischen Pferde, nach dessen Besitz er trachtete, Ehre gemacht hätte.
Dieser Wagen war die Postchaise, welche die Reisende, den Schutzengel von Gilbert, führte.
Als der Postillon den Mann sah, der ihm Zeichen machte, war er, da er nicht wußte, ob feine Pferde noch bis zur Station gehen könnten, entzückt, anhalten zu dürfen.
»Chon, meine gute Chon! bist Du es endlich? Guten Morgen! guten Morgen!«
»Ich selbst, Jean,« antwortete die Reisende, welche mit diesem seltsamen Namen angerufen wurde, »was machst Du da?«
»Bei Gott! eine schöne Frage, ich warte.«
Und der Hercules sprang auf den Fußtritt, umfaßte durch die Oeffnung des Kutschenschlages die junge Frau mit seinen langen Armen und bedeckte sie mit Küssen.
Plötzlich erblickte er Gilbert, der keine von den Beziehungen kannte, welche zwischen diesen zwei neuen Personen bestanden, die wir in Scene gesetzt haben, und ein so verdrießliches Gesicht machten, wie ein Hund, dem man einen Knochen wegnimmt,
»Halt,« sagte er, »was hast Du da aufgelesen?«
»Einen äußerst belustigenden kleinen Philosophen,« antwortete Mademoiselle Chon ohne sich im Geringsten darum zu bekümmern, ob sie ihren Schützling dadurch verletzte, oder ihm schmeichelte.
»Und wo hast Du ihn gefunden?«
»Auf der Landstraße. Doch es handelt sich nicht um dieses.«
»Es ist wahr,« antwortete derjenige, welchen man Jean nannte. »Nun, unsere alte Gräfin von Bearn?«
»Das ist abgemacht.«
»Wie, es ist abgemacht?«
»Ja, sie wird kommen.«
»Sie wird kommen?«
»Ja, ja, ja,« machte Mademoiselle Chon mit dem Kopfe.
Diese Scene ging immer vom Fußtritt zum Kissen der Chaise vor.
»Was hast Du ihr denn erzählt?« fragte Jean.
»Ich wäre die Tochter ihres Advokaten; des Meister Flageot, ich käme durch Verdun und hätte den Auftrag, ihr von meinem Vater zu melden, daß ihr Prozeß in das Register eingetragen werde.«
»Das ist Alles?«
»Ja, doch ich fügte bei, die Einregistrirung mache ihre Gegenwart in Paris unerläßlich.«
»Was that sie sodann?«
»Sie riß ihre grauen Augen weit auf, schlürfte ihren Tabak, behauptete, Meister Flageot sei der erste Mann der Welt, und gab Befehle zu ihrer Abreise.«
»Das ist herrlich, Chon! Ich mache Dich zu meinem außerordentlichen Botschafter. Wollen wir nun frühstücken?«
»Allerdings, denn dieses unglückliche Kind stirbt vor Hunger; doch geschwinde, nicht wahr?«
»Warum denn?«
»Weil man dort kommt!«
»Die alte Prozeßkrämerin! bah! wenn wir ihr nur zwei Stunden voran sind und Zeit haben, mit Herrn von Maupeou zu sprechen.«
»Nein, die Dauphine!«
»Bah! die Dauphine muß noch in Nancy sein.«
»Sie ist in Vitry.«
»Drei Stunden von hier?«
»Nicht mehr, nicht weniger.«
»Teufel, das verändert die Sache! vorwärts, Postillion! vorwärts!«
»Wohin, mein Herr?«
»Nach der Post.«
»Steigt der Herr ein, oder steigt er ab?«
»Ich bleibe wo ich bin. Vorwärts!«
Der Wagen entfernte sich, den Reisenden auf dem Fußtritte fortführend; fünf Minuten nachher hielt er vor dem Posthause an.
»Rasch, rasch, rasch,« sagte Chon, »Cotelettes, ein Huhn, Eier, eine Flasche Burgunder, was es gerade gibt; wir müssen auf der Stelle wieder abreisen.«
»Verzeihen Sie, Madame,« sprach der Postmeister auf seine Schwelle tretend, »wenn Sie sogleich wieder abreisen wollen, so müssen Sie es mit Ihren Pferden thun.«
»Wie! mit unsern Pferden?« versetzte Jean, schwerfällig von dem Fußtritte herabspringend.
»Ja, gewiß, oder mit denjenigen, die Sie gebracht haben.«
»Nein,« sagte der Postillon, »sie haben bereits eine doppelte Station gemacht, sehen Sie nur den Zustand dieser armen Thiere an.«
»Oh! wahrlich,« rief Chon, »sie können unmöglich weiter gehen.«
»Aber wer hindert Sie, mir frische Pferde zu geben?«
»Ich habe keine mehr.«
»Ei, Sie müssen haben . . . den Teufel, das ist Vorschrift.«
»Mein Herr, die Vorschrift verpflichtet mich, fünfzehn Pferde im Stall zu haben.«
»Nun?«
»Ich habe achtzehn.«
»Das ist mehr, als ich verlange, denn ich brauche nur drei«
»Ganz gut, aber sie sind auswärts.«
»Alle achtzehn?«
»Alle achtzehn.«
»Fünfundzwanzig Donner!« fluchte der Reisende.
»Vicomte! Vicomte!« rief die junge Frau.
»Ja, ja,« sagte der Prahler, »sei unbesorgt, man wird sich mäßigen. Und wann kommen Ihre Rosse zurück?« fuhr er, sich an den Postmeister wendend, fort.
»Verdammt! gnädiger Herr, ich weiß es nicht; das hängt von den Postillons ab; vielleicht in einer Stunde, vielleicht in zwei.«
»Sie wissen, Meister,« sprach der Vicomte Jean, indem er seinen Hut auf das linke Ohr drückte und sein rechtes Bein bog, »Sie wissen, oder Sie wissen nicht, daß ich nie scherze.«
»Ich bin darüber in Verzweiflung, denn es wäre mir lieber, die Laune des Herrn neigte sich zum Scherzen.«
»Man spanne rasch ein, vorwärts, oder ich ärgere mich,« sagte Jean.
»Kommen Sie mit mir in den Stall, mein Herr, und wenn Sie ein einziges Pferd an der Raufe finden, gebe ich es Ihnen umsonst.«
»Duckmäuser, und wenn ich sechzig finde?«
»Das