John Davys Abenteuer eines Midshipman. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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bei ihrem leichten schwebenden Gange einer überirdischen Erscheinung glich, aus sich zukommen. Er sah sie erstaunt an und wartete, ohne einen Laut von sich zu geben.

      Die Unbekannte schien etwa fünfundzwanzig Jahre alt zu sein, aber sie konnte auch etwas älter sein. Sie war noch schön, obgleich die erste, bei den Engländerinnen so blendende Jugendfrische vorüber war, aber sie stand, so zu sagen, in der zweiten Blüthe, welche sich durch üppigere Fülle auszuzeichnen pflegt.

      Ihre blauen Augen hatten einen unbeschreiblich sanften, milden Ausdruck; ihr langes schwarzes Haar wallte in natürlichen Locken unter dem kleinen Strohhute herab; ihr Gesicht hatte die reinen edlen Zuge, die den Frauen im nördlichen Großbritannien eigen sind, und ihr einfacher, aber geschmackvoller Anzug hielt die Mitte zwischen der Mode des Tages und dem Puritanismus des siebzehnten Jahrhunderts.

      Sie wollte die wohlbekannte Güte Sir Edwards für eine arme Witwe mit vier Kindern, deren Versorger Tags zuvor gestorben war, in Anspruch nehmen.

      Der Eigenthümer des Hauses, in welchem die Witwe wohnte, befand sich aus Reisen, und der Verwalter forderte den seit einem Jahre rückständigen Miethzins. Der harte, auf den Vortheil seines Herrn bedachte Mann drohte Mutter und Kinder zum Hause hinauszuwerfen. Der Winter war vor der Thür; die arme Familie setzte ihre letzte Hoffnung auf den edelmüthigen Capitän und hatte die nun erscheinende junge Dame zur Fürsprecherin gewählt.

      Sie schilderte die Noth der Witwe in so rührender Weise, daß Sir Edwards Augen feucht wurden ; er griff in die Tasche, zog eine mit Gold gefüllte Börse hervor und reichte sie der Abgesandten, ohne ein Wort zu sagen; denn wie Dante’s Virgil hatte er im langen Schweigen das Sprechen verlernt.

      Die junge Dante ergriff dankend die Hand des Gutsherrn und küßte sie. Dann entfernte sie sich schnell, um der armen Familie diese unerwartet schnelle Hilfe zu bringen.

      Sir Edward glaubte geträumt zu haben. Er sah sich nach allen Seiten um – die weiße Erscheinung war verschwunden. Er konnte sich kaum von der Wirklichkeit dieses Vorfalls überzeugen; doch er konnte nicht zweifeln, die Börse war nicht mehr in seiner Tasche und er fühlte noch den sanften Druck des Kusses aus seiner Hand.

      In diesem Augenblick kam Sanders zufällig in die Allee. Der Capitän rief ihm. Sanders sah sich erstaunt um, denn er war an eine solche Vertraulichkeit schon längst nicht mehr gewöhnt.

      Sir Edward gab ihm einen Wink. Sanders kam. Der Capitän fragte mit einer Lebhaftigkeit, die seiner Stimme schon lange nicht eigen gewesen war, wer die junge Dame sei, die sich so eben entfernt.

      »Es ist Anna Mary,« antwortete der Verwalter, als ob es sich von selbst verstände, daß der Capitän die bezeichnete Person kenne.

      »Wer ist denn Anna Mary?« fragte Sir Edward.

      »Wie, Ew. Herrlichkeit kennen sie nicht?« fragte Sanders erstaunt.

      »Nein« erwiederte der Capitän mit einer Ungeduld, die in seinem apathischen Zustande ein gutes Zeichen war; »nein, ich kenne sie nicht, sonst würde ich nicht fragen wer sie ist.«

      »Wer sie ist? Der Himmel hat sie den Armen und Bedrängten als rettenden und tröstenden Engel gesandt. Sie hat vermuthlich um eine Beisteuer zu einem guten Werke gebeten?«

      »Ja, ich glaube, sie hat von Nothleidenden gesprochen, denen man helfen müsse.«

      »Ganz recht, sie erscheint bei reichen Leuten nur als Bittende, bei armen als Wohlthäterin.»

      »Wer ist die Frau?«

      »Sie ist noch ein Fräulein, und ein sehr gutes, braves Fräulein.«

      »Aber wer ist sie?«

      »Das weiß Niemand genau, obgleich man’s wohl vermuthet. Es mögen etwa dreißig Jahre sein, im Jahre 1766 oder 1767, kamen ihre Eltern nach Derbyshire; sie kamen aus Frankreich, wohin sie sich als Anhänger des Prätendenten [Edward, Enkel Jakobs II., der letzte Sprößling des Hauses Stuart.]) begeben haben sollen; ihr Vermögen war confiscirt, und sie ließen sich, da sie mindestens sechzig Miles von London entfernt bleiben mußten, in Derbyshire nieder. – Vier Monate nach der Ansiedlung der Familie wurde die kleine Anna Mary geboren. Im Alter von fünfzehn Jahren verlor sie ihre Eltern und stand mit einer kleinen Rente von vierzig Pfund Sterling allein in der Welt. Es war zu wenig, um einen vornehmen Herrn zu heiraten, und für einen Bauer schickte sich ein so fein erzogenes Fräulein auch nicht; sie blieb also ledig und entschloß sich ihr Leben der Wohlthätigkeit zu widmete. Seitdem hat sie ihren Entschluß mit großem Eifer ausgeführt. Einige medicinische Kenntnisse, welche sie sich erworben, haben ihr die Thüren der armen Kranken geöffnet, und wo die Heilkunst nichts mehr vermag, soll ihr Gebet Alles vermögen. Denn Anna Mary wird von allen Leuten als eine Heilige betrachtet. Es ist daher nicht zu verwundern, daß sie sich die Erlaubniß genommen Ew. Herrlichkeit zu stören; sie hat überall Zutritt und kein Diener getraut sich sie abzuweisen.«

      »Das ist recht,« sagte Sir Edward aufstehend; »denn es ist eine brave ehrenwerthe Person. – Geben Sie mir Ihren Arm, lieber Sanders; ich glaube, es ist Essenszeit.«

      Er war seit mehr als einem Monate das erste Mal, daß der Appetit des Capitäns der Tischglocke vorauseilte Sanders mußte zum Essen dableiben, der Gutsherr wollte ihn nicht fortlassen. Der Verwalter war sehr erfreut über diese Rückkehr zur Geselligkeit und benutzte die ganz ungewohnte Gesprächigkeit des Capitäns, um von einigen Geschäftssachen zu sprechen, die er wegen der Krankheit aufgeschoben hatte. Aber diese Anwandlung von Gesprächigkeit ging bald vorüber, der Kranke gab dem Verwalter keine Antwort, – Vielleicht hielt er die zur Sprache gebrachten Angelegenheiten keiner Beachtung werth. Kurz, Sir Edward versank wieder in seine gewohnte Schweigsamkeit, und alle Bemühungen ihn zu zerstreuen blieben erfolglos.

      IV

      Die Nacht verging wie gewöhnlich und ohne daß Tom in dem Zustande des Kranken eine Veränderung bemerkte. Der Tag brach trübe und nebelig an. Tom wollte sich dem Spaziergange seines Herrn widersetzen, er fürchtete die schädliche Einwirkung der Herbstnebel. Aber Sir Edward wurde böse und ging trotz den Gegenvorstellungen des treuen Dieners auf die Grotte zu.

      Als er etwa eine Viertelstunde auf seinem Lieblings- play gesessen, sah er Anna Mary in Begleitung von einer Frau und drei Kindern am Ende der Allee erscheinen.

      Es waren die Witwe und die Waisen, welche dem Capitän für die ihnen erwiesene Wohlthat danken wollten.

      Sir Edward stand auf, um Anna Mary entgegenzugehen; aber kaum hatte er einige Schritte gemacht, so fing er an zu wanken und mußte sich an einen Baum lehnen. Anna eilte ihm zu Hilfe. Die Witwe und die Kinder fielen ihm zu Füßen und faßten seine Hände, welche sie mit Küssen und Thränen bedeckten. Der Ausdruck dieser offenen ungeheuchelten Dankbarkeit rührte den Capitän zu Thränen.

      Er wollte seine Rührung bekämpfen, denn er meinte, es zieme sich nicht für einen Seemann so weichherzig zu sein; aber es schien ihm, daß Thränen seine gepreßte Brust erleichtern würden, und ohne Gewalt über sein Herz, das unter der rauhen Hülle so gut geblieben war, überließ er sich seinen Gefühlen. Er nahm die Kleinen einen nach dem andern auf den Arm und küßte sie und versprach ihrer Mutter sie nicht zu verlassen.

      Anna Mary sah mit inniger Freude zu; ihr Gesicht, ihr Auge schien verklärt. Dieses Glück war ja ihr Werk. Man sah wohl, daß ihre Züge solchen oft wiederholten Anblicken den sanften heitern Ausdruck verdankten.

      In diesem Augenblicke kam Tom, um seinen Herrn nöthigenfalls mit Gewalt ins Schloß zurückzuführen. Als er den Capitän von mehren Personen umgeben sah, ward er in seinem Entschlusse bestärkt, denn er zweifelte nicht, daß man ihm beistehen würde. Er begann in halb keifendem halb bittendem Tone eine lange Anrede, in welchen er dem Kranken zu beweisen suchte, daß er ihm folgen müsse; aber Sir Edward schenkte der Beredtsamkeit des braven Matrosen nur geringe Beachtung.

      Einen um so größern Eindruck machten seine Vorstellungen auf Anna. Sie sah ein, daß Sir Edward’s Gesundheitszustand bedenklich war, daß er sich der feuchten Luft nicht aussehen dürfe. Sie traten ihn zu und sagte mit ihrer sanften, einschmeichelnden Stimme:

      »Haben Ew. Herrlichkeit wohl gehört?«

      »Was denn?« fragte Sir Edward, wie aus einem Traum erwachend.

      »Was